Das Unfallopfer will eine hohe Entschädigung von der Versicherung haben. Das Gericht hat noch nicht einmal einen Gutachter bestellt.

Harburg. Die Fernsehkameras liefen. Der Sprecher der Generali-Versicherungen sagte, dass sein Konzern alles tue, um den Schadensfall "Sarah T." schnellstmöglich zu regulieren (das Abendblatt berichtete). Das war am 11. Juni dieses Jahres - nach dem ersten Termin vor dem Hamburger Landgericht, Zweite Zivilkammer unter Vorsitz der Richterin Maren Lippold. Bislang ist es bei der Ankündigung geblieben. Die schwerstbehinderte Sarah T. (24) wartet noch heute, fünf Jahre nach ihrem schweren Autounfall auf eine Entschädigung.

Sarah verklagt die Versicherung auf 7,25 Millionen Euro. Eine Summe, die sich unter anderem aus Pflegekosten, Verdienstausfall, Schmerzensgeld und Schadensersatz für die kommenden Jahrzehnte in Sarahs Leben zusammensetzt. Sarah wird wegen ihrer spastischen Lähmungen und der Hirnverletzungen, die sie bei einem Unfall vor fünf Jahren erlitten hat, immer ein schwerer Pflegefall bleiben, sie braucht aufwendige und teure Therapien, um ihr Leben erträglich machen zu können. Die junge Frau wartet noch heute auf eine Regulierung durch die Versicherung, bei der das Unfallauto, in dem sie gesessen hatte, haftpflichtversichert war. Sarahs Mutter, Brigitte T., seit 38 Jahren arbeitet sie bei der Generali (ehemals Volksfürsorge) in Hamburg, pflegt ihre Tochter und kümmert sich um deren fünf Jahre alten Sohn Manuel, der den Unfall als Baby leicht verletzt überstand. Sie wirft dem Gericht vor, "den Fall nicht zügig zu bearbeiten. Seit dem letzten Termin hat sich nichts getan. Das Gericht lässt uns in der Luft hängen. Sarah hat große Existenzängste. Sie hat Angst davor, dass ich diese ganze Belastung einmal nicht mehr schaffe. Sie hat Angst davor, allein mit Manuel nicht mehr für ihr Leben aufkommen zu können. Diese Situation ist für meine Tochter unerträglich."

Dass die Generali an Sarah Schmerzensgeld und Schadensersatz zahlen muss, ist unbestritten. Auch die Höhe von 7,25 Millionen Euro ist bis auf einen Punkt unbestritten: Kann die Generali Sarah nachweisen, dass die junge Mutter damals bei dem Unfall nicht angeschnallt war, würden von den 7,25 Millionen Euro 20 bis 30 Prozent abgezogen werden. Gestritten wird vor dem Landgericht darüber, ob die Versicherung der Klägerin Sarah T. das Geld in einer Summe überweisen muss. Das fordert Sarah.

Die Generali will Sarah das Geld monatlich in Raten überweisen. Sarahs Rechtsanwalt Jürgen Hennemann, Buchholzer Fachanwalt für Versicherungsrecht, beruft sich auf ein Rechtsgutachten der Juristischen Fakultät der Humboldt Universität in Berlin. Danach hätten Unfallopfer wie Sarah das Recht auf eine einmalige Zahlung, mit der sie ihre Pflege, ihren lebenslangen Verdienstausfall und die Existenzgrundlage für sich und ihren Sohn eigenverantwortlich sichern könnten.

Brigitte T.: "Ich will mich nicht über Jahrzehnte mit der Generali darüber streiten müssen, welche Therapie für meine Tochter geeignet ist, oder wie viel eine gute Therapie kosten darf. Sarah und ich müssen endlich einen Schlussstrich unter die Sache ziehen können und mit Sarahs schwerer Behinderung ein neues Leben anfangen." Dazu gehöre auch, dass das Landgericht endlich entscheide.

Aber beim Landgericht Hamburg ist bis heute noch nicht einmal klar, welcher Gutachter untersuchen soll, ob Sarah T. in dem Unfallauto angeschnallt war. Brigitte T.: "Wir werden vom Landgericht Hamburg hingehalten. Ich weiß nicht mehr, wie ich Sarah erklären soll, dass es Gerechtigkeit gibt. Sie hat den Glauben an die Justiz verloren. Ich glaube, das Gericht hat Angst davor, einen Präzedenzfall zu schaffen und damit anderen Opfern die Möglichkeit zu geben, ebenfalls gegen die Versicherungen ihr Recht einzufordern, eigenverantwortlich über das zugesprochene Geld bestimmen zu können."

Hennemann: "Ich kann eine Verzögerung feststellen, die das Gericht in diesem Fall betreibt, die in dieser Ausprägung weder einem Juristen noch einem schwerst geschädigten Unfallopfer zu vermitteln ist."

Nach Informationen des Hamburger Abendblattes existiert ein Schreiben vom März 2009, in dem Richterin Lippold erklärt, seit früheren Jahren mit dem Chefanwalt des Versicherungskonzerns, Maximilian Meixner, eine Duz-Bekanntschaft zu unterhalten. Nach eigenen Aussagen halte die Richterin sich dennoch nicht für befangen.

Gerichtssprecher Conrad Müller-Horn dazu: "Richterin Lippold hat in einem frühen Stadium den Parteien mitgeteilt, dass sie mit dem Rechtsanwalt der beklagten Versicherung an einer Sportgruppe teilgenommen hat, damit das Verfahren in höchstem Maße transparent bleibt. Hätten die Parteien diesen Umstand mit Hinblick auf die Unparteilichkeit der Richterin als problematisch angesehen, dann hätten sie die Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen können. Das haben sie jedoch nicht getan."

Brigitte T.: "Im März dieses Jahres, bevor der Termin in Hamburg war, dachte ich noch, dass jetzt alles für meine Familie in Ordnung kommt. Aber inzwischen habe ich so meine Zweifel, ob dem wirklich so ist, und ob das Landgericht tatsächlich neutral ist."