Nettelnburg. Das knallgelbe Auto schwört Visionen des alten Amerika herauf. Visionen von Doris Day mit bunt getupftem Kopftuch, das im Fahrtwind weht. Und von Rock Hudson am Steuer eines glänzenden Traums aus Chrom.

Das knallgelbe Auto parkt allerdings nicht in New York oder Boston, sondern am Fuße der A 25, an der Grenze von Nettelnburg zu Allermöhe. Es ist auch kein Oldtimer, sondern ein noch nicht ganz fertiger "Custom" - ein aus alten und neuen Versatzstücken kreiertes Auto-Kunstwerk.

Gebaut hat es Oliver Kaps, der hier am Fuße der A 25 ein Stückchen große, weite Welt nach Bergedorf holt. Denn seine Kunden kommen aus aller Welt. Wer mit Kopftuch in ein Kaps-Cabrio einsteigt, wird es aber wohl schon an der ersten Kurve verloren haben.

"Unter 300 PS verläst kein Wagen den Hof. In einem 73er Pontiac LeMans steckt der bislang stärkste Motor, der leistet bis zu 900 PS", berichtet der 29-Jährige. Die Maschine aus einem Sport-Toyota hatte ursprünglich 330 PS. Einige Renn-Modifikationen und ein zuschaltbarer Intercooler, der die Ansaugluft bis auf zwei Grad Minus herunterkühlt, sorgen für den maximalen Kick.

"Viele denken, dass ich Automechaniker bin", sagt der 29-Jährige, der erst kürzlich mit seiner Freundin Verena Wellenkamp und Söhnchen Joe (1 Jahr) nach Bergedorf gezogen ist. Der gebürtige Kölner sieht sich eher als Künstler denn als Handwerker. Mit drei Subunternehmern baut er Autos im Stil der 50er- bis 70er-Jahre in den USA.

"Die Wagen hat es so aber nie gegeben", stellt er fest. Oft sind sie tiefer gelegt, haben kleinere, schnittigere Fenster, wirken dennoch authentisch. Das auch dank der Materialien, die sich Kaps und sein Team früher aus den USA holten, inzwischen oft per Internet bestellen.

Der Clou an der Produktion: Für Autos oder Umbau der Karosserien werden keine Maschinen verwendet, die es bei ihrer Entstehung nicht gab. Da werden Bleche schon mal übers Knie gebogen. "Selbst meine Standbohrmaschine ist aus den 60er-Jahren", sagt Kaps lachend.

Die Handarbeit macht maßgeschneiderte Autos zum Privileg für Besserverdienende oder emsige Sparer: "Etwa ein Jahr" baut Kaps mit Team an einem Auto, muss dann ab 50 000 Euro dafür verlangen.

In den USA sind die "Custom Cars" Teil einer regelrechten Popkultur. Ebenso die "Hot Rods", die auf noch älteren Wagen aus den 30er-Jahren basieren. Sie sind meist bis ins Extreme umgebaut, bunt lackiert und PS-stark aufgemotzt. Dadurch sind sie sehr schnell. "Das ist wie ein Ritt auf der Kanonenkugel", sagt Oliver Kaps grinsend. In den USA werden mit ihnen Rennen gefahren. Solche Hot Rods würden deutschen TÜV-Prüfern aber wohl Schweißperlen auf die Stirn oder das Entsetzen ins Gesicht treiben.

Auch die jüngeren Customs werden bunt oder schwarz lackiert. Dabei ist die Farbe oft das Tüpfelchen auf dem "i". Auch dabei werden alte Techniken angewandt. So basieren die Lacke schon mal auf echten, klein geschredderten Muscheln (für einen Perlmutteffekt) oder auf Metallspänen (für Metallic-Look). Kaps: "Das kann man dann nicht so mal eben nachlackieren, den Lack gibt es nur einmal."

Der 29-Jährige ist gelernter Maler und Autolackierer, war einst "der jüngste Meister Deutschlands". Schon früh wurde seine kreative Ader deutlich - er begann Wände zu marmorieren und zu vergolden. "Im Kölner Dom habe ich Engel restauriert und auch in Florenz habe ich gearbeitet."

Er machte sich selbstständig, zog nach Hamburg und konzentrierte sich auf Autos, an denen er immer schon gern herumgeschraubt hatte. Erst arbeitete er in Farmsen, dann am Nedderfeld, hatte schließlich eine Werkstatt am Berliner Tor. Jetzt ist Kaps in Bergedorf angekommen. "Ich mag den Bezirk", sagt er.

Sein Grundstück liegt zwischen A 25 und Schleusengraben und ist 5000 Quadratmeter groß. Der Platz wird auch benötigt, denn eine Werkstatt muss Kaps erst bauen. Die Baugenehmigung ist gerade durch, etwa 400 Quadratmeter groß soll die Halle sein.

Das meiste will der Neu-Bergedorfer mit Freunden und Kollegen in Eigenarbeit bauen. Die Zeit drängt: Momentan kann der Künstler, der viele Custom- und Hot-Rod-Fachleute zu seinen Freunden zählt, nichts bauen und also auch nichts verdienen. An Kunden mangelt es nach seinen Auskünften nicht: "Wir eröffnen im Oktober."

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"Im Kölner Dom habe ich Engel restauriert." Oliver Kaps, Autokünstler