Container im Kirchgarten werden jetzt abgebaut. Afrikaner beziehen Unterkünfte der Stadt. Bischöfin Fehrs dankt für gelebte Gastfreundschaft

St. Pauli/HafenCity. In den hohen alten Linden schimpfen die Amseln, in der Kita debattieren zwei Kinder hitzig über ein Spielzeug. Auf einem der weißen Wohncontainer haben die Flüchtlinge acht Paar Turnschuhe zum Trocknen aufgestellt, jemand hat wohl noch eine Großwäsche erledigt. Der Kirchgarten der St. Pauli Kirche hat etwas Dörfliches und Friedliches.

Aber für die 24 afrikanischen Flüchtlinge, die noch hier wohnen, sind es die letzten Tage in diesem Idyll. Am 2. Juni werden die Container abgebaut und die Bewohner auf verschiedene öffentliche Unterkünfte verteilt. Es geht nach Farmsen-Berne, an den Rübenkamp, nach Volksdorf. Ein Jahr lang haben sie hier gewohnt. Der Abschied fällt vielen nicht leicht.

Sieghard Wilm und Martin Paulekun, die Pastoren der St. Pauli Kirche, stehen vor dem Bauwagen der Embassy of Hope und sehen etwas bekümmert aus, während sie Bilanz ziehen. „Ich erinnere mich noch an den Tag, als sie vor unserer Tür standen, bei 14 Grad und Dauerregen“, sagt Sieghard Wilm. „Ihnen hier Obdach zu geben, war nicht meine Einzelentscheidung. Der Kirchengemeinderat, die Flüchtlingspastorin und Bischöfin Kirsten Fehrs standen hinter mir.“

52 Männer waren es, allesamt ehemalige Gastarbeiter in Libyen, die in Lampedusa gestrandet und schließlich von Italien in die Welt geschickt worden waren. Zuerst habe man „in diesem anfänglichen Chaos“ improvisieren müssen, sagt Wilm. Die Flüchtlinge schliefen in der Kirche. „Aber aus der Gemeinde und der Nachbarschaft kam sofort eine überwältigende Unterstützung.“

Nachbarn organisierten Deutschstunden, ein Gastronom am Hein-Köllisch-Platz kochte, mehrere Frauen betrieben einen Wäschewaschdienst. „Es war ein Jahr gelebte Willkommenskultur“, sagt Wilm, „in dem wir gespürt haben, wie stark wir sind, vernetzt mit anderen kirchlichen Akteuren.“ Ausdrücklich bedanken sich die Pastoren für die breite Unterstützung, die auch von der lokalen Gastronomie, der Fanszene des FC St. Pauli, vielen Schulklassen, Ärzten und Unternehmen, Clubs, Künstlern und Theaterleuten geleistet wurde. Die Klasse 10b der Ganztagsschule St. Pauli nebenan zum Beispiel startete die Aktion „Macht die Turnhalle frei“ für die Flüchtlinge.

Rund 200 Ehrenamtliche engagierten sich, von der Nachtwache bis zum Sportangebot. 250.000 Euro Spendengelder – „und davon kein Cent aus Kirchensteuermitteln“ – seien bisher ausgegeben worden für Lebensmittel, medizinische Versorgung, Fahrkarten, Heiz- und Stromkosten, rechtliche Beratung und Betreuung der Flüchtlinge. In der benachbarten St.-Trinitatis-Gemeinde Altona entstand die Kantine Zongo, in der täglich 200 Portionen Essen für Flüchtlinge gekocht werden.

„Wir hoffen, dass Zongo einen Träger findet“, sagt Paulekun. Denn das ist beiden Pastoren klar: Das Flüchtlingselend ist nicht beendet. Täglich melden sich neue Ankömmlinge – aus Syrien, Afghanistan, Somalia und anderen Krisenregionen, die darauf hoffen, dass sie in Hamburg sicher sind und bleiben können. „Wir bitten den Senat, alle gesetzlichen und politischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Flüchtlinge in Sprachkurse zu vermitteln, sie in Praktika und Arbeit zu bringen und ihnen ein Bleiberecht aus humanitären Gründen zu gewähren“, schließen die Pastoren. Die Embassy of Hope wird bleiben und weiterhin Treffpunkt der Männer sein, die auf St. Pauli einen friedlichen Ort gefunden hatten.

Fehrs: Es gab zwischen der Kirche und dem Senat einen konstruktiven Dialog

Bischöfin Kirsten Fehrs ist derweil die Erleichterung über die geglückte humanitäre Hilfe anzumerken. In einem Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt würdigte sie das Engagement der Kirchengemeinden. „Ich bin den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern auf St. Pauli, in Ottensen, Sülldorf-Iserbrook, Borgfelde und Altona von Herzen dankbar“, sagte die Theologin. Sie hätten Gastfreundschaft gelebt und stellvertretend für viele Menschen in Hamburg Willkommenskultur praktiziert. Die St. Pauli Kirche und die anderen Kirchengemeinden, die sich für die Lampedusa-Gruppe einsetzten, hätten damit insgesamt „deeskalierend“ gewirkt.

Nach Ansicht der Hamburger und Lübecker Bischöfin Fehrs hat die humanitäre Hilfe der St. Pauli Kirche in der Gesellschaft positive Strahlkraft entwickelt. „Ohne zu wissen, was auf sie zukommt, hat sich die Gemeinde mit Gottvertrauen darauf eingelassen und Nächstenliebe gelebt.“ Denn nach wie vor gebe es in Deutschland keine ausgeprägte Willkommenskultur, sondern oft auch Angst und Scheu, Flüchtlingen zu helfen.

Bischöfin Fehrs hatte im vergangenen Herbst in Gesprächen mit dem Senat wesentlich dazu beigetragen, dass eine Einzelfalllösung angestrebt wurde. „Es gab einen konstruktiven Dialog mit dem Senat“, betonte sie. „Unser Ziel als Kirche war es, alle rechtlichen Spielräume zu nutzen.“ Nun müsse mit Nachdruck eine gesamteuropäische Lösung des Flüchtlingsproblems erzielt werden. Fehrs: „Wir brauchen eine gerechte Flüchtlingspolitik, bei der Länder mit geringer Wirtschaftskraft nicht überfordert werden.“