Online-Bewertungsportale

Hamburger Landgericht entscheidet im Streit um Yelp

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Lisa Fröhling

Ein Mediziner hatte gegen das Bewertungssystem beim Qype-Nachfolger geklagt. Die Richter entschieden: Die Anzeige einer Gesamtbewertung ist nicht zulässig, wenn einzelne Bewertungen ausgefiltert werden.

Hamburg. Der Streit um das Qype-Nachfolgeportal Yelp geht in die nächste Runde. Es geht um verschwundene positive Bewertungen. Seit der Umstellung der Hamburger Internetplattform Qype auf Yelp Ende Oktober tobt unter den Geschäftsleuten ein Sturm der Entrüstung. Der Grund: Eine spezielle Software auf Yelp.de filtert die Nutzerbeiträge auf dem Portal und schluckt dabei zahlreiche positive Bewertungen, so dass Unternehmen in der Gesamtwertung deutlich schlechter erscheinen als bisher. Die Geschäftsinhaber befürchten negative Auswirkungen und fürchten um den guten Ruf ihrer Unternehmen. Jetzt hat das Hamburger Landgericht einem betroffenen Mediziner Recht gegeben.

Die Richter entschieden in dem einstweiligen Verfügungsverfahren, dass es nicht zulässig ist, eine Gesamtbewertung im Internet anzuzeigen, wenn ohne erkennbaren Grund einzelne Bewertungen herausgefiltert werden. Dadurch würden die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen verletzt, sagte Ruth Hütteroth von der Justizpressestelle dem Abendblatt.

Verantwortlich für den Bewertungsschwund ist eine spezielle Software, die Nutzerbeiträge automatisch als vertrauenswürdig oder nicht vertrauenswürdig einstuft und in zwei Rubriken sortiert: zum einen die „empfohlenen Beiträge“, die deutlich sichtbar angezeigt werden und darüber entscheiden, wie viele Sterne ein Unternehmen in der Gesamtwertung bekommt, und zum anderen die „nicht empfohlenen Beiträge“, die der Nutzer nur über einen unscheinbaren Link erreicht und die für das Sterne-Ranking keine Rolle spielen.

Das Sterne-Ranking ist nach Ansicht vieler Geschäftsleute aber besonders relevant, denn je mehr Sterne ein Unternehmen hat, desto größer ist das Vertrauen der Kunden in ein Unternehmen. Außerdem wird das Sterne-Ranking bei der Google-Suche direkt angezeigt. Es trägt also maßgeblich zum Gesamteindruck eines Unternehmens im Internet bei – und das unabhängig davon, ob der Geschäftsinhaber das möchte oder nicht. Denn Yelp bezieht die allgemeine Geschäftsinformationen von einem Datendienst, der Informationen aus öffentlichen Verzeichnissen und anderen Quellen sammelt. „Alle öffentlich registrierten Unternehmen werden auf dem Portal gelistet“, bestätigt Yelp-Sprecherin Hanna Schiller.

Filter soll „irreführende Bewertungen“ aufspüren

Yelp setze die von Experten entwickelte Software ein, um gefälschte oder irreführende Bewertungen aufzuspüren, erklärt Schiller weiter. „Immer wieder kommt es vor, dass Unternehmen versuchen, ihre Bewertungen mit unlauteren Mitteln zu verbessern. Es gibt im Netz sogar Anbieter, die darauf spezialisiert sind, einem Geschäft gegen Geld zu einem besseren Bewertungsprofil zu verhelfen.“ Der Filter habe sich als spamsicher erwiesen.

Tatsächlich aber filtert die Software auch seriöse Bewertungen heraus und verschiebt sie in die Kategorie „nicht empfohlene Beiträge“. Das beklagen übereinstimmend zahlreiche Geschäftstreibende, die sich in Internetforen und bei Facebook über die aus ihrer Sicht misslungene Datenmigration von Qype zu Yelp austauschen.

Eines der vielen betroffenen Unternehmen ein Praxiszentrum in der Hamburger Innenstadt. „Bei Qype hatten wir viele positive Bewertungen, die allesamt von Menschen abgegeben wurden, die sich hier tatsächlich haben behandeln lassen“, sagt ein dort praktizierender Arzt, der anonym bleiben möchte. „Diese Bewertungen waren seriös – und sind durch den neuen Filter trotzdem in der Kategorie ‚nicht empfohlene Beträge‘ gelandet, wo sie für Internetnutzer kaum zu finden sind.“ Es sei absolut unglaubwürdig, dass ein Algorithmus erkennen könne, ob ein Nutzer eine vertrauenswürdige Bewertung abgibt oder nicht.

Rätsel um den Algorithmus

„Die Software analysiert bestimmte Merkmale, die nur die Entwickler kennen“ erklärt Hanna Schiller von Yelp. Es könne durchaus sein, dass einige Beiträge in der Rubrik „nicht empfohlen“ landen, die von Nutzern ohne trügerische Absicht und auf der Basis eigener Erfahrung geschrieben wurden. „Bei Yelp werden vorzugsweise die Kommentare derjenigen empfohlen, über die wir ein bisschen mehr wissen und die sich als zuverlässige Yelper etabliert haben.“

Keinesfalls sei es aber so, dass Unternehmen, die Anzeigenkunden bei Yelp sind, besser bewertet würden, betont Schiller. Dieser Vorwurf wird in Internetforen immer wieder geäußert. „Es besteht keinerlei Beziehung zwischen Beiträgen und Yelp-Anzeigen“, so Hanna Schiller.

Die Beiträge anderer Nutzer würden zudem ja nicht gelöscht, sondern nur nicht empfohlen, und das könne sich auch ändern: „Ein Beitrag, der derzeit nicht empfohlen wird, kann jederzeit wieder empfohlen werden, da die Software ihre Entscheidungen ständig überdenkt“, so Schiller. „Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Software neue Informationen erhält, die den Beitrag vertrauenswürdiger machen.”

Eine Logik, die der Arzt aus der Innenstadt nicht nachvollziehen kann. „Ich kann nicht verstehen, wieso einem Patienten, der unserer Praxis aufgrund seiner Erfahrung eine Bewertung schreibt, erst dann vertraut wird, wenn er genug Aktivität bei Yelp nachgewiesen hat.“

Rechtsanwalt Jens Ferner, der sich in den vergangenen Wochen mit dem Fall befasst hat, sieht sich durch die Entscheidung des Hamburger Landgerichts in seiner Auffassung bestätigt. „Yelp muss bei der Übernahme der Daten die Interessen der Unternehmen beachten“, meint er. „Der Beschluss des Hamburger Landgerichts zeigt, dass Unternehmen in Deutschland in dieser Frage rechtlich nicht schutzlos sind.“ Spannend bleibe jedoch, inwiefern dieser Beschluss nun auch tatsächlich durchgesetzt werden könne – denn die Europa-Zentrale von Yelp hat ihren Sitz in Irland.

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