Von ULRIKE SCHWALM

Yvonne Rohl (21) aus Ammersbek lächelt fröhlich, als Kai Marschewski (19) ihr nach dem Frühstück die rollbare Sandkiste anbietet. Immer wieder schaufelt die junge Frau mit einer Schippe, die der Zivi ihr gereicht hat, den Sand in einen gelben Plastikeimer. Sie scheint die Bewegung zu genießen. Und Kai Marschewski, der seinen Zivildienst im Förderbereich der Stormarner Werkstätten in Ahrensburg leistet, freut sich über die 21-Jährige, die bei ihren Eltern wohnt.

"Der Sandkasten fördert die Motorik. Wenn das Wetter schön ist, gehen wir nachmittags damit vor das Haus, spielen auch mal mit den großen Matratzen oder bauen Türme", erzählt er, während er versucht, in Yvonne Rohls Mimik und ihren Bewegungen zu lesen. "Sie kann nicht sprechen. Wenn sie etwas bedrückt, ist das schwer mitzubekommen. Man muss es erspüren. Nur selten wirft sie mal Dinge fort, wenn sie etwas nicht mag. Oder sie schreit, wenn ich ihr das mitgebrachte Brot reiche, sie aber gar nicht hungrig ist."

Marschewski versucht, sich zurückzunehmen. "Man muss zum Beispiel beim Essen oder bei Toilettengängen nur so viel Hilfe anbieten, wie nötig ist. Die Leute sollen so viel wie möglich selbst tun." Der Ahrensburger hat sich intensiv um Yvonne Rohl gekümmert. Er spürt, dass die schwerstmehrfachbehinderte junge Frau, die wegen eines Anfallleidens meistens einen Kopfschutz trägt, Fortschritte macht. "Anfangs konnte sie nur an der Hand gehen. Ich musste sie führen. Inzwischen folgt sie mir, wenn wir gemeinsam etwas tun wollen. Und wenn sie Hunger hat, greift sie jetzt selbst nach dem Brötchen."

Marschewski, der nach dem Zivildienst Bürokaufmann lernen möchte, wünscht sich, "dass Yvonne noch stärker und gezielter üben kann. Wir sind ja in der Gruppe nur zwei Betreuer, haben daher nicht immer nur für einen Zeit."

Der Wunsch des Zivis soll schon bald in Erfüllung gehen: Yvonne Rohl nimmt an einem Pilotprojekt teil. Als erste Stormarnerin wurde sie für den Besuch einer Tagesförderstätte ausgewählt, die auf dem Gelände der Ahrensburger Werkstätten (42 Betreuer, 220 behinderte Mitarbeiter) entsteht.

"Die Plätze sind für Schwerstmehrfachbehinderte gedacht, die noch nicht werkstattfähig sind und individuell gefördert werden müssen, damit sie nach ihren Möglichkeiten am Arbeitsleben teilnehmen können. Wir haben zwölf Plätze vorgesehen", sagt Barbara Haberer (59). Die Erzieherin, die seit 14 Jahren im Förderbereich arbeitet, hat bei den Neubau-Planungen geholfen.

Seit April wird an dem eingeschossigen Kalksandsteinbau (215 Quadratmeter) gebaut. Es wird die erste Tagesförderstätte in Stormarn. "Der Rohbau wird im Oktober fertig sein, die Einweihung planen wir für Anfang des nächsten Jahres", sagt Rainer Schetelich (34). Der Ingenieur ist seit Januar 1999 Leiter der Ahrensburger Werkstätten.

"Ich hoffe, dass durch die Tagesförderstätte viele Betroffene eines Tages in die Werkstätten integriert werden können", sagt Schetelich. Etwa drei Mitarbeiter sollen für Yvonne Rohl und die anderen individuelle Förderpakete in die Tat umsetzen.

"Das genaue Konzept soll das Team entwickeln", sagt Rainer Schetelich, "wir wollen die Persönlichkeit bilden, an die Arbeit heranführen und für die Betroffenen, die heute entweder in Heimen oder zu Hause leben, eine Tagesstruktur anbieten, die auch Sicherheit vermittelt. Neben Motorik, Kreativität und sozialem Verhalten sollen auch lebenspraktische Dinge wie Essen oder Anziehen vermittelt werden."

Einen Schwerpunkt hat der Bauherr, das Diakoniehilfswerk Schleswig-Holstein, auf die Wahrnehmungsförderung gelegt: "Es wird einen Snoezelen-Raum geben. Das Wort kommt aus dem Holländischen. Es heißt schnüffeln und dösen. Aromalampen, optische Reize oder ein Lichtvorhang aus Glasfaserschnüren sollen dort die Sinne anregen. Außerdem ist ein Pränatalzimmer geplant: In einem Wasserbett mit eingebautem Lautsprecher können die Teilnehmer zum Beispiel Musik und Töne fühlen."

Zwei Gruppenräume sind für die ergotherapeutische Einzelförderung gedacht. Der Neubau kostet rund 700 000 Mark, davon trägt 574 000 Mark das Land. Schon fünf Schwerstmehrfachbehinderte haben sich angemeldet.

In der Definition des Sozialamts ist die Tagesförderstätte für die gedacht, die "nicht oder noch nicht in der Lage sind, eine wirtschaftliche verwertbare Arbeitsleistung zu erbringen". Erfahrene Mitarbeiter der Werkstätten wissen, dass die Grenzen hier fließend sind.