Berlin. Mit seinem neuen Album landete Johannes Oerding auf Platz zwei der Charts. Ein Gespräch über seine Pfadfinderzeit und Dating-Apps.

Er gehört zu den deutschen Sängern, die sich nicht scheuen, mit Gitarren-Klängen ihre Gefühle zu offenbaren: Johannes Oerding (35). Sich darüber lustig machen ist leicht, so Erfolg zu haben, schon schwieriger. Mit seinem fünften Album „Kreise“ stieg der Lebensgefährte von Moderatorin Ina Müller (51) auf den zweiten Platz der Albumcharts ein.

Mit Johanna Ewald sprach der Künstler, der in Geldern-Kapellen am Niederrhein aufwuchs, über Freiheit und die Liebe in digitalen Zeiten.

Sie sind Mitglied in der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg.

Johannes Oerding: Das ist krass, das steht jetzt scheinbar bei Wikipedia. Als Kind und Jugendlicher war ich Gruppenleiter und bin mit ins Sommerlager gefahren. Da bin ich jetzt aktiv raus, aber meine Geschwister machen das noch. Mein Vater hat den Verein damals gegründet. Manchmal besuche ich sie und bin für zwei, drei Tage da. Ich mag das einfach total gerne, diese absolute Abgeschiedenheit. Man isst mit 200 Leuten, lebt in einem Zelt – back to the Roots.

Also ein richtiges Familienunternehmen.

Oerding: Ja, es gab nicht so viel bei uns, aufm Dorf in Geldern-Kapellen, und mein Vater hat sich überlegt, wie er die Kids beschäftigen kann. Wie er auch denen, die nicht so viel haben, einen Urlaub ermöglichen kann. Diese Freizeiten sind nicht so, wie man sich das immer vorstellt: dass Jugendliche mit einer Uniform rumrennen, jeden Tag eine gute Tat verrichten und alles ein bisschen „strange“ ist. Tatsächlich ist es einfach eine richtig schöne Jugendfreizeit. Ich war immer zuständig fürs Gitarrespielen. So habe ich es gelernt, am Lagerfeuer. Und so habe ich die ersten Herzen gebrochen. (lacht)

Sie singen von der großen Freiheit. Was bedeutet das für Sie?

Oerding: Ich kann frei arbeiten, das musste ich mir erkämpfen. Anfangs musste ich bei meinen Alben noch Kompromisse eingehen und Dinge zusagen, auf die ich nicht wirklich Lust hatte. Das hat mir aber jetzt eine unglaubliche Freiheit und Kreativität ermöglicht. Keiner sagt mir mehr, wann ich aufstehen muss, wie ich klingen muss und was ich zu machen habe. Das ist ein Privileg. Ich will gar nicht wissen, wie viele Menschen überhaupt keinen Bock auf ihren Job haben.

Haben Sie mal in einem anderen Bereich gearbeitet?

Oerding: Ich hab tatsächlich mal in Holland Betriebswirtschaftslehre und Internationales Marketing studiert, weil ich nicht wusste, was ich machen will. Das Studium habe ich abgeschlossen, aber nie in dem Bereich gearbeitet. Da ich der dritte Sohn bin, musste ich auch keinen Zivildienst machen oder zur Bundeswehr gehen. Und ich wollte meine Eltern beruhigen. Die Auslandssemester habe ich dann immer in Deutschland verbracht beziehungsweise in Hamburg, weil ich da schon meine ersten musikalischen Kontakte und eine Band hatte. Denn wenn mein Vater mir irgendwas mitgegeben hat, dann, dass ich Spaß an dem haben soll, was ich mache. Und das war immer nur die Musik. Ich wusste, ich brauche kein Back-up. Mit allem, was dazugehört. Selbst Interviews machen mir große Freude.

Einer Ihrer Songs heißt „Love me Tinder“ . . .

Oerding: Ist Ihr Lied, oder? Sie bekamen grad so glänzende Augen. Sind Sie bei Tinder?

Nee, das ist nicht so mein Ding.

Oerding: Waren Sie schon mal angemeldet?

Ich habe mir diese Dating-App aus Neugier mal angeschaut. Das war aber nichts für mich.

Oerding: Da haben Sie recht. Ich habe auch ein Problem damit, Menschen „GNTM“-, „Bachelor“-mäßig auszusieben. Ich mag es, wenn man sich zufällig begegnet und der Moment schon eine Geschichte schreibt. Es ist ja auch wahnsinnig stressig, sich mit so vielen Menschen zu treffen, bis man das scheinbar perfekte Gegenüber gefunden hat. In meinem Umfeld habe ich gemerkt, wie Leute davon genervt waren, dass es wieder nicht geklappt hat. Ich bin allerdings auch bei Tinder angemeldet, nur mit anderem Namen: Max Giesinger. (lacht)

Sie tragen jetzt Zopf. Auf Facebook schreiben Sie, „die Haare gehören zur Rolle, fragt nicht nach“.

Oerding: Ja, „Game of Thrones“, Staffel 7, ich spiele einen kleinen Wikinger (lacht). Im Ernst: Viele machen sich scheinbar Gedanken über meine Frisur, und dem wollte ich mal vorweggreifen, dass es um die Musik geht und sie keine Millionen Kommentare über meine Frisur schreiben. So was nervt mich. Genauso, wie wenn die Zuschauer mit dem iPhone das ganze Konzert filmen. Das ist so schade, Leute stellen eineinhalb Stunden Konzert ins Internet. Da verliert der Moment seine Magie.

Merken Sie das denn auch bei Ihren Konzerten auf der Bühne?

Oerding: Bei einzelnen Songs gehen alle Handys hoch. Wenn man ihn dann beendet, klatscht keiner, weil alle noch ihr Handy halten. Ich würde aber niemals dafür sorgen, dass die abgegeben werden müssen. Wir sind ja hier nicht in Russland.