Berlin. Ihre Geburt sorgte für Schlagzeilen: Die Vierlinge der 65-jährigen Annegret Raunigk haben sich relativ gut entwickelt.

Süß sehen sie aus, wie sie da zu viert in ihren Babystühlen sitzen und die Geburtstagstorte betrachten, die Moderatorin Birgit Schrowange in die Kamera hält. Die Torte kommt ein bisschen zu früh, die vier feiern erst an diesem Freitag ihren zweiten Geburtstag, aber die RTL-“Extra“-Folge mit der Homestory über die Kinder wurde schon am Montag, vier Tage vor ihrem zweiten Geburtstag, ausgestrahlt.

Die vier sind nicht irgendwelche Vierlinge: Ihre Mutter Annegret Raunigk wurde im Mai 2015 im Alter von 65 Jahren zur ältesten Vierlingsmutter der Welt. Ihre Schwangerschaft sorgte damals international für Schlagzeilen.

Raunigk hatte schon neun Kinder

Wegen ihres für eine Mutterschaft ungewöhnlich hohen Alters, aber auch, weil die ehemalige Lehrerin zu diesem Zeitpunkt schon Mutter von 13 Kindern im Alter von neun bis 44 Jahren war. Die künstliche Befruchtung ließ sie in einer ukraini­schen Klinik vornehmen, entbunden hat sie Bence, Fjonn, Dries und Neeta in der 26. Schwangerschaftswoche in der Berliner Charité. Damals wohnte sie noch in Spandau.

Mittlerweile ist die Vierlingsmutter 67 Jahre alt und lebt im nordrhein-westfälischen Höxter. Das Team um Schrowange begleitet Raunigk seit ihrer Schwangerschaft und schaut natürlich auch zum zweiten Geburtstag ihrer Vierlinge für eine Homestory vorbei. Die Vierlings-Mutter hat einen Exklu­siv-Vertrag mit dem Sender. Über die Höhe ihrer Aufwandsentschädigung schweigt sich der Sender aus. Die Alleinerziehende hatte sich damals an RTL gewandt.

Gesundheitliche Probleme sind bei Frühchen häufig

Aktuell wiegen die Vier zwischen acht und zwölf Kilogramm und sind etwa 80 bis 90 Zentimeter groß. Auf den ersten Blick ist es, bis auf die Zahl, eine ganz normale Geschwisterschar. Doch ganz so proper und gesund wie sie auf den ersten Blick wirken, sind sie nicht. Drei von ihnen laufen bereits alleine, Dries kann zwar ohne Hilfe stehen, aber noch nicht laufen.

Er leidet unter infantiler Zerebralparese, also Bewegungsstörungen, deren Ursache in einer frühkindlichen Hirnschädigung liegen. „Darunter leiden rund zehn Prozent aller Kinder, die derartig früh auf die Welt kommen. Das Spektrum ist hier relativ weit: Manche können gar nicht laufen, andere haben lediglich Schwierigkeiten bei der Koordination ihrer Motorik“, sagt der Direktor der Klinik für Neonatologie der Charité, Christoph Bührer.

Mediziner berichtet von Komplikationen

Mindestens zwei der Kinder haben mit körperlichen Einschränkungen zu kämpfen. Bei Neeta, der Jüngsten, ist eine davon auf den ersten Blick zu sehen: Sie schielt stark, eine Augenoperation ist je nach Verlauf denkbar. Zuvor hatte sie schon eine Darmoperation hinter sich gebracht.

Ihre gesundheitlichen Probleme sind typisch für derart früh geborene Kinder, deren Darm bei der Geburt noch nicht für das Verdauen gerüstet ist, da sie im Mutterleib ja auch noch nichts verdauen müssen. „Manchmal schlucken Frühchen bei der Geburt auch Luft, und der Darm platzt dann an einer Stelle. Diese Art von Komplikationen treten bei drei bis vier Prozent aller derart früh geborenen Kinder auf“, sagt Charité-Klinikleiter Bührer.

RTL-Moderatorin Birgit Schrowange zeigt sich beeindruckt

Abgesehen von den medizinischen Herausforderungen stellt eine solche Mutterschaft eine Alleinerziehende natürlich vor große logistische Probleme. „Es ist spannend und nie langweilig. Kein Tag ist wirklich planbar“, sagt Raunigk, die von einem sozialen Träger einige Stunden pro Woche Unterstützung erhält. Man fragt sich, ob das nicht ein bisschen zu milde formuliert ist: Immerhin ist Raunigk fast 70 Jahre alt und kümmert sich um die Erziehung von vier Kindern, die zumindest nicht kerngesund sind, zum großen Teil alleine.

Schrowange zeigt sich von der Ruhe der 67-jährigen Kleinkindmutter beeindruckt. „Ich bin erstaunt und auch beeindruckt, mit welcher Gelassenheit Frau Raunigk den Alltag mit den Vierlingen meistert. Sie lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und ist liebevoll, aber konsequent in der Erziehung. Die vier wirkten auf mich fröhlich und aufgeschlossen. Ich würde mir das selbst so nicht zutrauen“, sagte sie.

Mediziner und Politiker kritisierten Raunigks Schritt

Vor zwei Jahren haben Gesundheitspolitiker und Mediziner Raunigks Entscheidung, in einem derart hohen Alter schwanger zu werden, kritisiert. Eine solche Entscheidung dürfe für niemanden Vorbild sein, sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Klaus Vetter, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin, nannte die Schwangerschaft „ein gewagtes Experiment am Menschen“.

Viele führten auch soziale Faktoren ins Feld: Was werde mit den Vierlingen passieren, wenn Raunigk stirbt, ehe sie volljährig sind? Diese Diskussion zeigte zumindest auf, wie viele Fragen im Zusammenhang mit den technischen Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung noch zu klären sind.

Dieser Artikel ist zuerst auf www.morgenpost.de erschienen.