Berlin. Mit einer wirren Geschichte bekam der rechtsextreme Bundeswehr-Soldat Franco A. Schutz – obwohl es Zweifel an seinen Aussagen gab.

Offenbar hatte die in Marokko geborene Dolmetscherin Zweifel an der Geschichte eines gewissen David Benjamin aus Syrien, als dieser vor ihr saß in der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im bayerischen Zirndorf. Er sei aus Syrien geflohen, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) habe ihn bedroht wegen seines katholischen Glaubens, auch wegen seines jüdisch klingenden Namens sei er in Gefahr gewesen.

Stimmt seine Erzählung? Gab es noch mehr Christen in dem Ort? Wie wurde der IS auf den Mann aufmerksam? Und warum spricht der Mann kaum Arabisch? Wie konnte die Familie so einen Bauernhof in Syrien betreiben?

Diese wichtigen Fragen zur Klärung der Identität des Mannes und der Bewertung seines Asylantrags blieben aber aus. Auch die Übersetzerin schwieg, sagte nichts zu ihren angeblichen Zweifeln, wie unsere Redaktion aus dem Innenausschuss des Bundestags erfuhr. Mit fatalen Folgen: Der Bundeswehr-Offizier und Rechtsextremist Franco A. bekam einen Status als Schutzsuchender, baute eine Tarnidentität als Flüchtling auf, auf deren Konto laut Ermittler ein später geplanter Anschlag hätte gehen sollen.

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    Dolmetscherin hatte Angst, als Antisemitin dazustehen

    In einer Untersuchung des Falls durch das BAMF erklärte die Dolmetscherin später, sie hätte Angst gehabt, als Antisemitin zu gelten, wenn sie als Muslimin die jüdische Herkunft des Mannes infrage stelle. Sie habe sich Ärger ersparen wollen.

    Von dieser Aussage erfuhr unsere Redaktion durch Teilnehmer der Innenausschusssitzung im Bundestag, wo die BAMF-Chefin Jutta Cordt am Mittwoch zum Fall A. berichtete. Ob die vermeintliche Sorge vor Antisemitismus-Vorwürfen nur eine Schutzbehauptung der Frau war, bleibt offen.

    Der Antrag wurde nie bewertet

    Klar ist: Durch die Fehler und Versäumnisse im Asylverfahren konnte ein mutmaßlicher Rechtsterrorist seine Pläne eines heimtückischen Anschlags in Deutschland weiterverfolgen. In der Ausschusssitzung sprechen die BAMF-Vertreter im Fall Franco A. von „Mängeln in allen Verfahrensschritten“ – bei der Antragstellung, der Anhörung, dem Entscheid und der Qualitätssicherung. Wichtige Nachfragen, die eigentlich Dienstvorschriften regeln, blieben aus. Der Antrag des angeblichen „David Benjamin“ wurde nie individuell bewertet.

    Laut Asylbescheid des BAMF hatte der angebliche Flüchtling auch angegeben, aus Furcht vor Rekrutierung zum Kriegsdienst geflohen zu sein. Doch dieser Grund wurde von Franco A. offenbar in der Anhörung nie vorgetragen. Und auch der Entscheider, der die Qualität des Bescheids sichern sollte, hatte dafür keinerlei Schulungen absolviert.

    Das Amt prüft 2000 Asylentscheide neu

    Das BAMF hatte bereits in der Vergangenheit versucht, die Asylverfahren besser zu kontrollieren – etwa durch mehr Personal im Sicherheitsreferat und ein Mentorenprogramm für neue Mitarbeiter. Auch der Einsatz von Dolmetschern wurde neu geregelt. Nach dem Bekanntwerden der Täuschung durch Franco A. prüft das Amt noch einmal 2000 Asylentscheide von 1600 Syrern und 400 Afghanen seit 2016.

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      Die „Bild“ berichtet ohne Angaben von Quellen, dass bei den noch nicht abgeschlossenen Prüfungen in zehn bis 15 Prozent der Fälle Fehler auftraten. Hinweise auf eine bewusste Manipulation durch Behördenmitarbeiter gibt es laut BAMF bisher nicht. Die Behörde vertritt bisher ohnehin die Position, dass Franco A. ein Einzelfall war. Doch Ausschussmitglieder sagten unserer Redaktion, dass sie mit einer deutlich höheren Fehlerquote bei den Asylbescheiden rechnen würden – wenn schon Franco A. auf diese Weise einen Asylbescheid erhalten konnte.