Berlin. Ursula von der Leyen will in Mali mit den Soldaten über den Hubschrauberabsturz sprechen. Für sie kann es noch zum Politikum werden.

Den ganzen Sonntag verbringt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit den Soldaten in Camp Castor in Gao im Norden Malis. Trauerarbeit ist angesagt. Sie wolle bei den Soldaten sein, „Raum und Zeit für viele Gespräche schaffen“, sagt von der Leyen. Die Truppe ist im Schockzustand.

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– seit zwei Jahren die ersten Todesfälle bei einer Auslandsmission der Bundeswehr.

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. Die Blackbox ist stark beschädigt. Womöglich können nicht alle Daten ausgelesen werden. Seit Donnerstag sind Experten vor Ort, die sogenannte Abteilung „General Flugsicherheit“. Das Team hat eine Gutachter-Mission.

Die Aufgaben: Beweismittel an Abflug- und Absturzort des Helikopters des Typs „Tiger“ erfassen, sichern und umgehend auswerten, Zeugen befragen sowie die Unglücksmaschine untersuchen. Noch ist die Ursache ungeklärt, drei Varianten sind denkbar: Abschuss, technisches Versagen, Pilotenfehler.

Hubschrauber raste zu Boden

Von der Leyen ist die ganze Nacht geflogen und kurz vor sechs Uhr in Gao gelandet, wo ein Feldgottesdienst anstand. „Dieser Verlust wiegt schwer“, sagt sie nach der 30-minütigen Zeremonie, an der 100 Soldaten teilnahmen.

In Mali stand ein Feldgottesdienst an.
In Mali stand ein Feldgottesdienst an. © dpa | Britta Pedersen

Am Vorabend hatte sie bei einer Trauerfeier im militärischen Teil des Kölner Flughafens die Leichen der zwei aus Hessen stammenden Männer im Kreis von Angehörigen und Kameraden in Empfang genommen. Der 33-jährige Major und den 47-jährige Stabshauptmann waren mit einem Airbus der Luftwaffe nach Hause geflogen worden. Die „Ehrenvolle Aufnahme“ fand im Hangar statt. Dabei wurden die Särge durch ein Spalier getragen und von Militärseelsorgern gesegnet. In Fritzlar, am Standort der Heeresflieger, wurden wie in Gao alle Flüge mit dem „Tiger“-Hubschrauber ausgesetzt, bis der Absturz aufgeklärt ist.

Die Reise der Ministerin nach Mali und Niger war seit Wochen geplant – nach dem Unglück flog sie nur einen Tag früher ab. Die Deutschen gehören zum Kontingent der Minusma-Mission, einer Friedensinitiative der Vereinten Nationen. Die Unglücksmaschine war auf einem Beobachtungsflug unterwegs gewesen.

Von der Leyen bestürzt über Absturz von Bundeswehrhubschrauber

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    Anders als die Bundeswehr hat die Uno „Fremdeinwirkung“ ausgeschlossen. Insbesondere ein Raketenbeschuss wäre bemerkt worden. Die „Tiger“-Maschinen sind schließlich stets als Rotte unterwegs, zu zweit. Die Besatzung des zweiten Hubschraubers hat den Absturz beobachtet. Der Ablauf wirft Fragen auf, weil der Hubschrauber plötzlich kippte und zu Boden raste, ohne dass Pilot oder Schütze auch nur einen Notruf absetzen konnten.

    Untersuchung kann zum Politikum werden

    Die Untersuchung

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    . War es ein technisches Problem, wird der Einsatz des „Tigers“ generell infrage stehen. Die Bundeswehr hat in den vergangenen Jahren vielfach mit Pannen Schlagzeilen gemacht.

    Selbst der Wehrbeauftragte fühlte sich auf den Plan gerufen. In seinem aktuellen Bericht notierte er, dass der Kampfhubschrauber nur zu 44 Prozent einsatzbereit sei. Das liegt daran, dass der Wartungs- und Inspektionsaufwand deutlich höher war als prognostiziert. Dazu kämen Unzulänglichkeiten bei der Ersatzteilbeschaffung. Bei technischem Versagen wäre die nächste Frage, ob das Problem vorher bekannt gewesen ist. Bei der Bundeswehr war es der zweite „Tiger“-Absturz, indes der erste mit Todesfolgen.

    Weil relativ wenig Maschinen bereitstehen, kommt es zu weniger Flugstunden als geplant. Das führt zum Stau bei Ausbildung und Umschulung auf das Waffensystem. Darüber klagen Piloten seit Jahren. Nato-Vorgaben zufolge müssten sie im Jahr vor einem Einsatz 140 Flugstunden auf den Maschinen absolvieren. Das würde keiner der „Tiger“-Piloten auch nur annähernd erreichen, bemerkte der Vorsitzende des Pilotenverbunds IGTH, Reinhard Schlepphorst, in der „Bild“.

    Koalitionspartner geht auf Distanz zur Ministerin

    War der Absturz die Folge eines Piloten-Fehlers, wird sich der Fokus auf Flugstunden und Ausbildung richten. Vorauseilend hat Verbandsfunktionär Schlepphorst kritisiert, „unsere ‚Tiger‘-Piloten haben nicht genug Erfahrung auf den vor Ort eingesetzten Maschinen, um in Grenzsituationen die Hubschrauber vollumfänglich beherrschen zu können“. Das ist ein genereller Vorwurf. Der verstorbene Pilot war erfahren und schon in Afghanistan im Einsatz gewesen. Ebenso wenig kann von einer Grenzsituation die Rede sein.

    Die Piloten waren auf einem Beobachtungsflug. Sie sollten überprüfen, ob im Nordosten des Landes Gefechte mit Rebellen stattfanden, aber schon auf halber Strecke – nach 70 Kilometern – ereignete sich das Unglück. Es war eine Routineaufgabe: ein Flug von A nach B.

    „Nicht generell, aber im Bereich der Hubschrauber ist die Belastung sowohl für das technische als auch das fliegende Personal an der Grenze“, sagte SPD-Wehrexperte Rainer Arnold. Der Koalitionspartner geht auf Distanz.