Berlin. Innenminister de Maizière spricht über die Krawalle im Umfeld des G20-Gipfels. Und was der Rechtsstaat gegen Extremisten tun kann.

Die Nachbeben des G20-Gipfels halten an: Kritik an den Krawallen wie am Polizeieinsatz, nicht zuletzt die Frage nach den Konsequenzen.

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Herr Minister, muss sich die Gesellschaft nach den Chaos-Nächten von Hamburg stärker vom militanten Linksextremismus distanzieren?

De Maizière: Nicht die Gesellschaft als Ganzes, Teile von ihr schon. Es gibt einen wichtigen Konsens: Null Toleranz gegenüber Rechtsextremismus. Gegenüber dem Linksextremismus vermisse ich in Teilen des linken Spektrums eine genauso klare Distanzierung. Es gibt eine Nein-aber-Argumentation, die ich für inakzeptabel halte.

Was meinen Sie genau?

De Maizière: Die Argumentation lautet beispielsweise: „Wir sind zwar auch gegen Gewalt, aber man muss bedenken, dass die Polizei provoziert.“ Diese Art von unklarer Distanzierung muss aufhören.

Wie bewerten Sie den Polizeieinsatz in Hamburg insgesamt?

De Maizière: Der Einsatz wird wie immer in solchen Fällen im Detail aufgearbeitet werden. Es war einer der härtesten überhaupt. Ich bin im Moment befremdet , wie viele „Experten“ es für die Organisation von Polizeieinsätzen gibt. Ich kann noch halbwegs akzeptieren, dass die Hälfte der Deutschen sich für den besseren Fußball-Bundestrainer hält. Aber beim Thema Sicherheit hört der Spaß auf. Ich würde allen empfehlen, mal eine ganze Nacht im Einsatzzentrum zu verbringen und sich in die Rolle der Einsatzführer zu versetzen. Jedenfalls die Entscheidung, normale Polizisten nicht in große Gefahr zu bringen, sondern Spezialkräfte abzuwarten, ist für mich absolut nachvollziehbar.

Mitglieder der „Roten Flora“ haben vor dem Gipfel mobilisiert. Trägt dieses linksradikale Zentrum Mitschuld an den Krawallen?

De Maizière: Ob die „Rote Flora“ in Hamburg selbst oder allein eine tragende Rolle gespielt hat, kann ich nicht beurteilen. Ich vermute, die Betreiber waren schlau genug, es nicht plump zu tun. Aber ich glaube, dass über die Jahre eine logistische Struktur entstanden ist, die sich nicht eindeutig vom Linksextremismus distanziert. Das gilt für Hamburg so wie für einige Stellen in Berlin oder Leipzig. Spätestens jetzt muss man beginnen, klug dagegen vorzugehen.

Wie geht „kluges Vorgehen“?

De Maizière: Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Man muss besetzte Häuser sofort räumen und nicht abwarten, bis sich eine rechtswidrige Lage verfestigt hat. Es ist viel schwieriger, wenn sich die Leute am Ende auf eine Art Gewohnheitsrecht berufen. Mit klug meine ich auch: Man darf solchen Einrichtungen nicht durch formaljuristische Fehler einen Sieg vor Gericht erlauben. Deswegen muss man zum Beispiel gegen lange besetzte Häuser sehr überlegt vorgehen. Aber man muss es tun.

Wieso lässt der Staat rechtsfreie Räume zu?

De Maizière: Völlig klar ist: Nirgendwo darf es – in welchem Bereich auch immer – rechtsfreie Räume geben. Aber auch hier gilt: Wenn man sie einmal toleriert oder gar zugelassen hat, ist das Beseitigen viel schwerer.

Die Krawallmacher, die im Verdacht standen, die Polizei mit Steinen oder Molotowcocktails zu attackieren, sind nach ihrer Festnahme wieder auf freiem Fuß. Was bedeutet das für die Rechtsmoral im Land?

De Maizière: Natürlich ist die Beweislage in solchen Fällen schwierig. Deswegen wurde in Hamburg eine Sonderermittlungsgruppe gebildet. Die Justiz weiß hoffentlich, dass ihre Entscheidungen für die Bevölkerung auch eine psychologische Wirkung haben werden. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist ein hohes Gut. Aber die Justiz trägt auch eine hohe Verantwortung.

Der Präsident der Bundespolizei spricht von Tötungsvorsätzen in Hamburg …

De Maizière: Wenn Sie planen, Gegenstände von einem Dach auf Menschen zu schmeißen, liegt es auf der Hand, dass Sie zumindest schwere Verletzungen, aber auch eine Todesfolge in Kauf nehmen.

In Hamburg haben etliche Schaulustige, Pöbler, Mitläufer die Arbeit der Polizei behindert. Wie muss der Staat darauf reagieren?

De Maizière: Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Es gibt eine Sensationsgier, die Täter auch ermuntert. Und wir haben es nicht nur mit Gaffern zu tun, sondern auch mit Menschen, die Rettungskräfte behindern. Es gibt ein Maß an Voyeurismus, an übertriebener Neugier, dem man entgegentreten muss. Wir haben die Behinderung der Rettungskräfte gerade unter Strafe gestellt. Da muss sich aber auch eine Gesellschaft als Ganzes wehren. Die sozialen Netzwerke und die Medien haben hier eine Verantwortung.

Die stärksten Bilder vom G20-Gipfel 2017

Auch wenn es um wichtige Politik gehen sollte: Die Ausschreitungen, die den G20-Gipfel in Hamburg begleitet haben, bestimmten die Bilder im Juli 2017.
Auch wenn es um wichtige Politik gehen sollte: Die Ausschreitungen, die den G20-Gipfel in Hamburg begleitet haben, bestimmten die Bilder im Juli 2017. © dpa | Markus Scholz
In der Nacht zum 8. Juli schickte die Polizei Spezial-Einsatzkräfte, um die verbarrikadierten Bereiche des Schanzenviertels zu stürmen. Randalierer hatten Feuer gelegt, warfen Pflastersteine und plünderten Läden.
In der Nacht zum 8. Juli schickte die Polizei Spezial-Einsatzkräfte, um die verbarrikadierten Bereiche des Schanzenviertels zu stürmen. Randalierer hatten Feuer gelegt, warfen Pflastersteine und plünderten Läden. © dpa | Axel Heimken
Ein starkes Bild vom Tag zuvor: Diese Demonstrantin war auf ein gepanzertes Räumfahrzeug geklettert. Polizisten versuchten, sie mit Pfefferspray wieder herunterzubekommen.
Ein starkes Bild vom Tag zuvor: Diese Demonstrantin war auf ein gepanzertes Räumfahrzeug geklettert. Polizisten versuchten, sie mit Pfefferspray wieder herunterzubekommen. © dpa | Sebastian Willnow
In der Nähe der Reeperbahn stellten sich dieser Demonstrant einem Wasserwerfer entgegen.
In der Nähe der Reeperbahn stellten sich dieser Demonstrant einem Wasserwerfer entgegen. © dpa | Boris Roessler
Maskierungen sind auf Demonstrationen ausdrücklich verboten. Dieser Demonstrantin war das offenbar egal.
Maskierungen sind auf Demonstrationen ausdrücklich verboten. Dieser Demonstrantin war das offenbar egal. © Thomas Lohnes
Und selbst, als der Gipfel vorüber war, endeten die Krawalle nicht. Nachdem die Staats- und Regierungschefs Hamburg verlassen hatten, gab es in der Nacht zum 9. Juli (Sonntag) weiter Ausschreitungen.
Und selbst, als der Gipfel vorüber war, endeten die Krawalle nicht. Nachdem die Staats- und Regierungschefs Hamburg verlassen hatten, gab es in der Nacht zum 9. Juli (Sonntag) weiter Ausschreitungen. © dpa | Daniel Bockwoldt
Sie zogen die Wut vieler Demonstranten auf sich: Bundeskanzlerin Merkel, Gastgeberin dieses G-20-Gipfels, oder der russische Präsident Wladimir Putin. Sieht vielleicht unhöflich aus, war’s aber gar nicht: Hier ist die Begrüßung nur gerade vorbei.
Sie zogen die Wut vieler Demonstranten auf sich: Bundeskanzlerin Merkel, Gastgeberin dieses G-20-Gipfels, oder der russische Präsident Wladimir Putin. Sieht vielleicht unhöflich aus, war’s aber gar nicht: Hier ist die Begrüßung nur gerade vorbei. © dpa | Bernd Von Jutrczenka
Historischer Handschlag: US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Putin trafen in Hamburg zum ersten Mal persönlich aufeinander.
Historischer Handschlag: US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Putin trafen in Hamburg zum ersten Mal persönlich aufeinander. © Handout
Mit Spannung war dieses Treffen erwartet worden. Das Gespräch dauerte deutlich länger als erwartet und endete mit einer vereinbarten Waffenruhe in Syrien.
Mit Spannung war dieses Treffen erwartet worden. Das Gespräch dauerte deutlich länger als erwartet und endete mit einer vereinbarten Waffenruhe in Syrien. © dpa | Evan Vucci
Diese Geste sagt vermutlich nicht das, was viele Trump-Gegner gern hineininterpretieren würden, schließlich ist Angela Merkel – im Gegensatz zum selbsterklärten Nicht-Politiker Trump – Vollprofi.
Diese Geste sagt vermutlich nicht das, was viele Trump-Gegner gern hineininterpretieren würden, schließlich ist Angela Merkel – im Gegensatz zum selbsterklärten Nicht-Politiker Trump – Vollprofi. © dpa | Meek, Tore
Das attestierte der Präsident der Kanzlerin denn auch: Sie habe einen guten Job als Gastgeberin dieses Gipfels gemacht, sagte der 71-Jährige – und das sei nicht einfach gewesen.
Das attestierte der Präsident der Kanzlerin denn auch: Sie habe einen guten Job als Gastgeberin dieses Gipfels gemacht, sagte der 71-Jährige – und das sei nicht einfach gewesen. © dpa | Michael Kappeler
Auch Trumps Tochter Ivanka ist voll der Bewunderung für die deutsche Kanzlerin.
Auch Trumps Tochter Ivanka ist voll der Bewunderung für die deutsche Kanzlerin. © REUTERS | POOL
Mit Frankreich pflegt Kanzlerin Merkel gute Beziehungen, so etwa zum neuen französischen Ministerpräsidenten Emmanuel Macron. Hier sind die beiden im Gespräch mit Donald Trump zu sehen.
Mit Frankreich pflegt Kanzlerin Merkel gute Beziehungen, so etwa zum neuen französischen Ministerpräsidenten Emmanuel Macron. Hier sind die beiden im Gespräch mit Donald Trump zu sehen. © dpa | John Macdougall
Kulturprogramm: Die Macrons und und die Trumps nach dem Konzert in der Elbphilharmonie.  
Kulturprogramm: Die Macrons und und die Trumps nach dem Konzert in der Elbphilharmonie.   © Pool
In Hamburg traf auch die amerikanische First Lady Melania Trump zum ersten Mal auf den russischen Präsidenten Putin.
In Hamburg traf auch die amerikanische First Lady Melania Trump zum ersten Mal auf den russischen Präsidenten Putin. © REUTERS | SPUTNIK
Der Protest gegen den G20-Gipfel war nicht nur gewalttätig: Zehntausende G20-Gegner demonstrierten friedlich – und sehr kreativ, wie bei dieser Gruppe. Hunderte Schauspieler demonstrierten für mehr Menschlichkeit.
Der Protest gegen den G20-Gipfel war nicht nur gewalttätig: Zehntausende G20-Gegner demonstrierten friedlich – und sehr kreativ, wie bei dieser Gruppe. Hunderte Schauspieler demonstrierten für mehr Menschlichkeit. © GettyImages | Sean Gallup
Die Botschaft dieses Demonstranten dürfte klar gewesen sein.
Die Botschaft dieses Demonstranten dürfte klar gewesen sein. © dpa | Georg Wendt
Gewaltfreier Protest: Eine Demonstrantin formte vor Polizisten mit den Händen einen Herz.
Gewaltfreier Protest: Eine Demonstrantin formte vor Polizisten mit den Händen einen Herz. © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
Doch die Bilder, die an Krisengebiete erinnern, werden bleiben. Demonstranten suchten Schutz vor Wasserwerfern.
Doch die Bilder, die an Krisengebiete erinnern, werden bleiben. Demonstranten suchten Schutz vor Wasserwerfern. © dpa | David Young
Ein Anwohner des Schanzviertels in Hamburg.
Ein Anwohner des Schanzviertels in Hamburg. © Thomas Lohnes
Der Name der Eröffnungskundgebung der Anti-G20 Demonstration war offenbar Programm:
Der Name der Eröffnungskundgebung der Anti-G20 Demonstration war offenbar Programm: "Welcome to Hell" am 6. Juli (Donnerstagabend). Dieser Teilnehmer setzte auf musikalische Deeskalation. © dpa | Markus Scholz
Doch schon in der Nacht zu Freitag gab es im Schanzenviertel auch gewaltsame Ausschreitungen.
Doch schon in der Nacht zu Freitag gab es im Schanzenviertel auch gewaltsame Ausschreitungen. © dpa | Axel Heimken
Polizisten im Nebel der Wasserwerfer.
Polizisten im Nebel der Wasserwerfer. © dpa | David Young
Zusammenstöße zwischen G20-Gegnern und Polizei.
Zusammenstöße zwischen G20-Gegnern und Polizei. © REUTERS | PAWEL KOPCZYNSKI
Zusammenstöße zwischen G20-Gegnern und Polizei.
Zusammenstöße zwischen G20-Gegnern und Polizei. © REUTERS | KAI PFAFFENBACH
Bis Samstag waren schon mehr als 200 Polizisten bei den Ausschreitungen verletzt worden. Wie viele Demonstranten verletzt wurden, wurde zunächst nicht bekannt.
Bis Samstag waren schon mehr als 200 Polizisten bei den Ausschreitungen verletzt worden. Wie viele Demonstranten verletzt wurden, wurde zunächst nicht bekannt. © dpa | Bodo Marks
Neben der Gewalt schockierten auch die Plünderungen mehrerer Geschäfte in Hamburg viele Menschen.
Neben der Gewalt schockierten auch die Plünderungen mehrerer Geschäfte in Hamburg viele Menschen. © REUTERS | PAWEL KOPCZYNSKI
Davon bekamen sie nur am Rande mit. Erinnerungsfoto: die G-20-Teilnehmer mit ihren Partnern.
Davon bekamen sie nur am Rande mit. Erinnerungsfoto: die G-20-Teilnehmer mit ihren Partnern. © dpa | Michael Kappeler
Nach dem Konzert aßen die Gipfel-Gäste gemeinsam in der Elbphilharmonie.
Nach dem Konzert aßen die Gipfel-Gäste gemeinsam in der Elbphilharmonie. © REUTERS | POOL
Die erste Arbeitssitzung aller G20-Mitglieder, geleitet von Kanzlerin Merkel. Direkt neben ihr saßen Chinas Präsident Xi Jingping (links) und einen Platz weiter US-Präsident Trump.
Die erste Arbeitssitzung aller G20-Mitglieder, geleitet von Kanzlerin Merkel. Direkt neben ihr saßen Chinas Präsident Xi Jingping (links) und einen Platz weiter US-Präsident Trump. © dpa | John Macdougall
Während die Staats- und Regierungschefs mit ihren Mitarbeitern das Arbeitsprogramm absolvierten, gab es für die Ehefrauen und -männer der Politiker und Politikerinnen Programm – etwa den Besuch des Hamburger Rathauses.
Während die Staats- und Regierungschefs mit ihren Mitarbeitern das Arbeitsprogramm absolvierten, gab es für die Ehefrauen und -männer der Politiker und Politikerinnen Programm – etwa den Besuch des Hamburger Rathauses. © dpa | Jens Büttner
„Engelchen flieg“: Vor den Ausschreitungen bezauberte viele dieses Bild von der Ankunft Justin Trudeaus. Kanadas Premier brachte nicht nur seine Frau Sophie, sondern auch den jüngsten Sohn Hadrien mit nach Hamburg.
„Engelchen flieg“: Vor den Ausschreitungen bezauberte viele dieses Bild von der Ankunft Justin Trudeaus. Kanadas Premier brachte nicht nur seine Frau Sophie, sondern auch den jüngsten Sohn Hadrien mit nach Hamburg. © Morris MacMatzen
Aufräumen nach den Krawallen.
Aufräumen nach den Krawallen. © dpa | Christian Charisius
Was bleibt vom G-20-Gipfel in Hamburg?
Was bleibt vom G-20-Gipfel in Hamburg? © dpa | Kay Nietfeld
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Finden Sie es gut, dass Medien mit Fotos Krawallmacher suchen?

De Maizière: Die Bevölkerung um Mithilfe zu bitten, ist im Grundsatz richtig. Wenn Medien sich daran beteiligen, müssen dabei natürlich sehr sorgfältig auch die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen gewichtet werden. Journalisten dürfen sich jedenfalls nicht an die Stelle der Ermittler stellen.

Wie groß war in Hamburg die Zahl der ausländischen Verdächtigen?

De Maizière: Ein erheblicher Anteil der Randalierer, die in Hamburg in Gewahrsam genommen wurden, kamen aus dem Ausland, in erster Linie aus Europa, aus Italien und Frankreich. Viele Aktionen sind auch von europäischen Chaoten – wie bei den Krawallen gegen die EZB-Eröffnung in Frankfurt – systematisch vorbereitet worden.

Waren die Grenzkontrollen wirkungslos?

De Maizière: Nein, wir haben über 60 Gewalttäter zurückgewiesen. Viele andere sind durchsucht worden, ohne dass man bei ihnen etwas gefunden hätte, keine Sturmhauben, keine Zwillen, keine Schutzmasken. Das spricht dafür, dass sie sich das Material erst in Hamburg besorgt haben oder es ihnen erst dort zur Verfügung gestellt worden ist.

Kann man sie faktisch nicht stoppen?

De Maizière: Eine Konsequenz aus Hamburg kann sein, mehr Meldeauflagen zu erlassen. Die entsprechenden Befugnisse in den Polizeigesetzen können noch effektiver genutzt werden. Den Bedarf an einer Erweiterung der entsprechenden Befugnisse sollten wir prüfen.

Woran denken Sie?

De Maizière: Die Krawallmacher sollten die Demonstrationsorte gar nicht erst erreichen dürfen. Wir sollten ihnen auferlegen, sich in bestimmten zeitlichen Abständen bei der Polizei zu melden oder ihnen notfalls Fußfesseln anlegen. Bei hochaggressiven sogenannten Fußballfans gehen wir doch auch so vor. Eine Meldeauflage ist ein relativ mildes Mittel, sehr wirksam und ihre Verletzung ist sanktionsbewehrt. Davon sollte man mehr Gebrauch machen. Gewalttäter zu stoppen, ist Prävention im besten Sinne. Für sie sollten mehr Meldeauflagen ausgesprochen werden als bisher.

Sie wollen einer Person das Demonstrieren verbieten, obwohl Sie nicht wissen, ob sie gewalttätig wird?

De Maizière: Es geht nicht darum, das Demonstrieren zu verbieten, sondern schwere Gewalttaten zu verhindern. Natürlich nur unter rechtsstaatlich einwandfreien Voraussetzungen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die betroffene Person eine Straftat begehen wird und die Meldeauflage zur vorbeugenden Bekämpfung der Straftat erforderlich und verhältnismäßig ist.

Es gibt eine Extremistendatei und eine enge Zusammenarbeit unter den europäischen Partnern. Was halten Sie von der Forderung, eine europäische Datei einzurichten?

De Maizière: Ich setzte mich schon seit Langem dafür ein, dass wir national wie international den Informationsaustausch verbessern. Man muss aber nicht für jedes Phänomen eine eigene Datei einrichten. Gewalttouristen können Hooligans, Rechts- oder Linksextremisten sein. Vielleicht sind es manchmal auch dieselben Personen, die einfach nur einen Anlass für Gewalt suchen. Bei Europol werden bereits Informationen über solche Gewalttäter ausgewertet. Aber die Mitgliedstaaten stellen zu wenige Informationen ein. Deswegen dränge ich darauf, dass wir das bereits bestehende System bei Europol „füttern“ und ausbauen. Die Kriterien dafür, wer und was ein Gewalttäter ist, müssen wir weiter fortentwickeln.