Magdeburg. Im Netz ist zu lesen, was AfD-Funktionäre aus Sachsen-Anhalt in einer internen WhatsApp-Gruppe schreiben. Manches hat Sprengkraft.

  • Im Internet ist ein WhatsApp-Chat der AfD Sachsen-Anhalt aufgetaucht
  • Darin schreibt der Landesparteivorsitzende André Poggenburg unter anderem von „Deutschland den Deutschen“
  • Er rechtfertigt sich für die Äußerungen

Nach der „Machtergreifung“ müsse ein Gremium alle Journalisten prüfen und sieben. Das schreibt ein AfD-Funktionär weitgehend unwidersprochen in einem internen WhatsApp-Kanal der AfD Sachsen-Anhalt. In den mehr als 8000 an die Öffentlichkeit gelangten Beiträgen aus der Gruppe „AfD Info LSA“ schreibt der Landesparteivorsitzende André Poggenburg sogar „Deutschland den Deutschen“ und regt an, eine Schulung zum Thema „Erweiterung der Außengrenzen!?“ anzubieten. In der Nacht zu Mittwoch verschickte er eine Stellungnahme, in der er seine Äußerungen rechtfertigt.

Angelegt hat die Gruppe der AfD-Landtagsabgeordnete und Bundestagskandidat Andreas Mrosek aus Dessau. Das bestätigte er unserer Redaktion. Damit ist aber noch nicht ausgeschlossen, dass einzelne Passagen verändert worden sein könnten. „Unschön gerade im Wahljahr, dass das veröffentlicht worden ist“, sagt Mrosek. Es gebe einen oder mehrere Maulwürfe. Rund 200 Nutzer aus der AfD Sachsen-Anhalt seien in der Gruppe, „vom erfahrenen Hasen bis zum jungen Blut“. Administratoren seien Mitglieder des Landesvorstands.

Vorab-Info zu Höcke aus dem Bundesvorstand

Eingerichtet hatte er die Gruppe schon vor längerem, damit dort Informationen weitergegeben werden können, so Mrosek. Dafür ein Paradebeispiel ist vom 13. Februar. Da schrieb Poggenburg um 9.15 Uhr aus dem Bundesvorstand zum Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke: „Morgen Leute, im BuVo wurde gerade beschlossen PAV Höcke, mit 4 Gegenstimmen. Hier wollen einige den Machtkampf auf die Spitze treiben, egal wie das nach außen wirkt.“ Das war elf Minuten, bevor die Nachricht über eine Eilmeldung von dpa öffentlich wurde. Der Großteil der Botschaften aus dem Zeitraum vom 4. Februar bis 29. Mai beinhaltet tatsächlich Infos über Artikel, TV-Beiträge oder Veranstaltungen.

Doch Poggenburg musste auch mahnen, dass diese Gruppe „kein Austragungsort für irgendwelche innerparteilichen Fehden“ sei: Es gab auch Anfeindungen, Beschimpfungen, Vorwürfe. Er selbst erläuterte zwischenzeitlich einen Rauswurf einer Mitarbeiterin der Fraktion aus der Gruppe* – begleitet von Kritik, wie sie in die Gruppe gelangen konnte. „Wir sollten vielleicht besser darauf achten, wer aufgenommen wird“, schrieb jemand. Poggenburg schritt aber bei fragwürdigen und möglicherweise sogar strafwürdigen Inhalten nicht ein.

In seiner Stellungnahme erklärt er sich als Landesvorsitzender für die Mitglieder quasi nicht verantwortlich: Er habe „weder die Aufgabe noch das Recht hier irgendwelche Meinungsäußerungen einzuschränken“. Er sei bezüglich Chatinhalt nur seinen eigenen Aussagen verpflichtet. Ein Kreisvorsitzender gibt dafür in den geleakten Nachrichten mehrfach den Mahner: „Das hier ist fast öffentlich, also vorsichtiger agieren!“

Poggenburg mit Smiley: „Deutschland den Deutschen“

Daran hielt sich aber auch Poggenburg offenbar nicht: „Deutschland den Deutschen“ schreibt der Landesvorsitzende in einer Nachricht, als er unterwegs ist zu einem Treffen zur Vorstellung der Bundeswahlkampagne. Er versieht das mit einem Smiley. Für die gleiche, allerdings ohne Smiley und öffentlich auf Facebook getätigte Aussage hatte die AfD in Mecklenburg-Vorpommern ihren stellvertretenden Vorsitzenden Ralph Weber abgemahnt. Er habe der Partei schweren Schaden im öffentlichen Ansehen zugefügt. „Insbesondere ist die Äußerung ,Deutschland den Deutschen‘ als gebräuchliche Kampfparole der NPD bekannt“, hieß es in der Begründung.

Poggenburg beeindruckt das offenbar nicht: Er erklärt in seiner Stellungnahme, er stehe voll und ganz zu dieser Formulierung. „Selbstverständlich sollte ein Land denen ,gehören’, die dort lange ansässig sind, die über Jahrzehnte oder sogar viele Generationen dort Wurzeln geschlagen und sich in den Staat eingebracht haben.“ Er nehme „liebend gerne in Kauf“, wenn sich „damit linke Ideologen, die scheinbar oft genug das Ziel vor Augen haben Deutschland abzuschaffen, provoziert fühlen“.

Polizist fordert Säuberungsaktion nach Machtübernahme

Weitgehend unwidersprochen bleibt in der Gruppe die Forderung eines Bundespolizisten nach einer Säuberungsaktion in der Presse. Schon der „kleine Doktor“ – gemeint ist damit offenbar Hitlers Reichspropagandaleiter Joseph Goebbels – und „selbst die 68er-Arschlöcher“ hätten gewusst, dass man ohne die Medien keine Macht habe. Nach der „Machtübernahme muss ein Gremium alle Journalisten und Redakteure überprüfen und sieben“, schreibt der Mann, Beisitzer in einem Kreisvorstand. „Chefs sofort entlassen, volksfeindliche Medien verbieten.“

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Polizist will „im Zusammenhalt mit Waffen“ unterrichten

Außer dem mahnenden Kreisvorsitzenden protestiert niemand. Der Bundespolizist, Beisitzer in einem Kreisverband, bietet in einer Nachricht auch an, jemandem im „Zusammenhalt mit Waffen und ohne“ zu unterrichten. Sein Gesprächspartner hatte zuvor geschrieben, er sei schon lange im Widerstand, und habe sich klein und unauffällig gemacht, aber schon lange keine Lust mehr, sich zu verstecken.

Gruppengründer Mrosek sagt, in der Gruppe sei oft sehr viel geschrieben worden, „ich habe das nicht alles lesen können“. Es sei ein Problem der Mentalität mancher Leute, „wenn ein Choleriker das Wort ergreift, ist der schwer zu bremsen.“ Streit und strittige Aussagen gebe es andernorts sicher auch, „aber da werden sie nicht öffentlich.“ So verberge die Linke in Sachsen-Anhalt große Spannungen in der Fraktion gut.

„Mehr Anerkennung“ für Identitäre

In der Gruppe wird auch ein ungeklärtes Verhältnis zur „Identitären Bewegung“, Pegida und auch der Partei „III. Weg“ deutlich: Der Schriftführer eines Kreisverbands warnt, sich gerade von denen zu distanzieren, „die eigentlich das sinkende Schiff seit Jahren über Wasser halten, mit einem enormen ehrenamtlichen Einsatz.“ Die seien es, die nachts durch das ganze Land Sachsen-Anhalt liefen und Plakate und Plakataufsteller vor dem linken Mob schützten. „Ein wenig mehr Anerkennung haben diese Leute schon verdient, wenn auch nicht offiziell.“ Poggenburg zu dem Thema: „Leute macht ruhig... Wir distanzieren uns weder von IB noch von Pegida, aber wir lassen uns von außen auch durch nichts und niemanden lenken oder vereinnahmen.“

Beworben wird in geleakten Nachrichten der Gruppe auch eine App, mit der einer der führenden Köpfe der Identitäten Bewegung „Patrioten“ vernetzen will. Zudem gab es von einer Funktionärin aus Halle einen Spendenaufruf für die Geldstrafen des Machers der Seite „Halle Leaks“, der mit gefälschten vermeintlichen Zitaten sehr erfolgreich auf Facebook gegen Politiker hetzt.

Das sind die Gesichter der AfD

Bernd Lucke gründete im Februar 2013 die Alternative für Deutschland. Er wurde ihr erster Vorsitzender und das Gesicht der Partei. Zu Beginn stand vor allem die Kritik am Euro im Mittelpunkt.
Bernd Lucke gründete im Februar 2013 die Alternative für Deutschland. Er wurde ihr erster Vorsitzender und das Gesicht der Partei. Zu Beginn stand vor allem die Kritik am Euro im Mittelpunkt. © Getty Images | Volker Hartmann
Das Zerwürfnis: Im Juli 2015 auf dem AfD-Parteitag in Essen kam es zum Bruch zwischen Parteichef Bernd Lucke und der Co-Vorsitzenden Frauke Petry. Lucke verließ danach die Partei und gründete die neue Partei „Alfa“, die inzwischen Liberal-Konservative Reformer (LKR) heißt. Petry führte seitdem die AfD.
Das Zerwürfnis: Im Juli 2015 auf dem AfD-Parteitag in Essen kam es zum Bruch zwischen Parteichef Bernd Lucke und der Co-Vorsitzenden Frauke Petry. Lucke verließ danach die Partei und gründete die neue Partei „Alfa“, die inzwischen Liberal-Konservative Reformer (LKR) heißt. Petry führte seitdem die AfD. © Getty Images | Volker Hartmann
Bei dem Streit zwischen Bernd Lucke und Frauke Petry ging es nicht nur um die Macht in der AfD, sondern auch um deren Kurs. Unter Petry verlagerte sich der Schwerpunkt schnell in Richtung Anti-Islam-Partei.
Bei dem Streit zwischen Bernd Lucke und Frauke Petry ging es nicht nur um die Macht in der AfD, sondern auch um deren Kurs. Unter Petry verlagerte sich der Schwerpunkt schnell in Richtung Anti-Islam-Partei. © Getty Images | Volker Hartmann
Alexander Gauland, ein ehemaliger Journalist, steht heute für das national-konservative Gesicht der AfD. Er ist Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag von Brandenburg.
Alexander Gauland, ein ehemaliger Journalist, steht heute für das national-konservative Gesicht der AfD. Er ist Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag von Brandenburg. © dpa | Ralf Hirschberger
Thüringens AfD-Chef Björn Höcke gehört zu den absoluten Hardlinern der AfD. Sein Auftritt bei Günther Jauch in der ARD, als er eine Deutschlandfahne aus der Jacke zog, sorgte für reichlich Schlagzeilen.
Thüringens AfD-Chef Björn Höcke gehört zu den absoluten Hardlinern der AfD. Sein Auftritt bei Günther Jauch in der ARD, als er eine Deutschlandfahne aus der Jacke zog, sorgte für reichlich Schlagzeilen. © dpa | Martin Schutt
Björn Höcke provozierte mit einer Rede über die „Reproduktionslehre“ in Afrika scharfe Kritik aus den anderen Parteien.
Björn Höcke provozierte mit einer Rede über die „Reproduktionslehre“ in Afrika scharfe Kritik aus den anderen Parteien. © imago stock&people | Stefan Zeitz
Beatrix von Storch sorgte mit bizarren Talkshow-Auftritten im Fernsehen und mit ihrer Wortmeldung zum Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an der Grenze für Aufregung. Die Europa-Abgeordnete der AfD wurde im April 2016 aus der europaskeptischen EKR-Fraktion im EU-Parlament ausgeschlossen.
Beatrix von Storch sorgte mit bizarren Talkshow-Auftritten im Fernsehen und mit ihrer Wortmeldung zum Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an der Grenze für Aufregung. Die Europa-Abgeordnete der AfD wurde im April 2016 aus der europaskeptischen EKR-Fraktion im EU-Parlament ausgeschlossen. © imago | Müller Stauffenberg
Alice Weidel wurde im April 2017 auf dem AfD-Bundesparteitag in Köln mit 67,7 Prozent der Stimmen zur Spitzenkandidatin gewählt.
Alice Weidel wurde im April 2017 auf dem AfD-Bundesparteitag in Köln mit 67,7 Prozent der Stimmen zur Spitzenkandidatin gewählt. © Getty Images | Sascha Schuermann
Sie bildete zusammen mit Alexander Gauland das Spitzenduo der Partei für die Bundestagswahl im September 2017.
Sie bildete zusammen mit Alexander Gauland das Spitzenduo der Partei für die Bundestagswahl im September 2017. © dpa | Rolf Vennenbernd
Siegerpose nach der Bundestagswahl am 24. September: Alexander Gauland und Alice Weidel auf der Wahlparty ihrer Partei in Berlin.
Siegerpose nach der Bundestagswahl am 24. September: Alexander Gauland und Alice Weidel auf der Wahlparty ihrer Partei in Berlin. © dpa | Jens Büttner
Unmittelbar nach der Bundestagswahl gab es einen Paukenschlag: AfD-Vorsitzende Frauke Petry (r.) ...
Unmittelbar nach der Bundestagswahl gab es einen Paukenschlag: AfD-Vorsitzende Frauke Petry (r.) ... © REUTERS | WOLFGANG RATTAY
... verließ die Pressekonferenz ihrer Partei und kündigte an, nicht der AfD-Fraktion im Bundestag angehören zu wollen. Sie wolle sich als Führungsfigur für einen „konservativen Neuanfang“ positionieren. Nach ihrem Parteiaustritt kündigte Petry an, eine neue Partei zu gründen.
... verließ die Pressekonferenz ihrer Partei und kündigte an, nicht der AfD-Fraktion im Bundestag angehören zu wollen. Sie wolle sich als Führungsfigur für einen „konservativen Neuanfang“ positionieren. Nach ihrem Parteiaustritt kündigte Petry an, eine neue Partei zu gründen. © dpa | Michael Kappeler
Und auch mit Marcus Pretzell verliert die AfD in Nordrhein-Westfalen ihren prominentesten Politiker. Er trat im Oktober 2017 aus der Partei aus.
Und auch mit Marcus Pretzell verliert die AfD in Nordrhein-Westfalen ihren prominentesten Politiker. Er trat im Oktober 2017 aus der Partei aus. © dpa | Federico Gambarini
Die AfD hat rund 20.000 Mitglieder. Bei der Bundestagswahl holte die Partei 12,6 Prozent der Stimmen und stellt nun 94 Abgeordnete . Sie bildet damit die drittgrößte Fraktion im Parlament.
Die AfD hat rund 20.000 Mitglieder. Bei der Bundestagswahl holte die Partei 12,6 Prozent der Stimmen und stellt nun 94 Abgeordnete . Sie bildet damit die drittgrößte Fraktion im Parlament. © Getty Images | Carsten Koall
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WhatsApp-Gruppe besteht weiterhin

Als der Landtagsabgeordnete und „Junge Alternative“-Vorsitzende Jan Wenzel Schmidt fragt, wozu die Partei Schulungen anbieten sollte („Wir machen von der JA auch Selbstverteidigungskurse“), meldet sich auch Poggenburg: „Landesverteidigung und Terrorabwehr“, schlägt er vor. Dann er ergänzt er mit Fragezeichen versehen: „Und... Erweiterung der Außengrenzen!?“ In seiner Stellungnahme dazu erklärt Poggenburg, es gehe um die europäische Außengrenze, die real kaum vorhanden sei und nur stückweise als tatsächlich wahrnehmbare Grenze funktioniere. In einer Schulung soll es dieser Darstellung darum gehen, diese „real kaum vorhandene Außengrenze“ zu erweitern. Die Schulung habe bisher nicht stattgefunden.

Die Gruppe gibt es auch weiterhin: „Was würde es nutzen, eine neue aufzumachen?“, sagt Gründer Mrosek. „Da kann ja wieder ein Maulwurf drin sein, man schaut ja niemandem hinter die Stirn.“ Mrosek glaubt nicht, dass die plötzliche Öffentlichkeit für manche Nutzer eine Lehre ist: „Das ist wie bei einem Raser mit 200 Sachen“, sagte er unserer Redaktion. „Sieht der einen Unfall, fährt der auch mal langsamer. Aber wie lange hält das an?“

Einer am Dienstag veröffentlichten „infratest dimap“-Umfrage zufolge käme die AfD in Sachsen-Anhalt bei der Bundestagswahl aktuell auf 11 Prozent. Im November lag sie noch bei 22 Prozent, bei der Landtagswahl 2016 hatte sie 24,3 Prozent erreicht.

*In einer früheren Fassung hatten wir an dieser Stelle geschrieben, Poggenburg selbst habe die Mitarbeiterin aus der Gruppe entfernt. Entfernt wurde die Frau allerdings von Frank Pasemann, Schatzmeister der AfD Sachsen-Anhalt.

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