London. Die Briten haben eine lange, traurige Tradition beim Umgang mit Terror. Deshalb wird der Anschlag wenig am Leben und Lebensstil ändern.
Der Terror ist nach Großbritannien zurückgekehrt. Mit 22 Toten ist der Anschlag von Manchester die schlimmste Terrortat seit dem Angriff von vier Selbstmordattentätern auf die U-Bahn von London im Juli 2005. Seitdem hat es zwar immer wieder Anschläge gegeben – zuletzt im März die Messerattacke vor dem Parlament von Westminister. Doch der brutale Bombenanschlag in Manchester, auf den Tag vier Jahre nach der Enthauptung des Soldaten Lee Rigby durch islamistische Extremisten, hat eine neue Qualität.
Erstmals hat der Terrorist – und möglicherweise seine Hintermänner – ein Pop-Konzert ins Visier genommen, das überwiegend von Kids und Teenagern besucht wurde. Viele Eltern mögen sich jetzt zweimal überlegen, ob sie ihre Kinder zu einer Musikveranstaltung gehen lassen. Die freie Auswahl der Unterhaltung gehört zum westlichen Lebensstil. Aber müssen die Kontrollen der Sicherheitskräfte nicht massiv verschärft werden? Oder soll man den Besuch besser gleich sein lassen? Eine vertrackte Güterabwägung. Der Umgang mit der Gefahr ist in Zeiten des Terrors schwieriger geworden.
IS hatte für Anschläge auf Konzerthallen geworben
Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zwingt die Menschen zu neuer Vorsicht. Am Dienstag bekannte sich die Terrorgruppe zur Bluttat von Manchester. Derartige Pläne gab es offenbar schon länger. In seinem Internetmagazin „Rumiyah“ vom Mai hatte der IS die Parole ausgegeben, Anschläge auf Konzerthallen auszuführen: Dort könne man „die Ungläubigen zusammentreiben und sie massakrieren“.
Die Briten sind allerdings eine Nation, die mit dem Terror eine lange Erfahrung hat. In den 70er- und 80er- Jahren sah sich das Königreich einer Anschlagsserie durch die nordirische Untergrundorganisation IRA ausgesetzt. Nach dem 11. September 2001 kamen das Terrornetzwerk al-Qaida und nun der IS dazu. Premierministerin Theresa May unterstrich denn auch den britischen Widerstandsgeist angesichts nationaler Bedrohungen. Man habe Konflikt und Terrorismus jahrelang ausgehalten, man werde sich niemals davon unterkriegen lassen. Diese Art von mutmachender Resolutheit kommt in der Bevölkerung an.
Viele Tote und Verletzte bei Konzert
Im Schnitt eine Festnahme pro Tag
Die Sicherheitskräfte müssen immer erfolgreich sein, während die Terroristen nur einmal Glück brauchen. Die britische Polizei und die diversen Nachrichtendienste wie MI5 und der Abhördienst GCHQ haben in der Vergangenheit etliche Anschläge verhindern können. Fachleute melden, dass das Tempo bei der Terrorabwehr in den letzten Monaten deutlich erhöht wurde – mit durchschnittlich einer Festnahme pro Tag. Nach der Messerattacke im März hatte die Polizei gewarnt, dass weitere Attentate fast unvermeidbar seien. Doch man nahm an, dass es sich zumeist um Anschläge mit relativ geringem technischem Aufwand („low tech“-Anschläge) handeln würde. Etwa durch Einsatz eines Autos oder eines Messers als Waffe.
Der Selbstmordanschlag von Manchester wird und muss die Sensibilität gegenüber künftigen Terrorattacken schärfen. Hier seien nicht Amateure am Werk gewesen, warnen Experten. Die Tat sei langfristig und sorgfältig geplant gewesen. Einen Sprengsatz herzustellen erfordert Sachkenntnisse. Es ist wahrscheinlich, dass nicht ein Einzeltäter, sondern eine Gruppe von Terroristen dahinterstand.
Auch deutet der Umstand, dass die Identität des getöteten Täters den Sicherheitskräften nach dem Anschlag schnell bekannt war, darauf hin, dass der Terrorist womöglich bereits früher auffällig geworden ist. Die Briten dürften auch dieses Mal wieder auf den Terror antworten, wie sie es immer getan haben. Ihr Motto: Sich von ihm einschüchtern zu lassen, hieße, ihn siegen zu lassen.