Berlin. Hätte der Anschlag in Berlin verhindert werden können? Behördenpannen sollen nun in einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden.

Rund fünf Monate nach dem Terroranschlag mit zwölf Toten auf dem Breitscheidplatz in Berlin haben sich die Berliner Regierungsfraktionen SPD, Linke und Grüne in der Hauptstadt auf einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung von Behördenversagen verständigt. Wie die Fraktionen am Montag in einer gemeinsamen Erklärung mitteilten, könnte der Ausschuss seine Arbeit nach dem 3. Juli beginnen.

Bis dahin werde der Sonderermittler des Senats, der frühere Bundesanwalt Bruno Jost, seinen Zwischenbericht zu Fehlern im Umgang mit dem islamistischen Attentäter Anis Amri vorlegen, hieß es. Seine Ermittlungen hätten bereits gravierende Einzelfehler der Sicherheitsbehörden aufgedeckt. Der Ausschuss sollte aber auch strukturelle Fragen im Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern und der gesamten Sicherheitsarchitektur klären.

Regierungsfraktionen hielten U-Ausschuss bislang nicht für nötig

Amri hatte im Dezember bei einem Lastwagen-Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche zwölf Menschen getötet. In der vergangenen Woche waren Manipulationen bei der Berliner Kriminalpolizei an den Ermittlungsakten bekanntgeworden.

Bislang waren die Regierungsfraktionen der Ansicht, dass wegen des Sonderermittlers kein U-Ausschuss nötig sei. Der Vorsitz des Gremiums werde nicht an die AfD fallen, hieß es bei der Grünen. In Düsseldorf hat ein ähnlicher U-Ausschuss gerade die Befragung von Zeugen beendet.

Innensenator spricht Polizei Vertrauen aus

In einer Sondersitzung des Innenausschusses sprach Innensenator Andreas Geisel (SPD) der Polizei sein ungebrochenes Vertrauen aus und wertete die Aktenmanipulation als individuelles Fehlverhalten. „Die Sicherheit in Deutschland wird von Terroristen gefährdet und nicht von Polizisten.“ Dies teilte er in einem Offenen Brief den Berliner Polizisten mit. Geisel wandte sich gegen Vorverurteilungen.

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat der Polizei sein ungebrochenes Vertrauen ausgesprochen.
Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat der Polizei sein ungebrochenes Vertrauen ausgesprochen. © dpa | Paul Zinken

Ein Ermittler bei der Kriminalpolizei hatte Amri in einem Vermerk vom 1. November 2016 als aktiven und gewerbsmäßigen Drogenhändler eingestuft. Das hätte ein Grund für einen Haftbefehl sein können. Womöglich hätte dadurch der Anschlag verhindert werden können.

Manipuliertes Dokument auf 1. November rückdatiert

Mitte Januar erstellte ein anderer Polizist ein neues Dokument mit einem gekürzten und veränderten Text – nach dem Amri nur „möglicherweise Kleinsthandel“ mit Drogen betrieben haben sollte. Auch der Name eines Verdächtigen im Drogen-Umfeld von Amri fehlte laut Jost nun. Dieses Dokument wurde auf den 1. November rückdatiert.

Bekannt wurde im Ausschuss auch, dass in dem abgespeckten Bericht von ursprünglich 73 Protokollen abgehörter Telefonate nur noch sechs enthalten waren. Ermittelt wird gegen mindestens zwei Kripo-Beamte wegen Urkundenfälschung sowie Verdachts auf Strafvereitelung im Amt.

14-köpfige Task-Force angekündigt

Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) kündigte eine Task-Force zur Aufklärung der Aktenmanipulation an. 14 Beamte werden „jeden Stein, jedes Blatt, jede Datei“ nach dem Vier-Augen-Prinzip umdrehen, kündigte er in der Sitzung an.

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach forderte indes Konsequenzen. „Sollten sich diese schwerwiegenden Vorwürfe bestätigen, kann das nicht ohne politische und strafrechtliche Konsequenzen bleiben“, sagte Bosbach den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“.

Die Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, Renate Künast (Grüne), begrüßte die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. „Denn auch aus Respekt vor den Opfern braucht es eine öffentliche parlamentarische Aufklärung und muss sich das ganze Parlament der Aufgabe stellen, Fehler zu analysieren, damit sie in Zukunft vermieden werden können“, erklärte Künast. (dpa)