Berlin. Politiker halten Cyberangriffe auch im Bundestagswahlkampf für wahrscheinlich. Mögliche Ziele: EU-Befürworter und Russland-Kritiker.

Die Veröffentlichung gestohlener Daten aus dem Lager des französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron ist nach Auffassung deutscher Politiker Teil einer Manipulationskampagne mit dem Ziel, den Westen zu destabilisieren. Diese Kampagne, die schon der US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton geschadet hat, könnte ihrer Ansicht nach vor der Bundestagswahl auch in Deutschland Fahrt aufnehmen. Als möglichen Urheber vermuten Politiker von CDU, SPD, FDP und Grünen Russland. Als einzig möglichen Profiteur hierzulande sehen sie: die AfD.

„Wir müssen damit rechnen, dass auch versucht wird, in den Bundestagswahlkampf auf diese Weise einzugreifen – das Gegenteil würde mich wundern“, erklärt der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach. Er sagt, in den USA seien viele Indizien aufgetaucht, die darauf hindeuteten, dass Russland hinter dem Hacker-Angriff auf den Wahlkampf der Demokratin Clinton stand. Mit einer eindeutigen Schuldzuweisung sei er aber noch vorsichtig.

Schulz: Hundertprozentigen Schutz vor Hackerangriffen gibt es nicht

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    Deutsche Politiker sind vorsichtig geworden

    Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka erklärt: „Unsere Nachrichtendienste haben sehr viele Indizien dafür, dass hier russische Hackergruppen aktiv sind, die nach meiner Auffassung auch mit staatlichen Stellen in Russland kooperieren.“ Er selbst lässt sich sensible Daten von seinem Berliner Büro schon lange nicht mehr elektronisch übermitteln, wenn er in seinem Magdeburger Wahlkreis unterwegs ist.

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    „Die Gefahr, dass Hacker und andere Kriminelle Wahlen beeinflussen, ist real. Wir müssen die Demokratie auch im Internet verteidigen.“

    Opfer von Hacker-Angriffen haben Gemeinsamkeiten

    Unmittelbar vor dem Wahlduell in Frankreich an diesem Sonntag waren

    Es handelt sich um schon vor Wochen von Hackern erbeutete E-Mails, Verträge sowie andere interne Dokumente.

    Wer Gemeinsamkeiten zwischen den Datenlecks bei Macron und Clinton sucht, dem fällt auf: In beiden Fällen waren liberale Politiker betroffen, die russlandkritische Positionen vertreten und eine enge sicherheitspolitische Zusammenarbeit westlicher Staaten befürworten. „Macron gehört zu denen, die Europa zusammenhalten wollen“, sagt Lischka.

    „Leaks“ als gezielte Wahlmanipulation

    Die Herausforderer der beiden Ausgespähten, Donald Trump und Marine Le Pen, haben dagegen nicht nur den Hang zum Populismus gemeinsam. Beide stehen auch für eine stärker an nationalen Interessen ausgerichtete Außenpolitik. Und sie lehnen auch die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die sie in ihren Wahlkämpfen jeweils als abschreckendes Beispiel präsentiert haben.

    „Diese Beeinflussung von Außen richtet sich gegen jeden, der eine klare Haltung gegenüber Russland vertritt und der nicht gegen Merkel ist“, erklärt die Vorsitzende des Bundestags-Unterausschusses für Zivile Krisenprävention, Franziska Brantner. Die Grünen-Politikerin hofft, dass die deutschen Wähler verstehen, dass es sich bei derartigen „Leaks“ um gezielte Wahlmanipulation handelt.

    Sie sagt: „Es ist klar, auf welcher Seite der russische Präsident Wladimir Putin steht. Er stand in Österreich auf der Seite des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer. In den USA hat er Trump unterstützt. Er hat Marine Le Pen empfangen, und auch die AfD-Jugend ist ständig in Russland.“

    Lambsdorff: Nur AfD könnte Nutzen daraus ziehen

    Der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff sagt: „Meine Vermutung ist, dass es sich bei der Attacke auf „En Marche!“ um einen russischen Manipulationsversuch handelt. In Deutschland würde so etwas nur der AfD nutzen.“ Das Argument, Politiker, die nichts zu verbergen hätten, brauche sich vor Cyberattacken nicht zu fürchten, lässt er nicht gelten.

    Die Karriere von Präsident Macron

    Europa im Blick: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron macht sich für eine Neugestaltung der Politik der Europäischen Union stark. Bilder seiner Karriere.
    Europa im Blick: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron macht sich für eine Neugestaltung der Politik der Europäischen Union stark. Bilder seiner Karriere. © REUTERS | POOL
    Emmanuel Macron ist der jüngste Präsident Frankreichs. Mit 39 Jahren wurde er zum Staatsoberhaupt gewählt. Die Stichwahl am 14. Mai 2017 entschied er klar für sich. Auch bei der Wahl zur Nationalversammlung im Juni erreichte seine Partei die absolute Mehrheit.
    Emmanuel Macron ist der jüngste Präsident Frankreichs. Mit 39 Jahren wurde er zum Staatsoberhaupt gewählt. Die Stichwahl am 14. Mai 2017 entschied er klar für sich. Auch bei der Wahl zur Nationalversammlung im Juni erreichte seine Partei die absolute Mehrheit. © Getty Images | Aurelien Meunier
    Hinter Macron steht die von ihm 2016 gegründete politische Bewegung „En Marche!“ (In Bewegung). Einen klassischen Parteiapparat hat er bislang nicht. Macron führte sein Wahlkampfteam wie ein Start-Up-Unternehmen.
    Hinter Macron steht die von ihm 2016 gegründete politische Bewegung „En Marche!“ (In Bewegung). Einen klassischen Parteiapparat hat er bislang nicht. Macron führte sein Wahlkampfteam wie ein Start-Up-Unternehmen. © dpa | Michel Spingler
    Der Arztsohn war bis 2012 gut bezahlter Investmentbanker bei Rothschild & Cie., dann holte ihn der damalige Präsident François Hollande als Berater in den Elysée-Palast. Von 2014 bis 2016 war er Wirtschaftsminister.
    Der Arztsohn war bis 2012 gut bezahlter Investmentbanker bei Rothschild & Cie., dann holte ihn der damalige Präsident François Hollande als Berater in den Elysée-Palast. Von 2014 bis 2016 war er Wirtschaftsminister. © REUTERS | FRANCOIS LENOIR
    Anschließend ist Macron aus dem Schatten seines Mentors im Elysée-Palast getreten, hat eine politische Blitzkarriere gemacht und den Sozialisten beerbt.
    Anschließend ist Macron aus dem Schatten seines Mentors im Elysée-Palast getreten, hat eine politische Blitzkarriere gemacht und den Sozialisten beerbt. © REUTERS | REGIS DUVIGNAU
    Macron ist unkonventionell, er will „weder rechts noch links“ sein.
    Macron ist unkonventionell, er will „weder rechts noch links“ sein. © REUTERS | REUTERS / JEAN-PAUL PELISSIER
     Er gilt als Mitte-Links-Politiker, seine Ausrichtung ist sozialliberal.
    Er gilt als Mitte-Links-Politiker, seine Ausrichtung ist sozialliberal. © REUTERS | BENOIT TESSIER
    Berührungsängste hat er jedenfalls nicht. Weder bei den französischen Bürgern, ...
    Berührungsängste hat er jedenfalls nicht. Weder bei den französischen Bürgern, ... © REUTERS | POOL
    ... noch bei Tieren.
    ... noch bei Tieren. © dpa | Eric Feferberg
    Manche nennen den Politjungstar den „französischen Kennedy“. Schon vor der Wahl war von einer „Macromania“ die Rede.
    Manche nennen den Politjungstar den „französischen Kennedy“. Schon vor der Wahl war von einer „Macromania“ die Rede. © Getty Images | Aurelien Meunier
    Verheiratet ist Macron seit 2007 mit Brigitte Macron. Die beiden kennen sich seit seiner Schulzeit.
    Verheiratet ist Macron seit 2007 mit Brigitte Macron. Die beiden kennen sich seit seiner Schulzeit. © dpa | Eric Feferberg
    Brigitte Macron war damals seine Französischlehrerin. Sie hat drei Kinder aus erster Ehe, zwei davon älter als Macron.
    Brigitte Macron war damals seine Französischlehrerin. Sie hat drei Kinder aus erster Ehe, zwei davon älter als Macron. © dpa | Christophe Ena
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    Das ungewöhnliche Paar bringt Glamour in den Élysée-Palast. © dpa | Yoan Valat
    Macron ist wie so viele andere Spitzenpolitiker Frankreichs Absolvent der Elite-Hochschule ENA. Doch er sieht sich nicht als Teil des politischen Establishments, sondern als Erneuerer, der Frankreich aufrütteln und modernisieren will.
    Macron ist wie so viele andere Spitzenpolitiker Frankreichs Absolvent der Elite-Hochschule ENA. Doch er sieht sich nicht als Teil des politischen Establishments, sondern als Erneuerer, der Frankreich aufrütteln und modernisieren will. © dpa | Eric Feferberg
    Der haushohe Sieg bei der Parlamentswahl gibt Macron ausreichend Rückhalt für sein Reformprogramm.
    Der haushohe Sieg bei der Parlamentswahl gibt Macron ausreichend Rückhalt für sein Reformprogramm. © Getty Images | Sylvain Lefevre
    Der achte Präsident der Fünften Republik will die französische Wirtschaft wieder in Schwung bringen.
    Der achte Präsident der Fünften Republik will die französische Wirtschaft wieder in Schwung bringen. © dpa | Valentin Flauraud
    Dafür plant er unter anderem eine Lockerung des Arbeitsrechts.
    Dafür plant er unter anderem eine Lockerung des Arbeitsrechts. © dpa | Etienne Laurent
    Ob das an seiner Beliebtheit kratzen wird?
    Ob das an seiner Beliebtheit kratzen wird? © REUTERS | POOL
    Macron, die mächtigste Frau Europas und der mächtigste Mann der Welt: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der US-Präsident Donald Trump sind zwei Spitzenpolitiker, an denen Macron seit seinem Amtsantritt ganz wesentlich seine Selbstdarstellung ausgerichtet hat.
    Macron, die mächtigste Frau Europas und der mächtigste Mann der Welt: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der US-Präsident Donald Trump sind zwei Spitzenpolitiker, an denen Macron seit seinem Amtsantritt ganz wesentlich seine Selbstdarstellung ausgerichtet hat. © REUTERS | REUTERS / POOL
    Auf dem EU-Gipfel in Brüssel (Belgien) am 28. Juni 2018 zeigte der selbstbewusste junge Staatschef demonstrativ die Nähe zu Merkel.
    Auf dem EU-Gipfel in Brüssel (Belgien) am 28. Juni 2018 zeigte der selbstbewusste junge Staatschef demonstrativ die Nähe zu Merkel. © dpa | Geert Vanden Wijngaert
    Auch den amerikanischen Präsidenten Donald Trump traf Macron 2017.
    Auch den amerikanischen Präsidenten Donald Trump traf Macron 2017. © Getty Images | Matt Cardy
    In Frankreich trifft Macron auch auf viel Widerstand mit seiner Politik. Hier protestieren in Paris Demonstranten gegen Macrons Plan für eine Justizreform.
    In Frankreich trifft Macron auch auf viel Widerstand mit seiner Politik. Hier protestieren in Paris Demonstranten gegen Macrons Plan für eine Justizreform. © dpa | Francois Mori
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    Der FDP-Politiker sagt: „Wir brauchen auch in der Politik einen geschützten Raum für Kommunikation.“ Und er fragt, was man aus diesem Argument denn schlussfolgern solle: Dass deutsche Politiker ihre Daten gleich selbst an den russischen Geheimdienst weitergeben?

    Leaks auch aus dem linken Lager

    Sind rechtspopulistische Positionen also der beste Schutz gegen Hacker? Nicht unbedingt: Linke AfD-Gegner veröffentlichten im Mai 2015 die Namen, Adressen und Telefonnummern von rund 2000 Parteimitgliedern im Internet.

    Brantner befürchtet, dass von Hackern geleakte Politiker-Mails auch dann Schaden anrichten, wenn sie gar keine heißen Informationen enthalten. Sie sagt: „In einer so großen Datenmenge findet sich immer etwas, was zur Skandalisierung taugt, wenn man es aus dem Zusammenhang gerissen präsentiert.“ Sie wünscht sich deshalb für den Bundestagswahlkampf, dass politische Gegner in so einem Fall „sehr sorgfältig und mit Bedacht reagieren, lieber einmal zu spät oder zu wenig attackieren, als einmal zu viel, basierend auf „Fake News“.“

    Fake News ebenso Wahlmanipulation

    CDU-Innenexperte Bosbach setzt sein Vertrauen in die europäischen Wähler. Er glaubt nach der Cyber-Attacke auf „En Marche!“: „Das wird Macron keine einzige Stimme kosten.“

    Allerdings weisen alle Politiker darauf hin, dass die Veröffentlichung interner Daten nur eine von verschiedenen aktuell praktizierten Methoden zur Manipulation politischer Entscheidungen sei. Mindestens genauso relevant seien Falschmeldungen und finanzielle Unterstützung aus undurchsichtigen Quellen.

    Wie erkenne ich Fake News?

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      Ein Beispiel dafür ist nach Ansicht von FDP-Politiker Lambsdorff die „Vereinigung zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“. Der Verein hat schon für mehrere Landtagswahlkämpfen Plakate und Wurfsendungen drucken lassen, die für die AfD werben. Lambsdorff ärgert sich: „Es ist hochgradig unbefriedigend, dass bislang nicht aufgeklärt werden konnte, woher das Geld stammt, mit dem dieser ominöse Verein Wahlkampfhilfe für die AfD leistet.“ (dpa/san)

      Die Kontrahenten bei der Frankreich-Wahl

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