Paris. Emmanuel Macron hat die erste Runde der Frankreich-Wahl gewonnen. Er gilt nun als klarer Favorit für die Stichwahl in zwei Wochen.

Ganz egal, in welcher Stadt Frankreichs Emmanuel Macron in den letzten Wochen vor der Wahl auch um Stimmen warb – die Auftritte des parteilosen Präsidentschaftskandidaten, seine von hämmernder Musik und rotierenden Scheinwerferkegeln untermalten Wahlkampfveranstaltungen glichen der durchinszenierten Show eines Popstars. Keiner der übrigen Bewerber um das höchste Amt im Staat vermochte es, so mühelos riesige Säle zu füllen; keiner löst bei seinem Publikum eine solche Euphorie aus.

Emmanuel Macron, dessen Charme und jugendliche Unbeschwertheit an den John Kennedy der 50er-Jahre erinnert, ist ein Phänomen. Selbst erfahrene Journalisten bezeichnen ihn als UPO (Unidentifiziertes politisches Objekt). Nun steht er vor dem Triumph – der Sieg bei der Stichwahl am 7. Mai gegen die Rechte Marine Le Pen scheint ihm sicher zu sein.

Wie die Nachteile zu Vorteilen wurden

So ziemlich alles, was Macron zu einer Besonderheit macht, müsste ihn eigentlich als Präsidentschaftskandidat disqualifizieren: Er nicht einmal 40 Jahre alt, gehört keiner Partei an, hat sich als politischer Quereinsteiger noch nie zuvor einer Wahl gestellt – und zielt mit seinem linksliberalen, sich der klassischen Rechts-Links-Konfrontation konsequent verweigernden Programm auf eine politische Mitte, deren Repräsentanten in der V. französischen Republik noch nie vom Griff nach dem Elysée-Palast träumen durften.

Während seine Konkurrenten die Lehre verinnerlicht hatten, der zufolge sich mit dem Thema Europa keine Wahlen gewinnen lassen, schmückte Macron seine Veranstaltungen mit der Europaflagge statt mit der Trikolore und ersetzte die wohlfeile Brüssel-Schelte durch vibrierende pro-europäische Plädoyers. Und wenn die übrigen Bewerber mal wieder Angela Merkels Flüchtlingspolitik kritisierten, sprach Macron der deutschen Kanzlerin bewegt seine Dankbarkeit aus, weil sie „die Ehre Europas gerettet hat“.

Macron ist ein Antipopulist

Wofür aber steht der von seinen Fans als „Obama Frankreichs“ gefeierte Kandidat? Für das Liberale, das Progressive, das Weltoffene und das Furchtlose lautet die auf das Wesentliche komprimierte Antwort. Macron ist ein Antipopulist, insbesondere im Vergleich mit seiner rechtsextremistischen Widersacherin Marine Le Pen. Wo die Chefin des Front National versucht, die Ängste ihre Mitbürger zu instrumentalisieren, will Macron den Franzosen Selbstvertrauen sowie Zuversicht in eine bessere Zukunft einflößen.

Obama for President - aber in Frankreich

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    Gegner Macrons spotten gerne über dessen „messianisches Sendebewusstsein“ – und zollen damit ungewollt der verblüffenden Selbstsicherheit des Polit-Youngsters Anerkennung. Fraglos weiß der studierte Philosoph und Ex-Banker ganz genau, was er will. Und auch, wie er dort hinkommt. So grenzte er sich bewusst von den Traditionsparteien ab, als er vor einem Jahr – noch als Wirtschaftsminister der sozialistischen Regierung – seine eigene Bewegung „En Marche!“ (Auf geht’s!) gründete.

    Erfolg mit „Graswurzel“-Bewegung

    Erst im vergangenen August verließ Macron das Kabinett, um sich als Präsidentschaftskandidat in Stellung zu bringen. Es war der offene Bruch mit seinem Mentor François Hollande und nach landläufiger Meinung ein Himmelfahrts-Kommando. Doch dank der sozialen Netzwerke wuchs die „Graswurzel“-Bewegung „En marche!“ rasant. Deren mittlerweile 230.000 Mitglieder führten eine Tür-zu-Tür-Befragung im ganzen Land durch, die Ergebnisse flossen in Macrons Programm ein.

    Es ist dieses Programm, eine sorgfältig austarierte Mischung aus wirtschaftsliberalen und sozialen Maßnahmen, an denen sich die Konkurrenten die Zähne ausbeißen. Zu ihm gehört eine Reform der Rentenversicherung, ein umfangreiches Investitionsprogramm, eine Lockerung des Arbeitsrechts, die Modifikation der 35-Stunden-Woche und die Abschaffung der Wohnsteuer.

    Er will mit allen „Progressisten“ reden

    Außerdem ist die Einführung eines Zivildienstes geplant, eine ökologische Energiewende, höhere Renten und die Einstellung von 5000 Gendarmen zur Sicherung von Europas Außengrenzen. Nicht zuletzt versprach Macron als einziger Kandidat, das EU-Defizitkriterium von drei Prozent einzuhalten.

    Macron warnt vor Verlust des Euro

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      Macron hat angekündigt, sowohl mit der gemäßigten Linken als auch mit der gemäßigten Rechten und natürlich mit den Zentrumsparteien zusammenarbeiten zu wollen – also mit allen „Progressisten“. Und deren Zahl wächst täglich. Sie umfasst neben politischen Neubekehrten viele enttäuschte Konservative oder frustrierte Sozialisten. Zudem sind mittlerweile neben Dutzenden Abgeordneten und Senatoren der Traditionsparteien auch prominente Politiker wie der Chef der Zentrumspartei MoDem, François Bayrou, der grüne Ex-Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit oder der Verteidigungsminister und Hollande-Vertraute Yves Le Drian in Macrons Lager übergelaufen.

      Freilich verdankt Macron seinen Erfolg nicht nur seinem Charisma. Alles spielte ihm zu – der Wahlverzicht von Präsident François Hollande, das Ausscheiden des gemäßigten Konservativen Alain Juppé und natürlich die Justizaffären, in die seine Hauptrivalen François Fillon und Le Pen verwickelt sind.

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