Köln. Die AfD will auf ihrem Parteitag über ihr Wahlprogramm und Spitzenkandidaten entscheiden. Die Partei ist jedoch völlig zerstritten.

AfD-Chefin Frauke Petry ist beim Bundesparteitag in Köln mit dem Versuch gescheitert, eine Abstimmung über die von ihr favorisierte „realpolitische Strategie“ der Partei herbeizuführen. Auch weitere Anträge zur ideologischen Ausrichtung der Partei wurden verworfen. Die 600 Delegierten entschieden, zusätzliche Tagesordnungspunkte gar nicht zuzulassen.

Damit war neben Petrys „Zukunftsantrag“ auch ein Vorstoß des Bremer Landesverbandes vom Tisch, das vom Bundesvorstand angestrebte Parteiausschlussverfahren gegen den Thüringer Fraktionschef Björn Höcke nicht weiter zu verfolgen.

Petry versus Gauland und Meuthen

Petry will ihre Partei auf einen „realpolitischen Kurs“ festlegen. Das lehnt der rechtsnationale Flügel der Partei um den Rechtsaußen Björn Höcke ab. Die Frage gilt auch als Machtprobe zwischen Petry und ihren Rivalen um Parteivize Alexander Gauland und Co-Parteichef Jörg Meuthen.

Petry hatte auf dem Bundesparteitag der AfD in Köln alles auf eine Karte gesetzt. Ungeachtet der Kritik von Parteifreunden warb sie am Samstag in ihrer Eröffnungsrede für den von ihr favorisierten „realpolitischen Kurs“. Dies sei notwendig, weil das Bild der Partei in der Öffentlichkeit sonst zu stark von einer lauten Minderheit bestimmt werde, sagte die AfD-Bundesvorsitzende.

AfD bemüht sich um Geschlossenheit

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    Sie verstehe, dass viele Parteimitglieder die Auseinandersetzung scheuten. Dies sei emotional zwar verständlich, aber es sei „nicht mutig“, sagte sie in Anspielung auf das Parteimotto „Mut zur Wahrheit“. Vor Beginn der Rede Petrys hatte sich ein Teil der Delegierten noch erhoben, um der Vorsitzenden zuzujubeln. Sie riefen: „Frauke, Frauke.“ Doch die Mehrheit der Delegierten stimmte schließlich trotzdem gegen eine Abstimmung über Petrys „Zukunftsantrag.

    Den Verzicht auf eine Richtungsentscheidung wertete Petry hinterher als gefährlichen Irrweg ihrer Partei. „Ich glaube, dass die Partei hier einen Fehler macht“, sagte Petry am Rande des Parteitags vor Journalisten.

    Meuthen weist Petrys Vorschläge zurück

    AfD-Vize Jörg Meuthen widersprach Petry. Mit Blick auf den „Zukunftsantrag“ sagte Meuthen, er halte eine Unterteilung in „realpolitisch“ und „fundamental-oppositionell“ für eine „trügerische Wahrnehmung“. Debatten darüber seien nicht hilfreich.

    Meuthen griff in einer umjubelten Rede beim Bundesparteitag in Köln vor allem die Zuwanderungspolitik an. „Ich sage das wirklich ohne jede Übertreibung: Ich sehe noch vereinzelt Deutsche.“ Ein „ungeheures Maß an wie auch immer in unser Land gekommenen Migranten“ verwandle Deutschland, das „kaum mehr etwas mit dem Land zu tun hat, in dem ich groß geworden bin“.

    AfD-Parteitag wählt Spitzenkandidaten

    Offiziell stehen zwei wichtige Punkte auf der Tagesordnung des zweitägigen AfD-Treffens: die „Beschlussfassung über die Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl“ und die Verabschiedung eines Wahlprogramms. Welche Mitglieder der völlig zerstrittenen Parteispitze am Sonntag als Sieger auf dem Podium stehen werden, ist noch völlig offen.

    Ein Antrag, die Wahl der Spitzenkandidaten von der Tagesordnung zu streichen, wurde am Samstag auf dem AfD-Bundesparteitag in Köln abgelehnt. Gestellt hatte ihn Parteivize Albrecht Glaser. Er gilt als Unterstützer von Parteichefin Frauke Petry.

    Trotz schwindender Unterstützung will AfD-Chefin Frauke Petry ihrer Partei vorerst nicht den Rücken kehren. Sie werde ihre Verantwortung als Bundesvorsitzende weiterhin wahrnehmen, sagte Petry.

    Unklar, wann die Spitzenkandidaten gekürt werden

    Petry hatte nach monatelangem Machtgerangel erklärt, sie stehe als Spitzenkandidatin nicht zur Verfügung. Hätte der Parteitag nun beschlossen, kein Spitzenteam zu bestimmen, stünde sie als Parteivorsitzende und bekannteste Persönlichkeit der AfD faktisch weiterhin in der ersten Reihe. Das war somit der zweite Dämpfer, den Petry in Köln erhielt.

    Ob das Spitzenteam am Samstag oder Sonntag gewählt werden sollte, blieb zunächst offen. Als mögliche Kandidaten gelten Alice Weidel aus Baden-Württemberg sowie die stellvertretenden Parteivorsitzenden Alexander Gauland und Beatrix von Storch. Weidel gilt als Vertreterin der Wirtschaftsliberalen. Von Storch und Gauland sind Wunschkandidaten der Rechtsnationalen.

    Sinkende Werte für die AfD in Umfragen

    Weidel warb vor dem Parteitag für mehr Geschlossenheit. Primärziel müsse es sein, „mit maximaler Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen“, sagte Weidel. „Alle anderen Belange sind diesem Ziel bedingungslos unterzuordnen.“ Bei einer Vorstandssitzung am Freitag in Köln hatte es nach Angaben aus Parteikreisen zuvor keine Einigung im wochenlangen Macht- und Richtungskampf gegeben.

    Die Nervosität in der Parteispitze angesichts der Querelen hat einen Grund auch in den langsam wieder sinkenden Umfragewerten der Partei. Zuletzt lag sie in den Umfragen auf Bundesebene zwischen 7 und 10 Prozent. Im vergangenen Herbst hatte sie teils 16 Prozent erreicht. (dpa)