Washington/Damaskus. Die USA haben auf den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien reagiert und militärische Ziele in dem Bürgerkriegsland angegriffen.

  • Wenige Tage nach einem mutmaßlichen Giftgasangriff lässt US-Präsident Trump einen Flughafen der syrischen Armee bombardieren
  • Er ruft zu einer internationalen Koalition auf, um das „Schlachten“ in dem Bürgerkriegsland zu beenden
  • Russland verurteilt den Angriff

Die Krise in Syrien droht nach einem US-Luftangriff weiter zu eskalieren. Der amerikanische Präsident Donald Trump ließ als Reaktion auf einen mutmaßlichen Giftgasangriff einen Luftwaffenstützpunkt in dem Bürgerkriegsland bombardieren. Dabei kamen nach syrischen Regierungsangaben mindestens fünf Menschen ums Leben, darunter zwei Zivilisten. Russlands Präsident Wladimir Putin verurteilte das Bombardement nach Angaben aus Moskau als Angriff auf die Souveränität Syriens.

Dem US-Verteidigungsministerium zufolge wurden von Kriegsschiffen im Mittelmeer 59 Raketen des Typs Tomahawk abgeschossen. Trump sagte am späten Donnerstagabend (Ortszeit), er habe den Luftangriff in einem Akt der Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen angeordnet. Mit dem Giftgasangriff vor wenigen Tagen, bei dem zahlreiche Menschen getötet wurden, habe Syrien seine internationalen Verpflichtungen sowie UN-Resolutionen verletzt.

Putin: USA greift unter ausgedachtem Vorwand an

Russland verurteilte das US-Vorgehen. „Präsident (Wladimir) Putin hält die amerikanischen Angriffe für eine Aggression gegen einen souveränen Staat, gegen das Völkerrecht, dazu noch mit einem erdachten Vorwand“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau. Die syrische Armee habe keine Chemiewaffen mehr, das habe nach der Entwaffnung auch die zuständige UN-Organisation bestätigt.

US-Militärschlag gegen syrische Armee

Das US-Militär hat in der Nacht zu Freitag einen Luftwaffenstützpunkt der syrischen Armee angegriffen. Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums wurden 59 „Tomahawk“-Raketen von zwei Kriegsschiffen im östlichen Mittelmeer abgefeuert. Die USA begründeten ihr Vorgehen als Reaktion auf den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien, bei dem am Dienstag mindestens 70 Menschen getötet wurden.
Das US-Militär hat in der Nacht zu Freitag einen Luftwaffenstützpunkt der syrischen Armee angegriffen. Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums wurden 59 „Tomahawk“-Raketen von zwei Kriegsschiffen im östlichen Mittelmeer abgefeuert. Die USA begründeten ihr Vorgehen als Reaktion auf den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien, bei dem am Dienstag mindestens 70 Menschen getötet wurden. © dpa | Robert S. Price
Bei dem US-Angriff auf den Militärflugplatz in Syrien sind mehrere Menschen getötet worden. Es habe zudem Verletzte und großen materiellen Schaden gegeben, heißt es in einer Erklärung der Militärführung in Damaskus.
Bei dem US-Angriff auf den Militärflugplatz in Syrien sind mehrere Menschen getötet worden. Es habe zudem Verletzte und großen materiellen Schaden gegeben, heißt es in einer Erklärung der Militärführung in Damaskus. © REUTERS | HANDOUT
Trump sagte am späten Donnerstagabend (Ortszeit), er habe den Luftschlag angeordnet in einem Akt der Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen.
Trump sagte am späten Donnerstagabend (Ortszeit), er habe den Luftschlag angeordnet in einem Akt der Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen. © dpa | Ford Williams
Mit dem Giftgasangriff am Dienstag, bei dem zahlreiche Menschen getötet wurden, habe Syrien seine internationalen Verpflichtungen sowie UN-Resolutionen verletzt.
Mit dem Giftgasangriff am Dienstag, bei dem zahlreiche Menschen getötet wurden, habe Syrien seine internationalen Verpflichtungen sowie UN-Resolutionen verletzt. © dpa | Ford Williams
Die Satellitenaufnahme zeigt das al-Shayrat Flugfeld in Syrien. Der angegriffene Flugplatz in der Nähe des Ortes Al-Schairat ist nach staatlichen syrischen Angaben stark zerstört worden.
Die Satellitenaufnahme zeigt das al-Shayrat Flugfeld in Syrien. Der angegriffene Flugplatz in der Nähe des Ortes Al-Schairat ist nach staatlichen syrischen Angaben stark zerstört worden. © dpa | ---
Die „Tomahawk“ ist der bekannteste Marschflugkörper der USA. Die Waffe gibt es in verschiedenen Versionen mit Reichweiten bis zu 2.500 Kilometern. Sie sind auf Schiffen und U-Booten stationiert.
Die „Tomahawk“ ist der bekannteste Marschflugkörper der USA. Die Waffe gibt es in verschiedenen Versionen mit Reichweiten bis zu 2.500 Kilometern. Sie sind auf Schiffen und U-Booten stationiert. © REUTERS | HANDOUT
„Tomahawks“ wurden unter anderem im Golfkrieg 1991 und im Irakkrieg 2003 massiv eingesetzt.
„Tomahawks“ wurden unter anderem im Golfkrieg 1991 und im Irakkrieg 2003 massiv eingesetzt. © dpa | Ford Williams
Technische Daten und schematische Darstellung der Flugbahn eines Marschflugkörpers.
Technische Daten und schematische Darstellung der Flugbahn eines Marschflugkörpers. © dpa-infografik | dpa-infografik GmbH
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat den US-Luftangriff verteidigt. „Es war kaum erträglich, mit ansehen zu müssen, dass der Weltsicherheitsrat nicht in der Lage war, klar und eindeutig auf den barbarischen Einsatz chemischer Waffen gegen unschuldige Menschen in Syrien zu reagieren“, erklärte Gabriel am Freitag am Rande seiner Mali-Reise in Bamako.
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat den US-Luftangriff verteidigt. „Es war kaum erträglich, mit ansehen zu müssen, dass der Weltsicherheitsrat nicht in der Lage war, klar und eindeutig auf den barbarischen Einsatz chemischer Waffen gegen unschuldige Menschen in Syrien zu reagieren“, erklärte Gabriel am Freitag am Rande seiner Mali-Reise in Bamako. © dpa | Robert S. Price
Entscheidend sei jetzt aber, „zu gemeinsamen Friedensbemühungen unter dem Dach der UN zu kommen“, sagte Gabriel weiter. Es müsse eine politische Lösung des Konflikts geben. „Nur ein neues und demokratisches Syrien wird dauerhaften Frieden bringen.
Entscheidend sei jetzt aber, „zu gemeinsamen Friedensbemühungen unter dem Dach der UN zu kommen“, sagte Gabriel weiter. Es müsse eine politische Lösung des Konflikts geben. „Nur ein neues und demokratisches Syrien wird dauerhaften Frieden bringen. © dpa | Ford Williams
Dieses Videostandbild des von der syrischen Regierung kontrollierten Fernsehsenders „Syrian official TV“ zeigt beschädigte und ausgebrannte Flugzeughangars auf dem syrischen Luftwaffenstützpunkt al-Shayrat südöstlich der Stadt Homs.
Dieses Videostandbild des von der syrischen Regierung kontrollierten Fernsehsenders „Syrian official TV“ zeigt beschädigte und ausgebrannte Flugzeughangars auf dem syrischen Luftwaffenstützpunkt al-Shayrat südöstlich der Stadt Homs. © dpa | ---
Auch auf diesem Bild ist die Zerstörung durch den Angriff zu sehen.
Auch auf diesem Bild ist die Zerstörung durch den Angriff zu sehen. © REUTERS | REUTERS TV
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Russland ist der wichtigste Verbündete Syriens. Seit September 2015 fliegt Russlands Luftwaffe Angriffe in dem Land. Sie richten sich gegen die Terrormiliz IS ebenso wie gegen Rebellen, die mit der Terrormiliz verfeindet sind.

Kehrtwende in der US-Syrienpolitik

Der Flugplatz Al-Schairat nahe der Stadt Homs in Zentralsyrien.
Der Flugplatz Al-Schairat nahe der Stadt Homs in Zentralsyrien. © DigitalGlobe | HANDOUT

Der US-Präsident hatte den syrischen Staatschef Baschar al-Assad für den mutmaßlichen Giftgasangriff verantwortlich gemacht, der international Entsetzen ausgelöst hatte. Dabei kamen Aktivisten zufolge mehr als 80 Menschen ums Leben. Syriens Regierung wies die Verantwortung zurück.

Die US-Regierung hat mit dem Angriff eine Kehrtwende in der Syrien-Politik vollzogen. US-Außenminister Rex Tillerson hatte vor einer Woche bei einem Besuch in der Türkei gesagt, das Schicksal Assads werde vom syrischen Volk entschieden. Das war eine Abkehr von der Linie der Vorgängerregierung, die dem Machthaber in Damaskus die Hauptverantwortung für den blutigen Konflikt in dem Bürgerkriegsland zuschob und auf seinen Sturz hinarbeitete.

Trump ruft „alle zivilisierten Nationen“ auf, ihm zu folgen

Trump sagte am Rande eines Treffens mit Chinas Staatschef Xi Jinping in Florida, von dem nun ins Visier genommenen Flugplatz sei vor wenigen Tagen ein Angriff mit Giftgas auf die von Rebellen kontrollierte Stadt Chan Scheichun ausgegangen. Dies sei ein „barbarischer Akt“ gewesen. „Ich rufe heute alle zivilisierten Nationen auf, sich uns anzuschließen“, sagte Trump. Das Blutvergießen in Syrien müsse beendet werden.

Syriens Machthaber Baschar al-Assad während eines Interviews Anfang April.
Syriens Machthaber Baschar al-Assad während eines Interviews Anfang April. © REUTERS | © Sana Sana / Reuters

Nach Darstellung des Verteidigungsministeriums in Washington wurden russische Militärs vor dem Militärschlag informiert. Damit habe ausgeschlossen werden sollen, dass russische Soldaten Opfer des Raketenangriffes werden. Das US-Militär habe darauf geachtet, keine Bereiche des Stützpunktes zu treffen, in denen sich Russen aufhielten oder gelagerte chemische Waffen vermutet würden, berichtete der Nachrichtensender CNN. Man gehe davon aus, dass es keine russischen Opfer gebe.

Das Pentagon veröffentlichte Videomaterial, das den Abschuss der Tomahawk-Raketen von US-Zerstörern zeigt. Die Raketen gelten als präzise.

Auch Zivilisten getötet

Die Luftschläge hätten das Ziel gehabt, die Regierung von Baschar al-Assad von weiteren Chemie-Waffeneinsätzen abzuschrecken, hieß es. Die Zerstörung von Flugzeugen und Infrastruktur werde die Möglichkeiten dazu einzuschränken.

Der Gouverneur der Provinz Homs, Talal Barasi, sagte der Deutschen Presse-Agentur, bei den Toten handele es sich um drei Armeeangehörige und zwei Zivilisten. Er sprach zudem von sieben Verletzten. Der angegriffene Flugplatz in der Nähe des Ortes Al-Schairat sei stark zerstört worden. Die Feuerwehr und Rettungshelfer seien im Einsatz, um einen Brand auf dem Flugplatz unter Kontrolle zu bringen und die Opfer zu bergen, teilte Barasi mit. Aus syrischen Militärkreisen hieß es, bei dem Angriff seien zwei Start- und Landebahnen zerstört worden. Auch Treibstofflager seien getroffen worden.

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Aus syrischen Militärkreisen hieß es, die meisten Kräfte seien vor der Bombardierung von der Basis abgezogen worden. Der regierungsnahe TV-Kanal Al-Mayadeen meldete, Syriens Luftwaffe habe auch die meisten Jets auf dem Flugplatz vor dem Angriff in Sicherheit gebracht.

Saudi-Arabien begrüßt Luftangriff

Dieses von der US-Navy zur Verfügung gestellte Foto zeigt den Zerstörer USS Ross, eines der zwei an dem Angriff beteiligten Schiffe.
Dieses von der US-Navy zur Verfügung gestellte Foto zeigt den Zerstörer USS Ross, eines der zwei an dem Angriff beteiligten Schiffe. © dpa | Ford Williams

Der Iran, ebenfalls ein Verbündeter Syriens, verurteilte den US-Luftangriff scharf. „Diese militärischen Alleingänge sind gefährlich und schädlich“, sagte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi laut Nachrichtenagentur ISNA. In der derzeitigen Lage würden diese Einsätze nur die Terroristen stärken, die Krise in Syrien noch weiter eskalieren lassen und Hoffnungen auf eine politische Lösung noch mehr erschweren.

Saudi-Arabien, der Erzrivale des Irans in der Gegend, begrüßte hingegen den Luftangriff als „mutige Entscheidung“ Trumps. Das Königreich unterstütze die amerikanische Militäroperation voll und ganz, meldete die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA unter Berufung auf das Außenministerium in Riad. Der Angriff sei eine Antwort auf die Verbrechen des syrischen Regimes gegen sein Volk.

Tillerson: Russland hätte chemische Waffen zerstören müssen

US-Außenminister Tillerson erhob schwere Vorwürfe gegen Russland. Russland habe in seiner Verantwortung versagt. Er verwies auf Zusagen Russlands, chemische Waffen in Syrien zu sichern und zu zerstören. Die USA hätten vor dem Luftangriff keine Kontakte mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gehabt.

Trump und Tillerson hatten nur Stunden vor dem Luftschlag den Druck auf die Regierung Assads erhöht. Trump sagte mit Blick auf Assad: „Ich denke, er ist der, der die Dinge verantwortet. Und ich denke, es sollte etwas passieren.“ Die USA wollten eine internationale Koalition schmieden, um Assad abzulösen, sagte Tillerson. Der UN-Sicherheitsrat hatte sich zuvor bei einer Sondersitzung in New York erneut nicht auf eine neue Syrien-Resolution verständigen können. (dpa)