Istanbul . Der deutsche Generalkonsul besuchte den in der Türkei inhaftierten Journalisten. In einer Botschaft wendet sich Yücel an Unterstützer.
Rund sieben Wochen nach der
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des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel hat die Türkei deutschen Diplomaten erstmals Zugang zu dem Inhaftierten gewährt. Am Dienstag besuchte Generalkonsul Georg Birgelen den 43-Jährigen im Gefängnis westlich von Istanbul. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, informierte anschließend in einem Pressegespräch über den Besuch des Generalkonsul bei Yücel.
„Es geht ihm den Umständen entsprechend gut“, sagte Roth über den inhaftierten „Welt“-Korrespondenten. Man habe den Eindruck, dass sich die Haftbedingungen verbessert hätten. Allerdings werde die Einzelhaft von ihm „als sehr belastend empfunden“.
Vorwurf: Volksverhetzung und Terrorpropaganda
Die türkischen Behörden hatten dem Auswärtigen Amt am Montag mitgeteilt, dass Yücel ab sofort von der Botschaft betreut werden dürfe. Bislang hatten deutsche Diplomaten keinerlei Zugang zu ihm.
Dem Journalisten werden Volksverhetzung sowie Terrorpropaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die von Ankara geächtete Gülen-Bewegung vorgeworfen. Ankara macht die Gülen-Bewegung für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich.
Yücel dankt für Solidarität
Bereits vor dem Besuch hatte sich Yücel für die große Solidarität bedankt. „Da ich keine Briefe schreiben darf, übermittele ich diese Nachricht mündlich über meine wunderbaren Anwälte“, heißt es in einer von der „Welt“ am Dienstag veröffentlichten Botschaft Yücels.
„Auch wenn ich weiterhin in Isolationshaft gehalten werde und auch wenn das faktische Briefverbot fortbesteht, dringt die vielfältige Unterstützung, die Sie mir und meinen in der Türkei inhaftierten Kollegen zukommen lassen, bis hierher durch. Dafür meinen großen, herzlichen Dank!“
Yücel ruft zu Solidaritäts-Abos auf
Yücel rief in seiner Nachricht zu Solidaritäts-Abos der regierungskritischen Zeitungen „Cumhuriyet“, „Birgün“ und „Evrensel“ auf, wofür „man nicht in der Türkei“ leben müsse. „Und um für ein paar Euro einen konkreten Beitrag zur Unterstützung der Pressefreiheit in der Türkei zu leisten, muss man nicht einmal Türkisch können.“
Weiter hieß es: „Dass mir illegalerweise keine Briefe und Postkarten zugestellt werden, ist natürlich kein Grund, mir nicht zu schreiben. Im Gegenteil.“ Gefolgt wird die Nachricht von der Anschrift der Haftanstalt Silivri, in der Yücel seit fünf Wochen inhaftiert ist. Zuvor war er bereits zwei Wochen in Polizeigewahrsam.
Deutscher Diplomat setzt sich für Pressefreiheit ein
Mit Generalkonsul Georg Birgelen schickte das Auswärtige Amt einen Mann zu Deniz Yücel, der kaum besser für die heikle diplomatische Mission geeignet zu sein scheint. Birgelen hatte zuvor bereits Kontakt zu Journalisten gesucht, die Repressalien der türkischen Regierungspartei AKP zu spüren bekamen. Wenige Tage nach Angriffen von AKP-Anhängern auf die Redaktion der Zeitung Hürriyet im September 2015 hatte der Diplomat die Redaktion besucht. Gemeinsam mit seinen Kollegen aus Frankreich und Großbritannien machte Birgelen klar, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten genau verfolgen würden, ob die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei eingehalten werden.
In der Auseinandersetzung zwischen der Bundesregierung und der türkischen Regierung hatte Birgelen im vergangenen Juni indirekt Rückhalt aus der türkischen Bevölkerung erfahren. So hatte der Schulleiter einer türkisch-deutschen Eliteschule den Generalkonsul gebeten, bei einer Absolventenfeier auf ein Grußwort zu verzichten. Der Schulleiter begründete dies damit, dass das Erziehungsministerium Unmutsbekundungen der Schüler erwarte. Der deutsche Bundestag hatte kurz zuvor Massaker des Osmanischen Reiches an Armeniern in einer Resolution als Völkermord bezeichnet.
Nachdem Birgelen die Veranstaltung verlassen hatte, drehten die Schüler dem Schulleiter den Rücken zu – als Zeichen genereller Ablehnung gegen die Schulleitung. Die Abreise des Generalkonsuls war somit zum Symbol dieses Konfliktes geworden.
Bundesweite Demos für Deniz Yücel
Bundesweite Demos für Deniz Yücel
Große Freude in der „Welt“-Redaktion
Außenminister Sigmar Gabriel hatte am Montag am Rande seiner Gespräche in Luxemburg erklärt, er habe seinen Kollegen Mevlüt Cavusoglu am Freitag nochmals gebeten, dass Deutschland Zugang zu Yücel erhält. Nun gebe es endlich Gelegenheit, „uns nach schweren Tagen der Haft von seinem Wohlbefinden zu überzeugen“.
Auch der Chefredakteur von „WeltN24“, Ulf Poschardt, zeigte sich erleichtert, dass Yücel endlich Besuch von deutschen Diplomaten bekommen konnte. Das sei auch aus psychologischer Sicht sehr wichtig, sagte Poschardt am Dienstag im rbb-Inforadio. Yücel sitze in Einzelhaft, und er sei ein sehr kommunikativer Kollege, sagte Poschardt. „In der Redaktion herrscht Gelöstheit. Gleichzeitig springt es um in noch mehr Motivation, etwas für ihn zu tun. Er wünscht sich, dass wir ihm noch mehr Briefe und Karten schreiben, auch wenn er die nicht kriegt. Aber seine Anwälte halten ihn darüber auf dem Laufenden“, so Poschardt.
Poschardt hofft auf Entspannung der Situation
Weiter sagte Poschardt, Yücel sei „in bester Form“, er verfolge das Geschehen in Deutschland mit Spannung. Poschardt äußerte grundsätzlich die Hoffnung, dass sich die Stimmung in der Türkei nach dem Referendum über die umstrittene Verfassungsreform am 16. April entspannt. „Ich glaube, dass viel von der Rhetorik, die wir in den vergangenen Wochen hatten, auch dieser speziellen Wahlkampfsituation geschuldet war.“
Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim hatte nach Angaben des Auswärtigen Amts der Bundesregierung schon Anfang März zugesagt, dass Botschaftsmitarbeiter Zugang zu Yücel erhalten – dieser wurde aber zunächst nicht gewährt. Die Türkei ist auch nicht dazu verpflichtet, eine konsularische Betreuung zu gewähren – da Yücel nicht nur deutscher, sondern auch türkischer Staatsbürger ist. (dpa/jei/ac)