Berlin. Viele Versicherte unterschätzen angeblich, wie lange sie Rente beziehen werden. So komme die private Vorsorge fürs Alter oft zu kurz.

Mehr als 31 Millionen Bürger bekommen mindestens einmal im Jahr Post von der Deutschen Rentenversicherung. In dem Schreiben erfahren sie, wie hoch ihre Rente ausfallen wird. Auch der Hinweis, dass eine zusätzliche Vorsorge dringend empfohlen wird, fehlt nicht.

Geht es nach der Versicherungswirtschaft, dann steht in dem Brief künftig auch die statistische Lebenserwartung des Versicherten. „Die meisten Deutschen unterschätzen, wie alt sie werden. Das ist fatal“, sagte Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) dieser Redaktion.

Wer seine statistische Lebenserwartung nicht kenne, sorge womöglich nicht ausreichend für das Alter vor, glaubt der Verbandschef. Daraus resultiere das Risiko, dass das Geld nicht für den Lebensabend reiche. Wenn in der Renteninformation aber stehe, wie alt man wahrscheinlich werde, dann führe das zu einem „stärkeren Bewusstsein für die private Altersvorsorge“.

Niedrige Zinsen setzen Versicherer unter Druck

Das Thema treibt die Versicherungsbranche um, weil Spitzenpolitiker wie CSU-Chef Horst Seehofer die Riesterrente als „gescheitert“ bezeichnet haben und private Altersvorsorge ganz generell wegen der niedrigen Zinsen unter Druck ist. Zwar verkaufen große Versicherungskonzerne wie die Allianz oder die Axa inzwischen wieder mehr

Auch interessant

Aber die Lage bleibt für die Branche schwierig, vor allem im Bundestagswahlkampf, der sich um die Themen Rente und Altersarmut drehen wird.

Schulz setzt in Arbeitsmarktpolitik auf Qualifizierung

weitere Videos

    Verbandspräsident Erdland versucht deshalb, das Bewusstsein für die private Altersvorsorge zu schärfen. „Eine heute 65-jährige Frau hat durchschnittlich noch knapp 23 Jahre vor sich. Ihre 30-jährige Tochter kann mit 65 hingegen schon fast 26 Jahre erwarten“, rechnet er vor.

    Deutsche Rentenversicherungen offen für Vorschlag

    Würde in der jährlichen Renteninformation auch die Lebenserwartung ausgewiesen, dann ließe sich möglicherweise auch die Debatte über eine Anhebung des Renteneintrittsalters versachlichen, glaubt Erdland: „Wenn junge Menschen erkennen, dass sie trotz Rente mit 67 einen längeren Ruhestand erwarten können als ihre Eltern, werden sie eher bereit sein, einen Teil der gewonnenen Zeit dem Job zu widmen.“

    Die Deutsche Rentenversicherung zeigt sich grundsätzlich offen für den Vorschlag, die Informationsbriefe zu überarbeiten. „Der Hinweis, dass die Lebenserwartung und damit die voraussichtliche Laufzeit der Rentenzahlungen von vielen Menschen unterschätzt wird, ist vermutlich zutreffend“, sagte ein Sprecher. Dies sei auch ein Grund, dass die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente unterschätzt würde.

    Private Versicherer hinken wohl selbst hinterher

    Die durchschnittliche Rentenbezugszeit sei in den letzten 20 Jahren um rund vier Jahre gestiegen; die Menschen bekämen eine höhere Gegenleistung für ihren Beitrag und das bei einem Beitragssatz auf dem Niveau wie Mitte der 80er-Jahre. „Wir werden uns anschauen, ob man die Renteninformation insofern ergänzen kann“, sagte der Sprecher.

    Er verwies zugleich darauf, dass die privaten Versicherer ihre Forderung selbst nicht erfüllen würden: Bislang ist die Lebenserwartung in den Standmitteilungen für private Altersvorsorgeverträge nicht angegeben.

    Viele wissen nicht, was ihnen später bleibt

    Auch in der Politik will man den Rentenversicherten mehr Informationen über ihr Alterseinkommen geben.

    Auch interessant

    kündigte im November in ihrem Alterssicherungskonzept „vollständige, verständliche, verlässliche und vergleichbare Informationen“ aus allen drei Säulen der Altersvorsorge an – also aus der gesetzlichen Rente, den Betriebsrenten und der Riesterrente. Dies sei wichtig, „um einen möglichen zusätzlichen Vorsorgebedarf zu erkennen“.

    Mehr Tadel als Lob für Nahles Rentenpläne

    weitere Videos

      Wann das umgesetzt sein wird, ist offen. Dass viele Menschen nicht wissen, was ihnen später aus den verschiedenen Vorsorgesystemen zum Leben bleibt, treibt auch den CDU-Rentenexperten Karl Schiewerling um: „Wir brauchen eine einheitliche und für alle verständliche Vorsorgeinformation“, sagt er. „Dafür ist es aber notwendig, Rentenversicherung, Versorgungswerke, Anbieter und Arbeitgeber bald an einen Tisch zu holen.“

      Versicherer sollen selbst aktiv werden

      Das aber gestaltet sich schwierig. Seit Jahren schon arbeitet die private Initiative „Deutsche Renteninformation“ daran, die gesetzliche, die betriebliche und die private Altersvorsorge auf einer Internetplattform so zusammenzuführen, dass die Arbeitnehmer den Gesamtbetrag sehen, der ihnen im Alter zur Verfügung steht. Dem Vernehmen nach sperren sich ausgerechnet die privaten Versicherer dagegen.

      Der SPD-Politiker Martin Rosemann, der im Beirat der Initiative sitzt, findet die Idee nach wie vor gut. Er fordert die Versicherungsbranche auf, sich weniger darum zu kümmern, was in den gesetzlichen Renteninformationen steht. „Wichtiger ist, dass die Versicherer selbst eine standardisierte Form für die Information über die private Altersvorsorge entwickeln.“

      Kabinett beschließt Rentenangleichung Ost-West

      weitere Videos