Berlin. Wird auf dem Land rechter gewählt als in der Stadt? Und wählen die Deutschen dort rechts, wo es kaum Ausländer gibt? Ein Faktencheck.

Im vergangenen Jahr sind Rechtspopulisten und Rechtsextreme in mehrere Landtage eingezogen und sitzen in zahlreichen Stadträten. Beobachter erwarten, dass sich dieser Trend auch bei der Bundestagswahl im September fortsetzen wird. Anlass genug für einen Faktencheck über Wahlergebnisse rechter Parteien.

Das Interaktiv-Team der „Berliner Morgenpost“ hat in einer umfassenden Recherche die Wahlergebnisse in allen deutschen Wahlkreisen bei Bundestagswahlen seit 1990 analysiert und in einer Grafik zusammengefasst. Das Interaktiv-Team unterscheidet dabei zwischen rechtspopulistischen Parteien (AfD, Republikanern ab 2006, FWD, Offensive D, Pro DM, Schill, Volksabstimmung) und rechtsextremen Parteien (NPD, Republikaner bis 2006, BfB, DDD, Deutschland, Die Rechte, pro Deutschland).

Drei gängige Thesen zur Wahl rechter Parteien

Mit dieser Grafik lassen sich nicht nur Wahlergebnisse im eigenen Wahlkreis überprüfen, sondern auch gängige Thesen zum Wahlverhalten der vergangenen Jahre überprüfen:

• These 1: Wo die wenigsten Ausländer leben, wird am stärksten rechts gewählt

Anhand der Wahlergebnisse bei Bundestagswahlen seit 1990 lässt sich deutlich zeigen, dass bisher immer dort rechtslastig gewählt wurde, wo verhältnismäßig wenige Zuwanderer leben. Als Beispiel gilt hier der Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Dies war der einzige Kreis, in dem rechtsextreme Parteien bei der Bundestagswahl 2013 zusammen über fünf Prozent der Stimmen kamen. Der Ausländeranteil liegt dort bei 1,5 Prozent. Zum Vergleich: Nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung lag der Ausländeranteil 2015 in ganz Deutschland bei 9,5 Prozent.

Im Gegensatz dazu kamen rechtsextreme Parteien bei der Wahl 2013 in Düsseldorf gemeinsam nicht einmal auf einen Prozent der Stimmen. Mit einem Ausländeranteil von über 18 Prozent galt Düsseldorf laut einer Statistik aus dem Jahr 2010 als Stadt mit dem höchsten Ausländeranteil in Nordrhein-Westfalen.

• These 2: Wo es Gewalt gegen Flüchtlinge gibt, wird schon seit Jahren rechts gewählt

In den vergangenen Monaten hat es vor allem in Sachsen (Freital, Heidenau) Übergriffe auf Flüchtlinge gegeben, die einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden. In diesen Regionen wird zwar seit längerer Zeit rechts gewählt, doch wird die genannte These durch einen anderen Fakt widerlegt.

Daten der Amadeu-Antonio-Stiftung legen nahe, dass Übergriffe auf Flüchtlinge ein bundesweites Phänomen sind. Zwar gab es seit Anfang 2015 in den Großräumen Leipzig und Sachsen jeweils etwa 400 flüchtlingsfeindliche Vorfälle. In der Rhein-Ruhr-Region wurden im gleichen Zeitraum aber ebenfalls über 400 solcher Vorfälle dokumentiert, in Berlin waren es immerhin 300. Die Gewalt findet also unabhängig vom Wahlergebnis statt.

• These 3: Auf dem Land wird eher rechts gewählt als in der Stadt

Diese These lässt sich eindeutig belegen. Laut „Berliner Morgenpost“ haben rechte Parteien seit 1990 in Landgemeinden (unter 5000 Einwohner) immer einen höheren Stimmanteil gehabt als in den Großstädten mit über 100.000 Einwohnern.

Dieser Trend könnte sich allerdings bei der kommenden Bundestagswahl umkehren. Schon 2013 kamen rechtspopulistische Parteien in einigen Ruhrgebietsstädten, in Berlin und in Nürnberg auf über fünf Prozent der Stimmen. Rechtsextreme Parteien sammelten dazu in den Großstädten Duisburg und Gelsenkirchen über drei Porzent der Stimmen ein. Als Symbol für diesen Wandel gilt die AfD, sie erzielte 2013 in Großstädten (vier Prozent) ähnliche Stimmanteile wie auf dem Land (4,5 Prozent). (ac)