Berlin. Bei der Grünen Woche werden Pläne zugunsten des Tierschutzes angekündigt. Nach der Vorstellung des Tierwohllabels bleiben Fragen offen.

Das Ende des millionenfachen Kükenschredderns, ein neues Siegel für bessere Haltungsbedingungen für Tiere – Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) wollte gleich zum Start der Grünen Woche in Berlin die großen Neuerungen verkünden. Doch neben schönem Anschauungsmaterial gab es am Donnerstag in vielen Fragen nur Ankündigungen.

Fast 50 Millionen männliche Küken werden pro Jahr in der deutschen Geflügelindustrie getötet. In der Legehennenzucht gelten sie als unerwünschtes Nebenprodukt: Sie setzen zu wenig Fleisch an und haben daher keinen wirtschaftlichen Nutzen. Tierschützer fordern seit Langem ein gesetzliches Verbot der Praxis, doch auf Bundesebene scheute man davor zurück. Ein Verbot ohne Alternative würde die Geflügelhaltung ins Ausland verlagern, so das Argument.

Eine neue Technologie

Nordrhein-Westfalen versuchte 2015 einen Alleingang auf Landesebene, scheiterte jedoch vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster. Begründung: Laut Tierschutzgesetz sei es zwar verboten, ein Wirbeltier „ohne vernünftigen Grund“ zu töten.

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    Dieser sei aber durch den wirtschaftlichen Druck gegeben – eine Alternative stünde ja nicht zur Verfügung. Diese präsentierte Minister Schmidt am Donnerstag: Eine neue Technologie soll bei der Geschlechtsbestimmung nicht geschlüpfter Küken helfen.

    Prüfung nach drei Tagen Brutzeit

    Nach dreieinhalb Tagen Brutzeit soll ein Gerät die Eier prüfen. Jene mit männlichen Embryos sollen nicht weiter ausgebrütet, sondern direkt in die Verarbeitung für andere Produkte geschickt werden, erklärte Prof. Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns, Projektkoordinatorin von der Universität Leipzig. „Wir wissen mit Sicherheit, dass nach dreieinhalb Tagen noch kein Schmerzempfinden da ist“, sagte die Expertin.

    Minister Schmidt versprach eine „zeitnahe Anwendung in der Praxis“. Krautwald-Junghanns indes geht nicht davon aus, dass die Geräte noch in diesem Jahr zum Praxis-Einsatz kommen – wie ursprünglich angekündigt. Denn noch handelt es sich um einen Prototyp. Die fertige Maschine werde voraussichtlich „mehrere 10.000 Euro kosten“, schätzte Krautwald-Junghanns. Ob kleinere Brütereien Subventionen erhalten, um die Geräte zu finanzieren, steht noch nicht fest.

    Kein Verbot gegen Kükentöten

    Unklar ist, ob die Geräte letztendlich das gleiche Pensum bewältigen können wie die Arbeiter in den Brütereien, die noch per Hand die Tiere prüfen. „In großen Brütereien werden pro Tag etwa 100.000 Tiere sortiert, das ist mit dem jetzigen Gerät noch nicht möglich“, sagt Krautwald-Junghanns.

    Obwohl der praktische Einsatz sich also noch verzögern könnte, schließt Schmidt ein gesetzliches Verbot des Kükentötens weiterhin aus: „Das ist ja das Tolle an der neuen Technologie“, so der Minister, „es gibt nun keinen vernünftigen Grund mehr für das Töten, ein Verbot ist also überflüssig.“

    Das Tierwohl-Label

    Erstmals präsentierte Schmidt in Berlin

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    . Das sechseckige Zeichen soll Landwirten und Handel auf freiwilliger Basis eine Möglichkeit geben, Fleisch aus Haltungsbedingungen zu kennzeichnen, die über dem gesetzlichen Minimum liegen. „Zuerst wird es das Label für Schweinefleisch geben“, sagte Schmidt. Erste Produkte mit dem Siegel seien aber wohl nicht vor 2018 zu erwarten.

    Das Siegel soll alle Stationen der Tiere von der Geburt bis zur Schlachtung berücksichtigen. Für Schweine sind zunächst elf Kriterien vorgesehen. So soll es unter anderem Vorgaben für den Platz im Stall geben sowie dafür, welches Futter die Tiere bekommen, ob sie Spielzeug zur Beschäftigung erhalten und wie lange Ferkel gesäugt werden. Was für die einzelnen Punkte konkret gelten soll, werde noch mit allen Beteiligten besprochen. Schmidt erhofft sich Klarheit bis Ostern 2017.

    Kritik an freiwilliger Beteiligung

    Dass sich Fleischproduzenten freiwillig an dem Siegel beteiligen können, hatte schon im Vorfeld für Kritik gesorgt. Eine gesetzliche Lösung lehnt der Minister weiter ab. „Eine verbindliche Kennzeichnung können wir nur auf europäischer Eben regeln“, so Schmidt.

    „Wir werden weiterhin gesetzgeberische Maßnahmen fordern“, konterte Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, der bei den Siegel-Verhandlungen mit am Tisch sitzt und die Präsentation begleitete. Ein staatliches Label könne nur der Anfang sein.

    Anti-Tierschutz-Label aus Protest

    Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hatte im Vorfeld der Grünen Woche ein Anti-Tierschutz-Label vorgestellt, um gegen das neue Siegel zu protestieren. Ein freiwilliges Label sei nur eine Scheinlösung, eine Umfrage habe gezeigt, dass auch Verbraucher verbindliche Vorgaben wünschten.