Karlsruhe. Neue Erkenntnisse über den Berliner Anschlag geben Einblicke in die Flucht Anis Amris. Am Bahnhof Zoo schaute er in eine Videokamera.

Hat sich der mutmaßliche Attentäter von Berlin, Anis Amri, nach der Tat als Attentäter zu erkennen gegeben? Darauf weist eine Videoaufnahme hin, die den Tunesier kurz nach dem Anschlag am 19. Dezember im Berliner Bahnhof Zoo zeigt.

Die Bilder zeigen nach Angaben des Generalbundesanwalts, wie ein Mann, bei dem es sich offensichtlich um Amri handle, in eine Überwachungskamera blicke. „Er war sich offenbar bewusst, dass er aufgezeichnet wurde“, sagte eine Behördensprecherin am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Darauf habe Amri den gestreckten Zeigefinger zum sogenannten Tauhid-Gruß in die Kamera gestreckt.

Der Tauhid gilt als eine Art islamisches Glaubenszeichen. Die Geste ist bekannt: So recken etwa Anhänger des islamischen Staats (IS) auf zahlreichen Fotos und in Videos, die die Dschihadisten zeigen, häufig einen Zeigefinger in die Höhe, wenn sie für Kameras posieren.

Über NRW und Amsterdam geflüchtet

Inzwischen haben die Fahnder auch den weiteren Fluchtweg Amris nachgezeichnet. Demnach reiste er offenbar über NRW ins niederländische Nimwegen und von dort aus weiter nach Amsterdam. An beiden Bahnhöfen seien Videoaufnahmen Amris gemacht worden.

Über Lyon und Chambery in Frankreich reiste der 24-Jährige dann per Zug weiter nach Turin und Mailand, wo er von der italienischen Polizei am 23. Dezember erschossen wurde.

Die Todes-Route des Lkw

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    Lkw-Fahrer in der Fahrerkabine erschossen

    Auch das Geschehen in dem Lkw, mit dem am Abend des 19. Dezember gegen 20 Uhr der Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin verübt wurde, ist nach Angaben des Generalsbundesanwalts inzwischen etwas klarer. Demnach gehen die Behörden davon aus, dass Amri den polnischen Lkw-Fahrer etwa gegen 19.30 Uhr in dessen Lkw erschoss.

    Dies zeigten Schmauchspuren, die im Inneren der Fahrerkabine entdeckt wurden. Eine Hülse, die die Fahnder in der Kabine fanden, stammt zudem aus der Waffe, die die italienische Polizei nahe Mailand bei Amri sicherstellte.

    Trauer um Opfer des Anschlags von Berlin

    Nur wenige Stunden nach dem Anschlag: Nahe des Weihnachtsmarkts an der Berliner Gedächtniskirche, in den ein Lkw gerast war und dabei mehrere Menschen tötete, legten Trauernde erste Blumen nieder.
    Nur wenige Stunden nach dem Anschlag: Nahe des Weihnachtsmarkts an der Berliner Gedächtniskirche, in den ein Lkw gerast war und dabei mehrere Menschen tötete, legten Trauernde erste Blumen nieder. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Der Morgen danach in der Nähe des Tatorts: „Ich bin Berlin – für mehr Menschlichkeit & Mitgefühl“, steht auf dem Zettel.
    Der Morgen danach in der Nähe des Tatorts: „Ich bin Berlin – für mehr Menschlichkeit & Mitgefühl“, steht auf dem Zettel. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Viele Menschen bekundeten ihre Trauer auf dem Platz vor der Gedächtniskirche.
    Viele Menschen bekundeten ihre Trauer auf dem Platz vor der Gedächtniskirche. © REUTERS | PAWEL KOPCZYNSKI
    Auch Schilder an den Straßen nahe der Gedächtniskirche erinnerten am Dienstag an den Anschlag vom Vorabend.
    Auch Schilder an den Straßen nahe der Gedächtniskirche erinnerten am Dienstag an den Anschlag vom Vorabend. © dpa | Michael Kappeler
    Diese Frau betet für die Opfer der Todesfahrt. Zwölf Menschen waren am Montagabend ums Leben gekommen, viele weitere wurden schwer verletzt.
    Diese Frau betet für die Opfer der Todesfahrt. Zwölf Menschen waren am Montagabend ums Leben gekommen, viele weitere wurden schwer verletzt. © REUTERS | PAWEL KOPCZYNSKI
    „Das Licht ist stärker als die Dunkelheit“, steht auf dem Plakat, das dieser Passant in der Nähe des Anschlagsorts befestigt.
    „Das Licht ist stärker als die Dunkelheit“, steht auf dem Plakat, das dieser Passant in der Nähe des Anschlagsorts befestigt. © dpa | Rainer Jensen
    An allen Ecken der Schutzplane, die um den Anschlagsort aufgespannt wurde, legten die Menschen Blumen und Kerzen nieder.
    An allen Ecken der Schutzplane, die um den Anschlagsort aufgespannt wurde, legten die Menschen Blumen und Kerzen nieder. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    „In uns lebt ihr weiter“, steht auf einem Zettel, den jemand nahe des Anschlagsorts zusammen mit Kerzen niedergelegt hat.
    „In uns lebt ihr weiter“, steht auf einem Zettel, den jemand nahe des Anschlagsorts zusammen mit Kerzen niedergelegt hat. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Ein Moment des Innehaltens mitten in der Rush Hour. Eine Frau und ein Mann stehen vor der Gedächtniskirche und gedenken der Opfer.
    Ein Moment des Innehaltens mitten in der Rush Hour. Eine Frau und ein Mann stehen vor der Gedächtniskirche und gedenken der Opfer. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Die brandenburgische Fahne weht in Potsdam auf Halbmast Für den Dienstag ordnete Innenminister Thomas de Maizière für das gesamte Land Trauerbeflaggung an.
    Die brandenburgische Fahne weht in Potsdam auf Halbmast Für den Dienstag ordnete Innenminister Thomas de Maizière für das gesamte Land Trauerbeflaggung an. © dpa | Ralf Hirschberger
    In der Gedächtniskirche zünden Menschen Kerzen des Gedenkens an.
    In der Gedächtniskirche zünden Menschen Kerzen des Gedenkens an. © REUTERS | PAWEL KOPCZYNSKI
    Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller trägt sich in der Gedächtniskirche in Berlin in das Kondolenzbuch für die Opfer des Anschlags ein.
    Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller trägt sich in der Gedächtniskirche in Berlin in das Kondolenzbuch für die Opfer des Anschlags ein. © dpa | Maurizio Gambarini
    Auch die Fahnen vor dem Reichstag wehen am Tag nach dem Anschlag auf Halbmast.
    Auch die Fahnen vor dem Reichstag wehen am Tag nach dem Anschlag auf Halbmast. © dpa | Paul Zinken
    Den ganzen Tag über suchten Menschen den Weg zur Gedächtniskirche, um Blumen und Kerzen niederzulegen.
    Den ganzen Tag über suchten Menschen den Weg zur Gedächtniskirche, um Blumen und Kerzen niederzulegen. © Getty Images | Michele Tantussi
    Eine der vielen Botschaften, die auf Zetteln und Plakaten am Anschlagsort zu lesen sind: „Kriege führen zu mehr Terrorismus – Terrorismus verletzt ausnahmslos alle Menschen“.
    Eine der vielen Botschaften, die auf Zetteln und Plakaten am Anschlagsort zu lesen sind: „Kriege führen zu mehr Terrorismus – Terrorismus verletzt ausnahmslos alle Menschen“. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Europa sendet ein Zeichen der Solidarität: Die Fahnen vor dem Gebäude der EU-Kommission hängen auf Halbmast.
    Europa sendet ein Zeichen der Solidarität: Die Fahnen vor dem Gebäude der EU-Kommission hängen auf Halbmast. © dpa | Olivier Hoslet
    Bundespräsident Joachim Gauck äußerte sich am Dienstagnachmittag im Schloss Bellevue zum Anschlag in Berlin:  „Der Hass der Täter wird uns nicht zu Hass verführen“, sagte Gauck.
    Bundespräsident Joachim Gauck äußerte sich am Dienstagnachmittag im Schloss Bellevue zum Anschlag in Berlin: „Der Hass der Täter wird uns nicht zu Hass verführen“, sagte Gauck. © dpa | Bernd von Jutrczenka
    Eine Blume steht im Foyer des brandenburgischen Landtages neben dem Kondolenzbuch für die Opfer des Anschlages.
    Eine Blume steht im Foyer des brandenburgischen Landtages neben dem Kondolenzbuch für die Opfer des Anschlages. © dpa | Ralf Hirschberger
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besuchte zusammen mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD) am Dienstagnachmittag den Anschlagsort.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besuchte zusammen mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD) am Dienstagnachmittag den Anschlagsort. © dpa | Michael Kappeler
    Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in stillem Gedenken an die Opfer.
    Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in stillem Gedenken an die Opfer. © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
    Die Kanzlerin zeigt sich beim Trauergottesdienst in der Gedächtniskirche am Dienstagnachmittag sichtlich bewegt.
    Die Kanzlerin zeigt sich beim Trauergottesdienst in der Gedächtniskirche am Dienstagnachmittag sichtlich bewegt. © REUTERS | HANNIBAL HANSCHKE
    Der Anschlag hat laut diesem Plakat an der Gedächtniskirche „Das Herz Berlins getroffen“.
    Der Anschlag hat laut diesem Plakat an der Gedächtniskirche „Das Herz Berlins getroffen“. © dpa | Michael Kappeler
    Das französische Parlament hielt am Nachmittag eine Schweigeminute ab in Gedenken an die Opfer aus Berlin.
    Das französische Parlament hielt am Nachmittag eine Schweigeminute ab in Gedenken an die Opfer aus Berlin. © dpa | Christophe Petit Tesson
    Trauernde am Dienstagabend in der Nähe des Anschlagsorts.
    Trauernde am Dienstagabend in der Nähe des Anschlagsorts. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Hunderte Kerzen hatten sich an der Gedächtniskirche angesammelt, als die Sonne am Dienstag untergegangen war.
    Hunderte Kerzen hatten sich an der Gedächtniskirche angesammelt, als die Sonne am Dienstag untergegangen war. © Getty Images | Michele Tantussi
    Das  Brandenburger Tor erstrahlte am Dienstagabend in Schwarz-Rot-Gold.
    Das Brandenburger Tor erstrahlte am Dienstagabend in Schwarz-Rot-Gold. © Reto Klar
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    Treffen mit Landsmann am Vorabend des Anschlags

    Wie Amri an diese Waffe des Herstellers Erma gelangte, ist dagegen noch unklar. Der Hersteller hat laut des Generalbundesanwalts Ende der 90er-Jahre Insolvenz angemeldet, was die Rückverfolgung der Pistole erschwere. Unklar ist bislang auch, ob Amri schon in Italien, wo er sich vor seiner Einreise nach Deutschland aufgehalten hatte, Kontakt zu dem später in Berlin getöteten polnischen Lkw-Fahrer aufnahm.

    Nach wie vor sei unklar, an wen Amri unmittelbar vor dem Attentat auf den Weihnachtsmarkt aus dem Fahrerhaus des Lkw heraus eine Sprachnachricht und ein Foto gesendet habe, sagte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft.

    Weiter ungeklärt ist zudem, ob Amri Mitwisser hatte. Die Fahnder ermittelten bisher, dass sich der Tunesier am Abend vor dem Anschlag mit einem 26-jährigen Landsmann in einem Restaurant im Berliner Stadtteil Gesundbrunnen traf. Die beiden hätten sich „sehr intensiv unterhalten“, so die Behördensprecherin. Möglicherweise sei der Mann in die Tat eingebunden, zumindest könnte er jedoch davon gewusst haben. Amri und er kannten sich demnach seit Ende 2015.

    Verdacht auf Leistungserschleichung

    Allerdings hätten die Hinweise auf den 26-Jährigen nicht für einen Haftbefehl ausgereicht. Er befinde sich aber wegen eines anderen Verfahrens, das in Berlin gegen ihn anhängig sei, in U-Haft.

    Gegen den Beschuldigten, der laut Staatsanwaltschaft Berlin auch unter mindestens zwei Alias-Personalien auftrat, ermittelt die Justiz seit Frühjahr 2016 wegen des Verdachts, von April 2015 bis November 2015 in Leipzig, Mettmann und Berlin Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von 2500 Euro wissentlich zu Unrecht bezogen zu haben.(W.B.)

    Wie der Anschlag jetzt unser Land verändert

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