Berlin. Was ergibt sich aus dem vernichtenden SPD-Ergebnis in Nordrhein-Westfalen? Dieser Frage ging Anne Will am Sonntagabend im Ersten nach.

Die CDU als Gewinner, SPD und Grüne abgestraft, die FDP mit deutlichen Zuwächsen, die AfD bei über fünf Prozent: Die Ergebnisse der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen haben es in sich. Und zwar vor allem für die Sozialdemokraten, die eine desaströse Niederlage einstecken mussten.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft reagierte darauf sofort mit dem Rücktritt von allen Parteiämtern. Doch was bedeutet die Wahl für SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, der seinen Erfolg deutlich mit dem Ausgang in NRW verknüpft hatte? Und welche Implikationen ergeben sich für den Bund? Dieses Thema beschäftigte am Sonntagabend auch Anne Will und ihre Gäste.

Schwesig sieht AfD-Praktiken bei der CDU

Manuela Schwesig (SPD) fand für das Abschneiden ihrer Partei deutliche Worte. „Das ist ein ganz bitterer Abend für uns“, sagte die Familienministerin. Den Rücktritt von Hannelore Kraft bezeichnete sie überraschend deutlich als „richtig und konsequent“. Damit habe die Ministerpräsidentin auch in einer schwierigen Stunde bewiesen, „dass sie eine starke Frau ist“.

„Das ist ein ganz bitterer Abend für uns“, sagte  Familienministerin Manuela Schwesig (SPD).
„Das ist ein ganz bitterer Abend für uns“, sagte Familienministerin Manuela Schwesig (SPD). © dpa | Karlheinz Schindler

Den Erfolg der CDU verband Schwesig aber mit einer scharfen Kritik. Beim Thema innere Sicherheit habe Spitzenkandidat Armin Laschet einen Wahlkampf geführt, den er sich bei der AfD abgeguckt habe. „Das war ein richtiger Wutbürger-Wahlkampf“, befand Schwesig. Dieser werde aber bei der Bundestagswahl nicht funktionieren, weswegen längst nicht entschieden sei, wer Kanzler wird.

Schulz‘ Anteil am Debakel

Damit war die Debatte schnell für die nun entscheidende Frage geöffnet: Was aus der Wahl für die Kanzlerkandidatur von Martin Schulz folgt. Mit ihrem Rücktritt hat sich Kraft schnell aus der Schusslinie genommen. Zugleich schützt sie mit ihrem Schuldeingeständnis auch Schulz. Eine Debatte um dessen Strategie wird sich für die SPD aber nicht vermeiden lassen. „Die landespolitischen Themen von Kraft waren nicht überzeugend genug, und von Martin Schulz kam kein Schwung“, analysierte ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. Das liege auch daran, dass Schulz bisher nur das Thema Gerechtigkeit besetzt habe. „Das ist zu eng, die SPD braucht eine Botschaft für die Mitte“, sagte der Journalist.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz extrem frustiert

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    Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier stellte eine noch engere Verbindung zwischen dem Debakel in NRW und Schulz her. Schließlich habe Kraft genauso wie der Kanzlerkandidat einen dezidierten Gerechtigkeitswahlkampf geführt. „Diese Agenda ist erkennbar abgestraft worden, die Leute wollen eine andere Politik“, sagte der CDU-Politiker.

    Trittin bringt Kubicki auf die Palme

    Für richtig Zoff in der Debatte sorgte Jürgen Trittin. Wolfgang Kubicki von der FDP empfahl der Grüne, in Schleswig-Holstein lieber auf eine Ampel mit der SPD zu setzen, statt auf Jamaika mit der CDU. Schließlich sei es immer besser, den schwächeren großen Partner zu haben.

    Der Vorsitzende der FDP in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki.
    Der Vorsitzende der FDP in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki. © dpa | Soeren Stache

    Diese für Trittin ungewohnte machtpolitische Argumentation brachte Kubicki, der am Montag in Schleswig-Holstein zu allererst mit den Grünen verhandeln wird, aus irgendeinem Grund furchtbar in Rage. „Überall dort, wo die Grünen Ihrem Rat gefolgt sind, sind sie kaputt gegangen“, ärgerte sich Kubicki. Um später hinterherzuschieben: „Dieser Trittin ist wirklich unerträglich.“

    Das Fazit

    Insgesamt war diese Ausgabe von Anne Will die ideale Einstimmung auf den Bundestagswahlkampf. In dem ist nun erst mal Martin Schulz unter Druck. Gelingt es ihm, den freien Fall in den Umfragen zu stoppen? Wie positioniert er sich bei der Koalitionsfrage? Und welche Themen besetzt er zusätzlich zur sozialen Gerechtigkeit? Nein, NRW war keine Vorentscheidung. Einen starken Trend haben die Wähler aber durchaus gesetzt.

    Zu ernst sollte man diesen aber nicht nehmen, denn vier Monate sind eine lange Zeit. „Hoffentlich folgt jetzt nicht monatelang der Abgesang auf Schulz, nachdem es monatelang einen Hype gab“, stellte dazu di Lorenzo fest. Schließlich hätten Prognosen zuletzt häufiger daneben gelegen. „Ich wünsche mir ein wenig Deutungsdemut.“

    • Hier finden Sie „Anne Will“ in der ARD-Mediathek