Hamburg. Die ARD beleuchtet das tragische Schicksal der Marineschülerin Jenny Böken auf dem Schulschiff „Gorch Fock“ mit einem Doppel-Feature.

Ihr tragisches Schicksal bewegte Millionen: der Tod der „Gorch Fock“-Kadettin Jenny Böken im Jahr 2008. War es Mord, Suizid, ein Unglück? Die ARD widmet dem Fall am Mittwochabend das Drama „Tod einer Kadettin“ (20.15 Uhr), direkt im Anschluss (21.45 Uhr) die Dokumentation „Der Fall Gorch Fock – die Geschichte der Jenny Böken“.

Das Segelschulschiff heißt anders, die junge Frau ebenfalls, aber es gibt keinen Zweifel, dass der vielfach ausgezeichnete Autor und Regisseur Raymond Ley im Spielfilm die letzten Lebenswochen von Jenny Böken rekonstruiert – Maria Dragus spielt diese Lilly Borchert mit großer Intensität.

An Tests vorbeimogeln

Auf dem Schulschiff „Gorch Fock“ herrschte ein hoher sozialer Druck, so zeigt es der Spielfilm: Lilly Borchert (Maria Dragus, Mitte) hat Probleme, sich in die Gruppe der Kadetten einzufinden.
Auf dem Schulschiff „Gorch Fock“ herrschte ein hoher sozialer Druck, so zeigt es der Spielfilm: Lilly Borchert (Maria Dragus, Mitte) hat Probleme, sich in die Gruppe der Kadetten einzufinden. © NDR/UFA GmbH | NDR/UFA GmbH

Der Film erhebt nicht den Anspruch, das Rätsel um die Todesnacht lösen zu können. Er zeigt mehrere Möglichkeiten für das Unglück auf – Unfall, Selbstmord, Mord – , aber auch, was bis dahin schon alles schiefgelaufen ist. Die junge Frau konnte sich an einigen Belastungstests vorbeimogeln, die ihre Schwächen deutlich gemacht hätten.

In der Schule zählte sie zwar zu den besten des Jahrgangs, hatte sogar eine Klasse übersprungen. Aber die Beurteilung der Marineschule fiel besorgniserregend aus: Man attestierte ihr „sehr starke Probleme, den an sie gestellten Anforderungen und Erwartungen im psychischen wie physischen Bereich gerecht zu werden. Eine Eignung zum Offizier ist nicht erkennbar.“

Angst vor Versagen

„Man hätte sie von Bord nehmen oder im Innendienst belassen sollen“, sagt Raymond Ley. Zusammen mit seiner Frau Hannah hat er auch das Drehbuch geschrieben. Ley beschreibt den sozialen Druck an Bord: „Jede Wacheinheit hatte nur ,die besten und gesündesten Kadetten‘ – das ist aber kaum machbar. Schwäche wird da nicht gern gesehen. Als es in die Takelage ging, wollte das Mädchen nicht versagen.“

Die „Gorch Fock“ unter Segeln in der Kieler Förde.
Die „Gorch Fock“ unter Segeln in der Kieler Förde. © dpa | Carsten Rehder

Gedreht wurde an Bord des polnischen Segelschulschiffs „Dar Mlodziezy“, das im Film „Rudolf Kinau“ heißt. Die Marine hat die Dreharbeiten nicht unterstützt. Ley: „Wir haben händeringend Berater für das Geschehen an Bord gesucht. Erst als die UFA andeutete, dass wir nicht von einem Mord an Bord ausgehen, sondern die verschiedenen denkbaren Varianten wie auch Unfall- oder Freitod zeigen, tauchte auf einmal ein freundlicher, kompetenter Seemann auf, der uns dann zur Seite stand.“

Kein Strafverfahren eröffnet

Das Lehrerehepaar Böken aus Geilenkirchen ist inzwischen geschieden, aber im acht Jahre dauernden Kampf um die Aufklärung des Todes ihrer Tochter weiterhin vereint. Beide halten der Marine eine Mauer des Schweigens vor und der Kieler Staatsanwaltschaft ein Ausblenden zahlreicher Widersprüche und Fragen. Die Staatsanwaltschaft hat 2009 ihre Ermittlungen eingestellt, ein Unglück durch Ertrinken als am wahrscheinlichsten angesehen und kein Strafverfahren eröffnet.

Fazit: Schon der Spielfilm überzeugt mit guter Recherche – und einer hervorragenden Hauptdarstellerin. Dass die Dokumentation neben Fakten nicht auf Emotionalität verzichtet, macht sie besonders sehenswert.

• Mittwoch, 5. April, 20.15 Uhr und 21.45 Uhr, ARD