Hamburg . Im „Tatort“ aus Bremen blicken die Kommissare in die Abgründe eines Serienkillers. Der Mörder tötet mit einer ungewöhnlichen Waffe.

Die Anfangsszene dieses „Tatorts“ wirkt wie die Ästhetisierung des Autowaschens, doch dann mischt sich Rot in das Weiß des Schaums. Zu den Klängen von Tocotronic („Ich öffne mich“) säubert hier jemand sein Geschoss, unschuldig ist er nicht. Warum, erfährt man wenig später: Auf einer Straße ist ein 23-Jähriger überfahren aufgefunden worden. Er ist nicht der erste Tote dieser Art.

Das Auto ist eine Mordschleuder: Es ist wie ein schwarzer Hai, der plötzlich aus dem Dunkel auftaucht, ein zu einem Tötungswerkzeug umfunktioniertes lautloses Fahrzeug. Nachts fährt es durch Stadt und Vororte, es rammt junge Männer und fährt sie tot. Das ganze Programm, mit Zurücksetzen und wieder drüber. In den Rumpf des Wagens ist ein Sichtfenster eingelassen, der Fahrer genießt sein Werk.

„Tatort“ mit besonders finsterem Bösewicht

Es erregt ihn. Die Macher des Bremen-„Tatorts“ (Regie Florian Baxmeyer/Drehbuch Matthias Tuchmann, Stefanie Veith) haben sich diesmal einen besonders finsteren Bösewicht ausgedacht, ein echtes Spezialmonster: Die sexuelle Begierde als kranker Wahn, das verstörende Geheimnis tief in der ramponierte Seele gebunkert, unsichtbar für die Außenwelt.

Oder doch nicht? Bevor sie überhaupt wissen, dass sie es mit einem Serienmörder zu tun haben, finden Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) ein Handy am Unfallort, das sie leicht auf die Spur des Handwerkers Kristian Friedlands (Moritz Führmann) bringt.

„Nachtsicht“ – der neue Bremer „Tatort“

Im Bremer „Tatort“ haben es die Kommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund mit einer grausamen Mordserie zu tun.
Im Bremer „Tatort“ haben es die Kommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund mit einer grausamen Mordserie zu tun. © Radio Bremen | Michael Ihle
Mit einem unbekannten Fahrzeug werden nachts Menschen überfahren.
Mit einem unbekannten Fahrzeug werden nachts Menschen überfahren. © Radio Bremen | Radio Bremen
Schnell wird klar: Es handelt sich um einen Serienmörder.
Schnell wird klar: Es handelt sich um einen Serienmörder. © Radio Bremen | Radio Bremen
Ein Verdächtiger wird schnell ausgemacht. Die Bremer Hauptkommissare finden am ersten Tatort ein Handy.
Ein Verdächtiger wird schnell ausgemacht. Die Bremer Hauptkommissare finden am ersten Tatort ein Handy. © Radio Bremen | Michael Ihle
Dieses führt zu Kristian Friedland (Moritz Führmann), der fortan unter Mordverdacht steht. Doch sein Vater Jost (Rainer Bock) verhindert eine Befragung.
Dieses führt zu Kristian Friedland (Moritz Führmann), der fortan unter Mordverdacht steht. Doch sein Vater Jost (Rainer Bock) verhindert eine Befragung. © Radio Bremen | Michael Ihle
Nur warum will Jost Friedland seinen Sohn nicht mit den Kommissaren sprechen lassen?
Nur warum will Jost Friedland seinen Sohn nicht mit den Kommissaren sprechen lassen? © Radio Bremen | Radio Bremen
Außerhalb des Präsidiums wird auf heile Familie gemacht. Die Friedlands wollen ihrem Sohn Kristian und dessen Freundin Tajana Noack (Natalie Belitski) ihr Haus überschreiben – obwohl Kristian immer wieder mit Drogenproblemen zu kämpfen hat.
Außerhalb des Präsidiums wird auf heile Familie gemacht. Die Friedlands wollen ihrem Sohn Kristian und dessen Freundin Tajana Noack (Natalie Belitski) ihr Haus überschreiben – obwohl Kristian immer wieder mit Drogenproblemen zu kämpfen hat. © Radio Bremen | Michael Ihle
Die Ermittlungen gestalten sich für die Kommissare schwierig. Auch Helen Reinders (Camilla Renschke), Kommissarin vom Dienst, weiß nicht weiter.
Die Ermittlungen gestalten sich für die Kommissare schwierig. Auch Helen Reinders (Camilla Renschke), Kommissarin vom Dienst, weiß nicht weiter. © Radio Bremen | Michael Ihle
Dann wird erneut ein Mann nachts überfahren.
Dann wird erneut ein Mann nachts überfahren. © Radio Bremen | Radio Bremen
Beim Rechtsmediziner Dr. Katzmann (Matthias Brenner) liegen angesichts der Brutalität des Täters die Nerven blank.
Beim Rechtsmediziner Dr. Katzmann (Matthias Brenner) liegen angesichts der Brutalität des Täters die Nerven blank. © Radio Bremen | Radio Bremen
Auch bei diesem Fall wieder Teil des Ermittlerteams: Linda Selb vom BKA (Luise Wolfram).
Auch bei diesem Fall wieder Teil des Ermittlerteams: Linda Selb vom BKA (Luise Wolfram). © Radio Bremen | Radio Bremen
Zwischen Hauptkommissar Stedefreund und Linda Selb knistert es dieses Mal gewaltig.
Zwischen Hauptkommissar Stedefreund und Linda Selb knistert es dieses Mal gewaltig. © Radio Bremen | Radio Bremen
Es geschieht ein dritter Mord. Nur wer ist der Mann unter der Maske?
Es geschieht ein dritter Mord. Nur wer ist der Mann unter der Maske? © Radio Bremen | Michael Ihle
Nachdem ein weiterer Mann in der Dunkelheit überfahren wurde, bleibt immerhin der Tatwagen zurück.
Nachdem ein weiterer Mann in der Dunkelheit überfahren wurde, bleibt immerhin der Tatwagen zurück. © Radio Bremen | Radio Bremen
Kristian Friedland bleibt weiter tatverdächtig. Bei seinen Eltern stehen die Kommissare mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür.
Kristian Friedland bleibt weiter tatverdächtig. Bei seinen Eltern stehen die Kommissare mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür. © Radio Bremen | Radio Bremen
Bei der Durchsuchung findet Hauptkommissar Stedefreund im Keller von Jost Friedland allerlei Überraschungen.
Bei der Durchsuchung findet Hauptkommissar Stedefreund im Keller von Jost Friedland allerlei Überraschungen. © Radio Bremen | Radio Bremen
Überraschend kommt außerdem der Verdächtige Kristian Friedland aufs Revier und macht eine Aussage. Er lenkt den Verdacht auf einen anderen. Die Kommissarin glaubt dennoch nicht an seine Unschuld.
Überraschend kommt außerdem der Verdächtige Kristian Friedland aufs Revier und macht eine Aussage. Er lenkt den Verdacht auf einen anderen. Die Kommissarin glaubt dennoch nicht an seine Unschuld. © Radio Bremen | Radio Bremen
Auch auf die Mithilfe der Freundin des Verdächtigen ist Stedefreund angewiesen.
Auch auf die Mithilfe der Freundin des Verdächtigen ist Stedefreund angewiesen. © Radio Bremen | Michael Ihle
Tajana Noack ist sich sicher: Kristian ist kein Mörder.
Tajana Noack ist sich sicher: Kristian ist kein Mörder. © Radio Bremen | Radio Bremen
Auch Mutter Leonie (Angela Roy) hält zu ihrem Sohn.
Auch Mutter Leonie (Angela Roy) hält zu ihrem Sohn. © Radio Bremen | Radio Bremen
Kristian Friedland gerät dennoch immer mehr ins Fadenkreuz der Ermittlungen.
Kristian Friedland gerät dennoch immer mehr ins Fadenkreuz der Ermittlungen. © Radio Bremen | Radio Bremen
Verschweigt die Mutter des Verdächtigen wichtige Informationen?
Verschweigt die Mutter des Verdächtigen wichtige Informationen? © Radio Bremen | Radio Bremen
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In der Scheibe hängt röchelnd ein Jogger

„Je länger ich auf der Welt lebe, desto weniger kenne ich mich mit allem aus, denke ich manchmal“, sagt der sonst ziemlich verstockt wirkende Enddreißiger im Verhör. Ein Ausbund an Tranigkeit, der Typ, ja, aber auch der kuriose Hauptdarsteller im Stück „Der Maler und Lackierer als Philosoph“.

In seinem Privat-Existenzialismus ist dieser Friedland ein in die komplette Verlorenheit Getriebener – und gleichzeitig ein ans Elternhaus Geketteter. Weil er nach jugendlichen Kiff- und Suffeskapaden samt Suizidversuch nicht auf eigenen Beinen stehen kann, stützen ihn Jost (Rainer Bock) und Leonie Friedland (Angela Roy) – die Familie ist durch ein Band aneinandergebunden, das von leidvollen Erfahrungen durchwirkt ist.

Ein Psychopath im eigenen Haus

Der zarten Mutter fehlt ein Bein, sie ist schwer krank, und zur psychologisch ausgefeilten Statik des Beziehungsgeflechts gehört der starke Gegenpart, der Macher, der Chef. Als Vaterfigur ist Friedland Senior der Allesregler aus dem Spießeridyll in Bremen-Oberneuland, aber selbst dort ist man nicht dagegen gefeit, einen trübsinnigen Sohn großzuziehen, der sein Zimmer mit Schauergemälden verziert und auch sonst keine Gelegenheit auslässt, bizarre Gewaltfantasien zu Papier zu bringen.

Der Psychopath im eigenen Haus also – und der Vater scheint ihn, wie dem Ermittlerduo klar wird, zu schützen. Dieser „Tatort“ ist ein mehr oder minder rasanter Psychothriller mit Schockmomenten wie dem röchelnd in der Frontscheibe hängenden Jogger, der beim Mordanschlag leider keine Bodenhaftung behalten wollte – ein Fehlschlag für den Totfahrer.

Der Kriminalfilm funktioniert aber vor allem deswegen, weil die drei Hauptfiguren sehr gut gecastet sind. Stedefreund und Lürsen sind in dieser Geschichte, die manche für das unvermeidliche Ende nicht weiter erhebliche Wendungen bereithält, nur Nebendarsteller.

Eiseskälte gegenüber dem Sohn

Das Zentrum der Handlung sind die Friedlands. Für die Eltern werden die Ermittlungen gegen den Sohn zum Endspiel um die eigene, knapp bemessene gemeinsame Zukunft. Rainer Bock gibt dem kompromisslosen Tun des Vaters eine verzweifelte Konsequenz. Hinter der Fürsorge dieses von Ferne an die Serienfigur Walter White aus „Breaking Bad“ erinnernden Normalbürger versteckt sich eine Eiseskälte gegenüber dem Sohn.

Es geht Friedland nur um seine Frau, die die Hamburger Schauspielerin Angela Roy („Rote Rosen“) meisterhaft als sich unwissend stellende Mutter gibt. Aber auch Mutterliebe hat ihre Grenzen, und wie bitter ist der Moment, wenn die Maske fällt.

ARD, Sonntag, 12. März, 20.15 Uhr