Berlin. Unzählige Rückblenden auf das Original, ein bizarres Studio: Die Neuauflage der Erotik-Spielshow „Tutti Frutti“ ist ein TV-Desaster.

Wenn wir Ihnen ganz ungefragt eine Empfehlung für das neue Jahr ans Herz legen dürfen: Schalten Sie künftig niemals „Tutti Frutti“ ein. Ja, es mag verlockend sein, die Neuauflage der Erotik-Spielshow auf RTL Nitro zu gucken – allein um zu schauen, was aus dem Cin-Cin-Playboy-Ballett wurde.

Oder den „Früchtchen“, den Show-Assistentinnen im Erdbeeren- oder Kiwi-Kostümchen. Und wie sich die neuen Moderatoren anstellen, die Hugo Egon Balder beerben, Jörg Draeger und Alexander Wipprecht. Doch so spannend das alles sein mag: Tun Sie sich dieses TV-Desaster nicht an. Wir sagen Ihnen auch, warum.

Wohl simpelste Spiele seit Menschengedenken

Einer der Hauptgründe, das Comeback von „Tutti Frutti“ getrost an sich vorbeirauschen zu lassen, ist das Konzept. Dieses war schon beim ersten Lauf der Show von Januar 1990 bis Februar 1993 so dünn wie der Stoff, der sich bei erwähnten Früchtchen um die Oberweite spannt. Worum geht’s? Zwei Kandidaten kämpfen – von Playboy-Bunnies angefeuert – in den wohl simpelsten Spielen seit Menschengedenken um Punkte.

Derjenige, der gewinnt, darf sich eine Stripperin aussuchen, die aus einem europäischen Land stammt und deswegen nur „Italien“, „Schweden“ oder „Spanien“ heißt. Schon fällt die Bluse, der BH fliegt durchs Publikum, die Strapse schnellen gen Boden, und bravo, alle sind begeistert. Wie sich Spielstand sowie Landes- und Europunkte zusammensetzen, bleibt in den 85 Minuten Sendedauer schleierhaft. Doch alles halb so wild. Schließlich versucht „Tutti Frutti“ nur, den „erotischen Mittelstand zu retten“. Das zumindest erklärt Moderator Alexander Wipprecht, der eigentlich Schauspieler ist. Und es besser geblieben wäre.

Musik wie vor 25 Jahren

Denn was sich am Freitagabend ab 22.05 Uhr auf dem Digitalableger des Kölner Privatsenders abspielt, ist vor Absurdität kaum in Worte zu fassen. Allein das Studio! Bei dieser quietschbunten 70er-Jahre-Scheußlichkeit mit Bar und Lounge-Bereich sollte die Frage legitim sein, ob sich der RTLsche Bühnenbildner 2017 nicht besser eine andere Beschäftigung sucht. Und diese Musik. Wie schon vor 25 Jahren dudelt auch im aktuellen „Tutti Frutti“-Format alle fünf Minuten die „Cin Cin“-Melodie samt italienischer Floskeln über den TV-Bildschirm. Wer an Weihnachten nicht den letzen Nerv verloren hat – nun ist es soweit.

Erstaunlich, dass Kandidatin Antje ganz die Ruhe selbst ist. Dabei soll die studierte Politik- und Wirtschaftswissenschaftlerin in einem Spiel immerhin die Frage beantworten, wie viele Sexualpartner der Deutsche durchschnittlich hat (13). Oder wo ein Mann einer Frau zuerst hinschaut – in die Augen, auf den Busen oder den Mund (Ersteres!). Und dann müssen die Berlinerin und ihr Konkurrent, Privatjet-Pilot Mike, auch noch Länder wie Island und Portugal an der Silhouette erkennen.

Mehr Rückblenden als Werbepausen

Und den Hebel einer Spielmaschine bedienen! Eieiei. So viel Einsatz hat bei Moderator Jörg Draeger sicher Gefühle an seine Spielshow „Geh aufs Ganze“ geweckt. Fehlte nur, dass nach mindestens 123 Rückblicken auf das ach ja so erfolgreiche Original-„Tutti Frutti“ auch noch dieser Sendung gedacht wurde.

Überhaupt – was sollen die Rückblenden, die sich mehr häufen als die Werbepausen? Anscheinend sorgt Monique Sluyter nicht für genug Nostalgie, dabei ist mit der Niederländerin immerhin die „erste Assistentin“ Hugo Egon Balders von vor 25 Jahren erneut am Start. Schließlich kann sie laut RTL so „verspielt würfeln“ wie keine Zweite – und das will was heißen in einer Show, in der sechs Animierdamen sonst nicht viel mehr bewältigen als das effekthascherische Öffnen ihrer Bluse.

Auch „Erdbeere“ Elke Jeinsen ist um der guten Zeiten willen extra eingeflogen. So wie ihre Busenfreundin Simone „die Mandarine“ Burkhard, die, ganz der südländische Typ, der dritten Staffel von 1993 den „exotischen Touch“ verliehen hat. Kommentar Draeger, der die beiden Frauen interviewt: „Man muss nicht nur aussehen, sondern etwas können.“ Was genau?

Wenigstens Hugo Egon Balder ist froh

Sich ausziehen, na klar! Und so strippen und stöhnen „Spanien“, „Schweden“ und „Italien“ zu 80er-Jahre-Musik, die seit den 80ern aus guten Gründen aus der allgemeinen Medienlandschaft verschwunden war, als gelte es, den ominösen Rekord von 4800 bei „Tutti Frutti“ gezeigten Brüsten einzustellen. „Was passiert hier eigentlich?“, fragte sich zwischenzeitlich Alexander Wipprecht in einem Konglomerat aus halbnackten Körpern. Das wüssten wir auch gern.

Wenigstens Hugo Egon Balder hat aus dem Revival etwas mitgenommen. Er mimt zum Schluss der Show einen Fernsehzuschauer, der „Tutti Frutti“ mit folgenden Worten beenden darf: „War doch toll, und ich habe endlich die Regeln verstanden.“ War doch „toll“? Hören Sie nicht auf ihn! Aber das nur als Empfehlung.