Beirut. Aktivisten berichten von einem Giftgasangriff in der syrischen Provinz Idlib. Bei den Luftschlägen seien mehrere Kinder gestorben.
- Im Nordwesten Syriens soll es einen Angriff mit Chemiewaffen gegeben haben
- Aktivisten machen dafür Jets der syrischen Armee verantwortlich
- Vertreter des syrischen Militärs weisen die Vorwürfe zurück
Bei einem Luftangriff mit Giftgas sind im Nordwesten Syriens Aktivisten zufolge mindestens 58 Menschen getötet worden, darunter elf Kinder. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete am Dienstag aus dem Ort Chan Scheichun zudem mehr als 60 Verletzte.
Zahlreiche Menschen seien in Ohnmacht gefallen, hätten sich erbrochen und Schaum vor dem Mund gehabt. Der Zustand vieler Verletzter sei ernst. Flugzeuge hätten am Morgen mehrere Angriffe geflogen, berichteten Aktivisten. Sie machten für die Bombardierung Jets der syrischen Luftwaffe verantwortlich. Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu sprach zunächst von mindestens 43 Toten durch einen Chlorgas-Angriff.
Ein Vertreter des syrischen Militärs wies Vorwürfe zurück, Regierungstruppen würden solche Waffen einsetzen. Die Armee nutze keine Chemiewaffen – „nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft“.
Patienten mit eindeutigen Symptomen
In einem Video berichtete ein Arzt, es habe einen sehr schweren Angriff mit Giftgas gegeben. Es gebe in seiner Klinik drei Patienten mit eindeutigen Symptomen eines Giftgaseinsatzes. Auf Bildern waren zahlreiche Leichen zu sehen. Aufnahmen zeigten, wie Verletzte mit Sauerstoffmasken behandelt wurden. Chan Scheichun liegt im Süden der Provinz Idlib, die von unterschiedlichen Rebellengruppen kontrolliert wird.
Die Menschenrechtsbeobachter sitzen in England, stützen sich bei ihren Angaben aber auf ein Netzwerk von Informanten in Syrien. Ihre Angaben haben sich als zuverlässig erwiesen. Auch die Zivilschutzorganisation der syrischen Weißhelme berichtet auf Facebook von mindestens 26 Luftschlägen auf Chan Scheichun.
Syrische ruft UN-Sicherheitsrat zu Sitzung auf
Eigentlich gilt in dem Bürgerkriegsland seit Ende des vergangenen Jahres eine von Russland und der Türkei ausgehandelte Waffenruhe. Diese ist jedoch brüchig. Ausgenommen von der Waffenruhe sind die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und die Al-Kaida-nahe Organisation Tahrir al-Scham. Diese ist besonders in der Provinz Idlib stark.
Syriens Opposition rief den UN-Sicherheitsrat zu einer sofortigen Sitzung und Ermittlungen auf. Die in Istanbul ansässige Syrische Nationale Koalition forderte Maßnahmen, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden.
Kommission spricht von fünf Chlorgas-Angriffen
UN-Ermittler hatten Syriens Regierung im März vorgeworfen, in den vergangenen Monaten im Kampf um die Stadt Aleppo und andernorts Chlorgas eingesetzt zu haben. Ein Bericht der Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates sprach von mindestens fünf Chlorgas-Angriffen regierungstreuer Kräfte seit Anfang dieses Jahres.
Bereits 2013 waren östlich der Hauptstadt Damaskus bei Angriffen mit Giftgas rund 1400 Menschen getötet worden. Die Opposition und der Westen machten dafür Syriens Regierung verantwortlich. Diese stimmte danach zu, alle Giftgasvorräte zu vernichten. Chlor fiel jedoch nicht unter das Verbot, weil es für zivile Zwecken benötigt wird. (rtr/br)