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Vom Sport für den Joballtag lernen

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Alexandra Bülow
Ilka Piechowiak ist heute Coach und Rednerin

Ilka Piechowiak ist heute Coach und Rednerin

Foto: Ilka Piechowiak

Ehrgeiz und Leistungsdruck sind Teil beider Bereiche. Ex-Handballerin Ilka Piechowiak erklärt, wie Arbeitnehmer damit umgehen können.

Fünfmal Training in der Woche, Muskelaufbau an Geräten, an den Wochenenden Punktspiele. Auch im Urlaub musste der Trainingsplan eingehalten werden, Skiferien waren wegen der Verletzungsgefahr tabu. Wenn andere sich im Kino trafen, war sie bei der Mannschaft. Ilka Piechowiak gab alles für die Handballkarriere neben der Schule. Aus dieser Zeit als Spitzensportlerin hat sie einiges mitgenommen, wovon sie auch im späteren Job profitierte. Sie arbeitete sich von der Marketing-Assistentin zur Marketing- und Vertriebsmanagerin hoch, ohne Studium, mit beruflichen Weiterbildungen. Heute ist Ilka Piechowiak Coach, Trainerin und Vortragsrednerin. Was Menschen aus dem Spitzensport für den Job lernen können, ist ihr Thema. In beiden Bereichen geht es um Ehrgeiz, Disziplin, Niederlagen, Leistungsdruck, mentale Stärke.

Die Leistung kann noch so gut sein, manchmal sind andere einfach besser

„In der Wirtschaft werden wir meist an Kennzahlen gemessen“, sagt Ilka Piechowiak. „Erfolg bedeutet, dass die vorgegebenen Kennzahlen erreicht worden sind.“ Das sei aber nicht immer die Messlatte – vor allem nicht für Menschen persönlich oder für ein Team. Piechowiak findet, man solle auch auf die Rahmenbedingungen blicken: Wie ist der Markt im Durchschnitt gewachsen? Lagen wir darüber oder darunter? Wie stark ist der Wettbewerb? „Beim Sport geht es ums Gewinnen. Aber es zählt auch, wie man gespielt hat.“ Ilka Piechowiak spielte seit ihrem neunten Lebensjahr Handball, unter anderem bei der Handballgemeinschaft Norderstedt, dem TUS Alstertal, sogar in der Jugendnationalmannschaft. „Wenn wir verloren haben, sahen wir das Ergebnis, haben aber ausgiebig analysiert, wie wir gespielt haben, wie unsere Leistung war.“ Manchmal kommt bei einer solchen Analyse heraus, dass man hervorragend gespielt hat – der andere aber besser war.

Eine solche Analyse hilft auch im Berufsleben: Wie war ich drauf? Habe ich mein Bestes gegeben? Woran liegt es, dass es nicht besser lief? Was war gut, was nicht? „Es geht nicht darum, sich zu zerfleischen, sondern um Selbstreflexion, was man das nächste Mal anders machen kann.“ Dewegen spricht Piechowiak nicht von verlieren oder versagen, denn man nehme immer etwas für sich mit. Sie spricht davon, „das innere Spiel zu gewinnen“.

Erfolg und Misserfolg sind im Sport verbunden mit Sieg und Niederlage. Ähnlich ist es im Arbeitsleben. Da gilt derjenige als erfolgreich, der ein hohes Gehalt und Führungsverantwortung hat, Aufträge hereinholt und stets gewinnt. Ilka Piechowiak findet, dass auch derjenige erfolgreich sein kann, der all das nicht vorzuweisen hat. „Jeder sollte für sich definieren, was für ihn Erfolg ist.“ Natürlich sollen Erwartungen von Vorgesetzten oder vom Team nicht ignoriert werden. Aber wie man vor sich selbst dasteht, was einem wichtig ist, was für einen Erfolg bedeutet, legt man für sich selbst fest – unabhängig davon, was andere meinen.

Wer sich dies klargemacht hat, kann sich Ziele stecken – für Sportler etwa sind das Turniere. Sobald das Ziel anvisiert ist, geht es darum, darauf hinzuarbeiten. Der Trick sind Zwischenziele, die man erreichen will, sodass man auf dem Weg zum Ziel am Ball bleibt. Es wird aber auch vorab überlegt, welcher Weg der richtige ist. „Du musst Ziele klar definieren, im Sport und im Beruf. Umso größer ist der Erfolg“, sagt der ehemalige Hockey-Spieler Michael Green, der heute als Orthopäde arbeitet. Einer der wichtigsten Faktoren sei die Organisationsfähigkeit. „Leistungssportler lernen, die Zeit optimal zu nutzen, sie können sich zielorientiert konzentrieren“, bestätigt Diplom-Sportwissenschaftler und Sportpsychologe Moritz Anderten.

Es gehört allerdings dazu, das eigene Können einzuschätzen und sich realistische Ziele zu stecken. „Ich muss mir meiner selbst bewusst sein, was ich kann und was ich nicht kann“, sagt Piechowiak. In ihrer Zeit als Leistungssportlerin lief nicht alles rund. „Ich bin technisch an meine Grenzen gekommen. Und ich konnte mich immer gut freispielen, hatte aber keine gute Abschlussquote“, sagt sie. „Auch hatte ich Probleme mit den Bändern und musste mehr Krafttraining machen.“ Sportler fixieren Schwächen vor allem dann, wenn diese im Spielablauf hinderlich sind und arbeiten daran. Ansonsten konzentrieren sie sich auf ihre Stärken. Ein feiner Tipp für Arbeitnehmer, nicht ständig mit dem zu hadern und auf das zu blicken, was sie nicht können – sondern die Fähigkeiten voranzubringen, in denen sie gut sind.

Es hängt viel von der inneren Haltung ab, im Sport wie im Job. „Mental stark“ hört man da heutzutage oft bei Sportlern, die tatsächlich oft einen Mentaltrainer haben. Positives Denken hieß es früher. Die innere Einstellung kann das Zünglein an der Waage sein. Sportler bringen sich vor einem Wettkampf in eine gute Stimmung, fokussieren sich enorm. „Skifahrer zum Beispiel kennen die Piste in- und auswendig, da sitzt jede Bewegung, auch ohne die Strecke zu befahren, im Kopf“, so Piechowiak. Sportler murmeln – man sieht es bei Skiläufern oder Leichtathleten vor dem Start – Sätze wie „Ich werde das gewinnen“, „Ich werde meine Fähigkeiten abrufen“, „Ich kann das!“ Damit bestärken sie sich und verscheuchen negative Gedanken, die sich durch Aufregung und Anspannung einschleichen. „Es sollten kurze, knappe Sätze in Ich-Form sein“, rät Ilka Piechowiak. Diese Technik kann man auch vor dem Einschlafen einsetzen oder wenn eine schwierige Aufgabe wartet.

Sich selbst anzufeuern ist das eine – sich etwas schönzureden das andere. Erfolg hat, wer mit Begeisterung und Leidenschaft dabei ist. Disziplin allein hilft nicht, über Monate und Jahre Höchstleistungen zu bringen und sich immer wieder zu motivieren. Das gilt auch für das Berufsleben. „Wenn ich etwas gern tue, dann merkt man mir das an. Und das strahlt auf andere ab“, erklärt Piechowiak. Und zwar auf Kollegen, aber auch auf Kunden. Auch empfindet man Phasen mit hohem Arbeitsaufwand nur bedingt als Stress.

Auszeiten und Regeneration sind nötig, um Bestleistungen bringen zu können

Allerdings, und auch das ist etwas, das sich Arbeitnehmer von Sportlern abgucken können, gehören bei aller Freude am Job auch Entspannungsphasen dazu. Der Körper kann noch so fit und trainiert sein, er braucht doch immer Regeneration. Sonst streikt er irgendwann, wird anfälliger für Verletzungen. Piechowiak: „Wenn ich merke, ich kann nicht mehr, dann nehme ich mir Zeit für Ruhe.“

Das Gefühl für sich selbst hatte die Ex-Leistungssportlerin immer im Blick. Nach dem Abitur kam das Angebot, zur nächsten Weltmeisterschaft mitzufahren – aber nur, wenn sich eine Mannschaftskameradin verletzt hätte. „Zwischen dem Abitur und der WM lag ein halbes Jahr, und ich hatte mit einem Auslandsjahr in den USA geliebäugelt“, erinnert sich Piechowiak. Sie wägte ab: Was bringt mir die Teilnahme an der WM, was ein Jahr im Ausland? Sie entschied sich gegen das Angebot. Keine WM, keine Handballkarriere, stattdessen Au-pair in Kalifornien. Andere hielten sie für verrückt. „Mir war klar, dass ich mein Leben nicht auf Handball aufbauen wollte“, sagt sie. Sie vertraute auf ihr Gefühl. „Es war enttäuschend, nach all den Jahren. Doch es war keine Niederlage.“ Ilka Piechowiak sah ihren Weg in einem anderen Bereich. Auch sportlich übrigens – heute spielt sie am liebsten Golf.

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