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Hamburger Volksbank lockt mit 4,1 Prozent Zinsen

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Thorsten Rathje, seit Oktober 2020 der Vorstandssprecher der Hamburger Volksbank, im Firmengebäude in Hammerbrook

Thorsten Rathje, seit Oktober 2020 der Vorstandssprecher der Hamburger Volksbank, im Firmengebäude in Hammerbrook

Foto: Marcelo Hernandez / MARCELO HERNANDEZ / FUNKE Foto Services

Mit einem neuen Kontomodell will das Geldhaus dem altersbedingten Schwund von Genossenschaftsmitgliedern entgegenwirken

Hamburg.  So etwas hat es seit vielen Jahren nicht gegeben: Die Zahl der Genossenschaftsmitglieder der Hamburger Volksbank ist gesunken. Im vorigen Jahr hat sie um 512 auf 62.837 Personen abgenommen – „aufgrund des demografischen Wandels“, wie Bankchef Thorsten Rathje sagt. Mit anderen Worten: Dem Geldhaus sterben die treuesten Kunden weg.

Mit einem komplett neuen Girokontenmodell will Rathje nun verstärkt junge, onlineaffine Menschen dazu bringen, Kunde und möglichst auch Mitglied zu werden. Dazu lockt er mit einem für eine Filialbank vergleichsweise attraktiven Spar-Angebot: Wer das Geld mindestens zwei Jahre bei der Volksbank lässt, erhält für das erste Jahr 4,1 Prozent Zinsen und für das zweite Jahr 2,1 Prozent. Bis zum Ende der maximal fünfjährigen Laufzeit gibt es dann jeweils 2,0 Prozent. Die Bedingung: Es muss sich um Beträge handeln, die nicht nur umgeschichtet werden, die also nicht vorher schon bei der Bank lagen.

Hamburger Volksbank lockt mit neuem Girokonto

Während das günstigste Girokonto bisher 5,95 Euro im Monat kostete und die Spanne bis 10,95 Euro reichte, liegt der Basispreis für das neue Konto namens „Große Freiheit“ bei 9,95 Euro. Je nachdem, wie viele Bankprodukte die Kundin oder der Kunde nutzt – etwa wenn er die Banking-App verwendet, in Fonds investiert hat und für Kontoauszüge das elektronische Postfach nutzt, kann man die Gebühren aber in mehreren Stufen bis auf null reduzieren. Wer das möchte, kann die Preisvorteile als Spende an Nachhaltigkeitsprojekte weitergeben.

„Das neue Kontomodell kommt offenbar sehr gut an“, sagt Rathje. „Von mehr als 13.000 Bestandskunden, die wir im ersten Schritt vor einigen Tagen angeschrieben haben, werden mehr als die Hälfte in dieses Modell wechseln.“ Wer für 2,50 Euro im Monat das „Premium-Paket“ wählt, das unter anderem einen Rabatt auf Schließfachkosten enthält, kann auf Wunsch eine Girocard aus Holz bekommen.

Die Girocard gibt es gegen Mehrpreis jetzt aus Holz

Doch nicht nur als Produktanbieter will die Hamburger Volksbank attraktiver für junge Menschen werden, sondern auch als Arbeitgeber. Seit November gewährt das Unternehmen den Beschäftigten daher bis zu 37 Kalendertagen „Workation“ jährlich in Ländern der Europäischen Union – man darf also von einem Urlaubsort aus arbeiten.

„Sieben Kolleginnen und Kollegen haben diese Möglichkeit bisher schon in Anspruch genommen“, berichtet Rathje. Fünf weitere seien in „finalen Überlegungen“, das auch zu tun. Über den Winter seien die Kanaren und die Balearen gefragt gewesen, für den Sommer nun Dänemark und Kroatien. Einige Beschäftigte hätten die 37 Tage am Stück genommen, andere verteilten sie über das Jahr.

„Auch wir spüren den Fachkräftemangel, und wir hatten in den vergangenen Jahren immer gut 30 offene Stellen, die wir nicht besetzen konnten, was uns gewurmt hat“, so der Volksbank-Chef. Seit Anfang April sei eine Recruiterin für das Unternehmen tätig, die speziell in den sozialen Medien auf die Suche nach potenziellen neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geht. Die Bemühungen zeigen nach Angaben von Rathje bereits Wirkung: „Bis Ende 2023 werden wir 17 Beschäftigte mehr im Haus haben.“ Aktuell gebe es nur noch rund zehn offene Stellen. Schon im vorigen Jahr hatte sich die Mitarbeiterzahl um zehn auf 409 Personen erhöht.

60 Prozent der Arbeitszeit dürfen die Beschäftigten im Homeoffice verbringen

Zu der Flexibilität, die man der Belegschaft bietet, gehört auch die Option, bis zu 60 Prozent der Arbeitszeit im Homeoffice zu verbringen. Weil im Schnitt 25 Prozent der Schreibtische unbesetzt bleiben, gibt es Überlegungen, in den nächsten Jahren Büroflächen des Bankgebäudes am S-Bahnhof Hammerbrook etagenweise externen Mietern zur Verfügung zu stellen.

Obwohl traditionell rund 80 Prozent des Kreditgeschäfts der Hamburger Volksbank aus gewerblichen und privaten Immobilienfinanzierungen bestehen und diese im zweiten Halbjahr 2022 angesichts des rasanten Zinsanstiegs deutlich zurückgegangen sind, gelang es, den Kreditbestand noch einmal um 6,2 Prozent auf 2,495 Milliarden Euro zu steigern. In diesem Jahr soll er weiter zulegen, auch wenn die Immobilienkreditvergabe in den ersten sechs Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 40 Prozent geschrumpft ist.

„Wir sehen in Hamburg keinen flächendeckenden Immobilienpreisrückgang“

Im Hinblick auf die Entwicklung des Hamburger Immobilienmarkts gibt sich Rathje relativ gelassen. „Wenn die Lage des Objekts nicht besonders gut und der energetische Zustand nicht mehr zeitgemäß ist, sehen wir jetzt Angebotspreise, die um 10 bis 15 Prozent unter denen vom Jahresanfang 2022 liegen“, sagt er. „Aber wir nehmen keinen flächendeckenden Preisrückgang wahr.“

In guten Lagen hätten die Preise gehalten werden können – „und dabei wird es nach unserer Einschätzung auch bleiben“. Allerdings hätten sich die Vermarktungszeiten verlängert, von zuletzt häufig nur vier bis sechs Wochen auf nun eher vier bis sechs Monate. „Das ist einfach die Normalisierung eines in den vergangenen Jahren teils überhitzten Marktes“, urteilt der Volksbank-Chef.

Hamburger Volksbank hat große Pläne für Geschäftsjahr 2023

Weil man anders als in früheren Jahren kaum noch von temporären Kreditgeschäften mit der Europäischen Zentralbank profitierte, ging das Zinsergebnis um 3,1 Millionen auf 52,2 Millionen Euro zurück. Ein leicht verbessertes Provisionsergebnis dank vermehrter Vermittlung von Bausparverträgen und wegen gesteigerter Nutzungsgebühren aus den 112 Geldautomaten angesichts des wieder anziehenden Hamburg-Tourismus konnte diesen Effekt nicht ausgleichen.

Damit sank das Betriebsergebnis vor Bewertung um 2,6 Millionen auf 22,1 Millionen Euro. „Für dieses Jahr trauen wir uns bis zu zwei Millionen Euro mehr zu“, sagt Rathje. Um die für das geplante weitere Wachstum erforderliche Eigenkapitalausstattung macht er sich keine Sorgen. Dafür sorgt nicht nur der erwartete Gewinn: Auch wenn die Zahl der Mitglieder zuletzt leicht abgenommen hat, stieg der Wert der von ihnen gehaltenen Genossenschaftsanteile um fast zwölf Millionen auf knapp 80 Millionen Euro.

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