Hamburg. Die chinesische Reederei Cosco darf mit 24,9 Prozent beim Containerterminal Tollerort der mehrheitlich im Besitz der Stadt befindlichen HHLA einsteigen. Die Bundesregierung hat den Weg dazu freigemacht. Doch die politische Aufarbeitung des Beschlusses fängt gerade erst an.
Nach Informationen unserer Redaktion war der Entscheidung erneut ein heftiger Streit zwischen den grün-geführten Ministerien um das Wirtschaftsministerium und dem Kanzleramt vorausgegangen. Die Reaktionen in Hamburg und Berlin fallen daraufhin unterschiedlich aus.
Hamburger Hafen: Um den Cosco-Einstieg wurde in Berlin hart gerungen
Wie berichtet, hatte das Kabinett im Oktober 2022 beschlossen, den von Cosco ursprünglich geplanten Einstieg mit 35 Prozent beim HHLA-Terminal zu untersagen. Stattdessen sollte eine Minderheitsbeteiligung von weniger als 25 Prozent gewährt werden, damit die Chinesen keine Kontrollrechte im Hamburger Hafen erhalten.
Doch wie jetzt bekannt wurde, hat das Bundeswirtschaftsministerium schon vor Wochen entschieden, dem Kompromiss nicht zustimmen zu wollen. Stattdessen hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gegenüber seinen Kabinettskollegen auf die neue Rechtslage verwiesen, wonach das Containerterminal Tollerort nunmehr als kritische Infrastruktur gelte.
Bundeskanzler setzt Einstieg von Cosco im Hamburger Hafen durch
Das war bei der vorherigen Prüfung noch nicht bekannt gewesen. Also müsste das Verfahren neu aufgerollt werden, forderte Habeck. Anstatt einer Beteiligung von weniger als 25 Prozent wollte er nur einen Einstieg der Chinesen zu weniger als zehn Prozent genehmigen. Damit würde man der neuen Sachlage Rechnung tragen.
Dazu hätte es eine Aufhebung des bisherigen Kabinettsbeschlusses bedurft, die einstimmig hätte erfolgen müssen. Das Bundeskanzleramt grätschte aber dazwischen. Es folgte der Argumentation des Wirtschaftsministers nicht und teilte dem Wirtschaftsministerium am Mittwoch mit, dass es bei den 24,9 Prozent bleibe, die Cosco am Terminal erhalten darf.
Gab es ein politisches Ausgleichsgeschäft?
Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums wollte sich dazu nicht äußern. Sie sagte lediglich: „Es gab abweichende Einschätzungen bei der Beurteilung des Beteiligungserwerbs.“
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Am Donnerstag wurde sogar spekuliert, ob die Zustimmung zum Cosco-Deal Folge eines politischen Ausgleichsgeschäfts gewesen sei. Sie erfolgte nämlich genau an dem Tag, an dem Habeck nach einer Sitzung der Ausschüsse für Wirtschaft sowie Klimaschutz und Energie öffentlich bekannt gab, dass er seinen Staatssekretär Patrick Graichen trotz dessen offensichtlicher Fehler in der Personalpolitik nicht entlassen werde. Eine Bestätigung dafür gibt es nicht. Klar ist aber, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) durchgesetzt hat.
Bürgermeister Tschentscher ist erleichtert
Entsprechend erleichtert waren deshalb auch die Reaktionen seiner Genossen in Hamburg. „Ich begrüße, dass die Bundesregierung die Beteiligung von Cosco an einer Hamburger Terminalbetriebsgesellschaft nunmehr endgültig genehmigt hat. Es ist für Deutschland von größter Bedeutung, dass unsere Seehäfen im internationalen Wettbewerb bestehen und leistungsfähig arbeiten können“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).
Die Beteiligung von Reedereien am Betrieb von Terminals sei branchenüblich und werde weltweit zur effizienten Organisation der Logistik praktiziert. Die daran geäußerte Kritik sei in weiten Teilen geprägt gewesen von Unkenntnis über die Organisation von Häfen und der maritimen Logistik.
Der hafenpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Markus Schreiber, verwies darauf, dass die Beteiligung von Cosco in Hamburg vergleichsweise klein sei: „Mit der gewählten Beteiligung in sehr begrenztem Umfang unterscheidet sich Hamburg nach wie vor von vielen anderen Häfen. Piräus, Zeebrügge, Valencia/Bilbao, Vado Ligure, Antwerpen und Rotterdam haben heute eine sehr beträchtliche chinesische Beteiligung. Mit der vorliegenden Einigung ist sichergestellt, dass Hamburg wettbewerbsfähig bleibt und Cosco keinen Zugriff auf kritische Infrastruktur erhält.“
CDU-Politiker: Kritik aus Berlin, Applaus aus Hamburg
An den Kommentaren der CDU lässt sich dagegen eine differenzierte Haltung zwischen Berliner und Hamburger Parteigängern ablesen. Der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter kritisierte dem „Handelsblatt“ zufolge die Regierungsentscheidung scharf. „Da die Nachrichtendienste und weitere Ministerien massiv vor dem Verkauf von Anteilen des Terminals des Hafens an Cosco gewarnt haben, wirkt das Ganze noch viel mehr wie ein Alleingang des Bundeskanzlers auf seinem chinapolitischen Irrweg.“
Der Hamburger Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis Thering, äußert sich anders: „Es ist gut, dass es jetzt endlich Klarheit gibt. Für uns hat Priorität, dass sich der Hamburger Hafen positiv weiterentwickelt. Es ist jetzt wichtig, darauf zu achten, dass es bei dieser Beteiligung bleibt und der Einfluss der Chinesen im Hamburger Hafen nicht größer wird. Ich hoffe sehr, dass der Hamburger Hafen davon jetzt einen richtigen Schub bekommt.“
Grüne: Hamburgerin bewertet Entscheidung anders als Berliner Politiker
Zweigeteilt waren je nach Bundes- und Landeshauptstadt auch die Reaktionen der Grünen. „Die Entscheidung der Bundesregierung, die Minderheitenbeteiligung von Cosco am Terminal Tollerort zuzulassen, ist eine gute Nachricht für den Hamburger Hafen“, sagte die hafenpolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion, Miriam Putz. Das stärke die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigten des Hafens. „Es ist richtig gewesen, die vorgebrachten Sicherheitsbedenken einer umfassenden Überprüfung zu unterziehen.“ Auf dieser Grundlage habe der Hamburger Hafen nun die nötige Planungssicherheit, um erfolgreich weiterentwickelt zu werden.
„Es war falsch, es ist falsch und es bleibt falsch“, sagte hingegen der Wirtschaftspolitiker der Bundes-Grünen, Felix Banaszak, dem „Handelsblatt“. Es sei ein Fehler, dass Kanzler Scholz ein neues Investitionsprüfungsverfahren verhindere. „Beim Bundeskanzler vermengen sich falsch verstandener Hamburger Lokalpatriotismus mit einer Außenwirtschaftspolitik, die aus den fatalen Fehlern im Umgang mit Russland nichts gelernt hat.“
Hamburger FDP und AfD lehnen China-Deal ab
Die Hamburger FDP und auch die AfD bleiben hingegen ihrer Linie treu: Beide lehnen den China-Deal ab. „Die chinesische Beteiligung am Terminal Tollerort ist in einem sehr kritikwürdigen Verfahren zustande gekommen“, sagte der Hamburger Bundestagsabgeordnete der FDP, Michael Kruse. Er spielte damit auf den Vorwurf von Habeck an, die HHLA habe ihr Containerterminal verspätet als kritische Infrastruktur angemeldet.
Der Parlamentarische Geschäftsführer und hafenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Krzysztof Walczak, warf der Bundesregierung vor, sie handele „grob unverantwortlich“: „Ist die Bundesregierung nicht ganz bei Trost? Ungeachtet sämtlicher Warnungen von Ministerien und Behörden wird grünes Licht erteilt.“
Hamburger Hafen: Industrie begrüßt Genehmigung der Bundesregierung
Ohne Kritik fielen hingegen die Reaktionen der Wirtschaft aus. „Das ist grundsätzlich ein gutes Signal für den Hamburger Hafen“, sagte ein Sprecher der Handelskammer. Er betonte, die Kammer habe durchgehend die Position vertreten, dass Beteiligungen von Reedereien an den Terminalbetreibern möglich sein müssen, solange keine nachweislichen Sicherheitsbedenken vorliegen.
Der Zentralverband der Seehafenbetriebe sprachen von einer „überfälligen“ Entscheidung. „Die politische Aufmerksamkeit sollte jetzt darauf liegen, den Hafen- und Logistikstandort Deutschland weiter zu stärken.“ Der Bundesverband der Deutschen Industrie sagte, die Entscheidung sei „gut für den Investitionsstandort und das Import- und Exportland Deutschland“.
Die Entscheidung ist gefallen. Die Diskussion darüber reißt nicht ab.
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