Washington. Gegen die Inflation hebt der Fed-Chef Powell erneut den Leitzins an – auf bis zu 1,75 Prozent. Das ist der größte Zinssprung seit 1994.

Weil die US-Verbraucherpreise im Mai mit 8,6 Prozent auf ein neues 40-Jahreshoch gestiegen sind, geht die amerikanische Notenbank "Federal Reserve" bei der Bekämpfung der galoppierenden Inflation entschiedener als bis vor Kurzem erwartet vor: Bei ihrer Sitzung am Mittwoch hob die “Fed" den Leitzins so stark an wie zuletzt vor fast 30 Jahren: um 0,75 Prozentpunkte. Der Zinskorridor liegt damit zwischen 1,5 und 1,75 Prozent.

Mit dem Schritt geht die Zentralbank den Kurs weiter, den man im Frühjahr eingeschlagen hatte - nur noch entschlossener. Im März wurde der Leitzins erstmals seit der Corona-Pandemie um 0,25 Prozentpunkte angehoben. Im Mai folgte ein weiterer Anstieg um 0,5 Prozentpunkte. Das war die stärkste Anhebung seit 22 Jahren.

"Fed": Durch die Leitzins-Erhöhung verteuern sich Kredite

Für die "Fed" kommt die Aktion einem Balanceakt gleich. Sie muss laut Selbstverständnis die Zinsen so stark anheben, dass die massive Inflation nachhaltig eingedämmt wird; in Richtung Wunschziel zwei Prozent. Sie darf aber dabei Konjunktur und Arbeitsmarkt (derzeit nur 3,6 Prozent Erwerbslosenquote) nicht irreparabel beschädigen.

Durch die Leitzins-Erhöhung verteuern sich Kredite. Das bremst die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, hilft gegen die Teuerung, bremst aber auch das Wirtschaftswachstum der weltgrößten Volkswirtschaft, was wiederum die Börsen belasten würde. Im schlimmsten Fall kann es zu einer Rezession kommen.

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Inflation als Vorbote: Experten rechnen mit Rezession

Genau damit rechnen manche Experten im kommenden Jahr. So hatte Jamie Dimon, der Chef der Großbank JP Morgan, vor einem "ökonomischen Hurrikan" gewarnt. Der führende Kopf von Goldman Sachs, John Waldron, prophezeit etwas weniger alarmierend "schwierigere wirtschaftlichen Zeiten". US-Finanzministerin Janet Yellen dagegen zeigt sich zuversichtlich, dass eine Rezession vermieden werden kann.

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Bei der anschließenden Erläuterung der Zins-Entscheidung wies Fed-Chef Jerome Powell am Rande darauf hin, dass sein Haus nicht alle Ursachen der Preissteigerungen beeinflussen könne. Störungen der globalen Lieferketten und rasant kletterte Energiepreise reagierten nicht auf den US-Leitzins. Auch die Folgen des Krieges in der Ukraine und der Corona-Lockdown in China entzögen sich weitgehend der Reparatur-Fähigkeit der amerikanischen Notenbank.

Leitzins und Inflation: Europa vollzieht die Kehrtwende langsamer

In Europa vollzieht man die Kehrtwende in den USA in homöopathischen Schritten nach. Die Europäische Zentralbank wird ihre milliardenschweren Anleihenzukäufe zum 1. Juli einstellen. Bei der Sitzung des EZB-Rates am 21. Juli wird erwartet, dass die Notenbank die Leitzinsen erstmals seit elf Jahren wieder erhöhen, voraussichtlich zunächst um jeweils 0,25 Prozentpunkte.

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