Hamburg. Zunächst schien alles noch recht übersichtlich: Gleich zu Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland legte die Bundesregierung ein Unterstützungspaket für die Wirtschaft auf, das Soforthilfen von drei Monaten Dauer für kleine Betriebe, Kredite der staatlichen Förderbank KfW für größere Unternehmen sowie Kurzarbeitergeld und Steuerstundungen beziehungsweise Steuernachlässe vorsah.
Doch je länger die Corona-Krise dauerte, um so mehr Selbstständige und Firmen beklagten sich, dass sie durch die Kriterien benachteiligt würden und die Hilfsprogramme für sie nicht passten. So wurden die Förderbedingungen immer komplexer und es kamen immer mehr regionale Sondertöpfe hinzu – auch in Hamburg. Hier ein Überblick über den aktuellen Stand:
Wie viel Geld ist in Hamburg geflossen?
Mehr als 5,5 Milliarden Euro an Corona-Hilfen haben Hamburg und der Bund in den zurückliegenden zehn Monaten nach Angaben von Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) in der Hansestadt geleistet. Den weitaus größten Posten machen Steuerstundungen oder -nachlässe von knapp 4,7 Milliarden Euro aus. Für weitere Hilfen stünden noch einmal 1,5 Milliarden Euro an Landesmitteln zur Verfügung, sagte Dressel.
Nicht in den von ihm genannten 5,5 Milliarden Euro enthalten sind die über die jeweiligen Hausbanken an Firmen durchgeleiteten KfW-Kredite – schon allein die Haspa hat nach eigenen Angaben mehr als 300 Millionen solcher Darlehen vermittelt – und das Kurzarbeitergeld von bisher knapp 1,5 Milliarden Euro.
Welche Hilfen sind noch erhältlich?
Bereits ausgelaufen sind die Hamburger Corona Soforthilfe (HCS), das HCS InnoStartup-Programm und die Überbrückungshilfe I. Die Antragsfrist der Überbrückungshilfe II für den Förderzeitraum September bis Dezember 2020 läuft noch bis zum 31. März. Die so genannten „außerordentlichen Wirtschaftshilfen November und Dezember“ können bis zum 30. April beantragt werden.
Während das Geld aus bereits bewilligten Anträgen auf die November-Hilfe noch nicht einmal vollständig ausgezahlt ist, sind in Hamburg erst vor wenigen Tagen erste Zahlungen aus der Dezember-Hilfe geleistet worden. Selbst Finanzsenator Dressel hat Probleme wegen der schleppenden Bearbeitung eingeräumt, er machte aber den Bund dafür verantwortlich. Das jüngste Förderinstrument ist die Überbrückungshilfe III, die für den Zeitraum November 2020 bis Ende Juni 2021 gelten wird. Anträge können ab sofort gestellt werden.
Wer erhält November-/Dezember-Hilfe?
Diese Bundes-Hilfen richten sich speziell an Unternehmen, Selbstständige und Vereine, die aufgrund der Beschlüsse zum „Lockdown-Light“ im November und zum anschließenden Lockdown vom 16. Dezember an den Betrieb einstellen mussten. Ebenfalls antragsberechtigt sind Hotels – und auch Unternehmen, die indirekt stark von den Maßnahmen betroffen sind, weil sie nachweislich 80 Prozent ihrer Umsätze mit direkt von den Schließungen betroffenen Firmen erzielen.
Vom Staat erstattet werden bis zu 75 Prozent der Umsätze, die im Vergleichszeitraum November beziehungsweise Dezember 2019 erzielt wurden. Andere staatliche Leistungen wie die Überbrückungshilfe oder das Kurzarbeitergeld werden auf den Förderbetrag angerechnet. Für Restaurants, die auch Speisen im Außer-Haus-Verkauf anbieten, gelten Sonderregeln, damit sie keine Nachteile durch dieses Geschäft haben.
Aufgrund der Kriterien der November- und Dezember-Hilfen können weite Teile des Einzelhandels, etwa Bekleidungsgeschäfte, kaum von der Unterstützung profitieren, weil sie erst am 16. Dezember schließen mussten, aber auch schon vorher deutliche Umsatzeinbußen zu verzeichnen hatten.
Welche Voraussetzungen haben die jetzt geltenden Überbrückungshilfen?
Die Konditionen und die Antragstellung für die Überbrückungshilfe II sind komplex: Ein „Leitfaden“ des Bundeswirtschaftsministeriums dazu ist nicht weniger als 89 Seiten lang. Vereinfacht kann man sagen: Die Hilfe kann für den Zeitraum September bis Dezember 2020 beantragt werden, aber nur für die Monate, in denen der Umsatz um mindestens 30 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat eingebrochen ist.
Erstattet werden – je nach dem Ausmaß des Umsatzeinbruchs – bis zu 90 Prozent der Fixkosten. Großunternehmen mit mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz oder mehr als 250 Beschäftigten sind in der Regel ausgeschlossen. Für die neue Überbrückungshilfe III hat man die Zugangsbedingungen etwas vereinfacht und den Kreis der antragsberechtigten Unternehmen erweitert. Nun können auch Großfirmen mit bis zu 750 Millionen Jahresumsatz davon profitieren. Gleichzeitig steigt der maximale Zuschuss auf 1,5 Millionen Euro pro Monat gegenüber bisher insgesamt 200.000 Euro für vier Monate.
Ursprünglich sollte die Überbrückungshilfe III erst ab Januar 2021 gelten, man hat den Start des Förderzeitraums dann aber auf November 2020 vorverlegt – wohl um Firmen, die keine November- oder Dezember-Hilfe erhalten konnten, mit einzubeziehen. Einzelhändler dürfen nun auch Wertverluste unverkäuflicher oder saisonaler Ware als erstattungsfähige Fixkosten ansetzen.
Was gilt für Soloselbstständige?
Auch sie können staatliche Unterstützung aus der November-/Dezember-Hilfe wie auch aus der Überbrückungshilfe beziehen. Während der Antrag für die Letztere aber nur durch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt eingereicht werden kann, dürfen Soloselbstständige bis zu 5000 Euro aus der November- oder Dezember-Hilfe selbst beantragen. Zudem haben sie ein Wahlrecht, was den Vergleichsumsatz angeht: Sollten sie im November oder Dezember 2019 keinen Umsatz erzielt haben, können sie auch den durchschnittlichen Monatsumsatz 2019 zugrunde legen.
Welche Hamburger Hilfen gibt es?
Ergänzend zu den bundesweit zur Verfügung stehenden Fördertöpfen hat Hamburg unter anderem den Corona Recovery Fonds (CRF) eingerichtet. Er bietet Risikokapitalfinanzierungen für Start-ups und „wachstumsorientierte kleine Mittelständler“. Hier geht es also nicht um Zuschüsse, sondern um stille Beteiligungen von bis zu 800.000 Euro pro Firma. Anträge können bis zum 30. Juni gestellt werden.
Kürzlich teilte Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) mit, wegen der hohen Nachfrage sei das gesamte Fördervolumen auf nun 100 Millionen Euro verdoppelt worden. Seit Anfang Juli 2020 wurden rund 100 Beteiligungen über zusammen rund 35 Millionen Euro zugesagt, ausgezahlt hat man bisher rund 22 Millionen Euro. Ebenfalls Kapitalspritzen in der Form stiller Beteiligungen vergibt der Hamburger Stabilisierungs-Fonds (HSF). Er ist für größere Unternehmen mit 50 bis 250 Beschäftigten vorgesehen, der Mindestbetrag für eine Beteiligung liegt bei 500.000 Euro.
Allerdings sind die Zugangsvoraussetzungen hoch: Es muss nachgewiesen werden, dass die Hausbanken nicht ohne eine Rekapitalisierung zu Krediten bereit sind, dass die Gesellschafter nicht selber das Kapital aufbringen können und dass andere Fördermöglichkeiten ausgeschöpft sind. Laut Finanzsenator Dressel gibt es dennoch bereits eine Reihe von Interessenten, die die Stadt als stillen Anteilseigner ins Unternehmen holen wollen.
Wie gut funktionieren die Hilfen?
Uli Wachholtz, Präsident der Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein (UV Nord), lobt zwar grundsätzlich die große Bereitschaft des Bundes und der Stadt Hamburg, der von der Pandemie gebeutelten Wirtschaft zu helfen. Er fügt jedoch an: „Es werden viele große Anstrengungen unternommen, aber in der praktischen Umsetzung behindern uns Bürokratie sowie Verordnungen und Gesetze.“
Das gelte vor allem für die Bundesprogramme: „So, wie es bisher mit den November-Hilfen gelaufen ist, kann es nicht weitergehen.“ Bürokratische Beantragungen, Softwareprobleme und häufig wechselnde Antragsvoraussetzungen führten zu Unmut und verschärften die Not der Firmen, beklagt Wachholtz. Er weist unter anderem auf die Förderlücke für sogenannte verbundene Unternehmen hin: Wenn eine Firma mehrere Betriebsstätten, etwa Restaurants oder Kinos, als jeweils eigene Gesellschaft führt, gibt es die Überbrückungshilfe nur für eine davon.
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Hamburg habe mit dem Corona Recovery Fonds und dem Hamburger Stabilisierungsfonds jedoch vorbildlich reagiert, so Wachholtz. Auf Bundesebene seien die jüngsten Verbesserungen der Überbrückungshilfe III mit vereinfachter Beantragung und großzügiger Förderung dringend notwendig gewesen. Wichtig sei, dass die Firmen zeitnahe Förderzusagen bekämen und zügig das Geld fließe. Denn, so Wachholtz: „Erste Auszahlungen im Mai wären definitiv für viele Unternehmen zu spät.“
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