Berlin. Boeing stellt die Produktion des Katastrophenjets 737 Max ein. Das wird globale Auswirkungen haben. Alles zu den Folgen des Stopps.

Der Unglücksflieger 737 Max wird für den US-Flugzeughersteller Boeing zunehmend zu einem wirtschaftlichen Desaster. Nach zwei Abstürzen mit 346 Toten in Äthiopien und Indonesien bleibt der neue Flugzeugtyp seit Mitte März weltweit am Boden. Boeing produziert seither auf Halde in guter Hoffnung, dass der Krisenflieger bald wieder in die Luft kommt. 42 Maschinen im Monat.

Inzwischen stehen 400 fertige Jets dicht gedrängt vor den Werkshallen, auch auf Parkplätzen. Wert: rund 20 Milliarden US-Dollar. Die Wiederzulassung ist nicht in Sicht. Jetzt sieht sich Boeing zu einem radikalen Schritt gezwungen: Ab Januar wird die Produktion des wichtigsten Modells unterbrochen.

Der Fertigungsstopp, den Boeing kurz nach US-Börsenschluss am Montagabend (Ortszeit) verkündete, dürfte spürbare Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft der USA haben. Zwar will Boeing zunächst keinen der 12.000 Mitarbeiter im Hauptwerk in Renton bei Seattle an der Westküste entlassen oder in Zwangsurlaub schicken. Sie sollen vorübergehend andere Aufgaben übernehmen. Doch an Boeing, einem der wichtigsten Aushängeschilder der US-Industrie, hängen zahlreiche Zulieferer. Durch den Fertigungsstopp könnten sie in erhebliche Nöte gebracht werden.

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Boeing steht auch unter Druck durch Konkurrent Airbus

Zudem leidet die Außenhandelsbilanz der USA stark unter dem andauernden Auslieferungsstopp. Durch das Aussetzen der Produktion dürfte sich die Lage zusätzlich verschärfen.

Hintergrund des Produktionsstopps ist das angespannte Verhältnis zwischen Boeing und der US-Luftfahrtaufsicht FAA. Deren Chef Steve Dickson hatte Boeing in der vergangenen Woche öffentlich zurechtgewiesen und Hoffnungen auf eine baldige Wiederzulassung der 737 Max zunichte gemacht: Boeing verfolge nicht nur einen „unrealistischen“ Zeitplan, so Dickson.

Er verbat sich auch weitere Statements des Airbus-Rivalen, mit denen der Druck auf die Behörde erhöht werde. Noch im November etwa hatte sich Boeing optimistisch gezeigt, bis Jahresende grünes Licht von der FAA zu bekommen. Damit rechnen die Fluggesellschaften schon lange nicht mehr. Die FAA will zunächst fast ein Dutzend Mängel beseitigt sehen.

Die 737 Max sollte ein Effizienzwunder sein

Wann die Produktion der 737 Max wieder anlaufen könnte – dazu gab der US-Konzern erst gar keine Hinweise. Frühestens zur Vorlage der Quartalszahlen Ende Januar will sich Boeing zum weiteren Vorgehen äußern. Zuletzt stand die Produktion bei Boeing 1997 still. Damals hatten Probleme in der eng getakteten Lieferkette die Fertigung der 737 und 747 zum Erliegen gebracht.

Für die 737 Max hatte Boeing über 5000 Bestellungen von 100 Airlines eingesammelt. Bis zum Flugverbot waren schon 400 Exemplare der dritten Generation des über 50 Jahre alten Klassikers für Kurz- und Mittelstrecken ausgeliefert worden. Die Neuauflage verspricht ein Effizienzwunder – Boeing wirbt mit einem 13 Prozent geringeren Treibstoffverbrauch als bei Vorgängermodellen. Damit will der US-Konzern mit dem A320neo des europäischen Rivalen Airbus mithalten.

Die effizienteren Triebwerke sind größer und ließen sich anders als bei Airbus nicht einfach unter die Tragflächen des über 50 Jahre alten Modells montieren. Die Lösung waren stark abgeflachte und in die Tragflächen hereinragende Triebwerksgondeln, die jedoch die Flugeigenschaften veränderten. Die Software MCAS – die heute als Hauptursache für die beiden Abstürze gilt – sollte den Flieger stabilisieren. Bei der Zertifizierung durfte sich Boeing zudem teilweise selbst überwachen. Dem Hersteller wird vorgeworfen, die 737 Max auf Kosten der Sicherheit überstürzt auf den Markt gebracht zu haben.

Wird 737 zu einem größeren Problem für Tui?

Der wirtschaftliche Schaden für Fluggesellschaften durch das Desaster um die 737 Max ist riesig. In Deutschland warten TUIfly und der Lufthansa-Ableger Sunexpress auf ihre bestellten Maschinen. Sunexpress wollte in diesem Jahr 13 Jets in Betrieb nehmen, TUIfly hatte bei europäischen Tochtergesellschaften schon 15 Jets in der Luft. Seit den Abstürzen und dem weltweiten Flugverbot reißen sich die Airlines um gebrauchte Ersatzmaschinen.

Den Reisekonzern TUI kostete das Desaster um die Boeing 737 Max so im laufenden Jahr bereits 293 Millionen Euro, 43 Prozent des Gewinns. Für Boeing selbst bedeutet das Desaster mittlerweile einen Milliardenschaden. Kommt die Zulassung bis Ende April, fallen weitere 130 Millionen Euro an. Verzögert sie sich weiter, kostet das bis zu 270 Millionen Euro für die Miete und den höheren Treibstoffverbrauch der Ersatzjets. Der Produktionsstopp bei Boeing habe „keinerlei Auswirkungen auf die TUIfly“, sagt ein Unternehmenssprecher – schließlich plane der Ferienflieger bis Ende April schon gar nicht mehr mit den Maschinen. Auch Sunexpress habe bereits an „alternativen Szenarien“ gearbeitet, um Urlauber im Sommer an ihre Ziele zu bringen, sagt eine Sprecherin.

Deutlich zu spüren sind die Probleme indes bei Ryanair. Das irische Unternehmen hatte 135 Exemplare einer Spezialversion der 737 Max für Billigflieger bestellt, bei der zuletzt noch zusätzliche Konstruktionsprobleme bekannt wurden. Ryanair begründete jüngst die Schließung mehrerer Basen wie in Hamburg und Nürnberg mit den Lieferverzögerungen bei Boeing.