Hamburg. Es ist ein Urteil, das hohe Wellen schlägt. Medien wie „Focus“ und „Spiegel“ berichten online über die Entscheidung des Landgerichts Hamburg. Das Gericht verurteilte VW dazu, ein Diesel-Auto wegen gefälschter Abgaswerte zurückzunehmen. Ein Mann aus Geesthacht hatte die Volkswagen Automobile Hamburg GmbH verklagt. Zwar gibt es seit Bekanntwerden des Dieselskandals viele Urteilen zugunsten von Kunden – doch zwei Fakten machen diesen Fall besonders, sagt Rechtsanwalt Frederik Wietbrok. Er hat das Urteil für seinen Mandanten erstritten.
Als sein Mandant ihn erstmals kontaktierte und ihm mitteilte, dass er klagen möchte – obwohl er das Software-Update durchgeführt hatte –, war seine erste Reaktion: „Den Prozess verlieren wir.“ Denn bisher hatten die Richter in diesen Fällen noch nie für Verbraucher geurteilt. Solche Klagen seien mit dem Hinweis abgelehnt worden, dass nur Folgeprobleme des Updates Verhandlungsfall in einem Rechtsstreit sein könne. Das sah das Hamburger Landgericht in seinem Urteil (Az.: 329 O 105/17) anders: Der Kunde hätte befürchtet, dass ohne Update sein Pkw stillgelegt werde. Durch das Aufspielen der Software könne daher „ein Akzeptieren der Nachbesserung ... nicht gesehen werden“.
Die zweite Besonderheit sei, dass seinem Mandanten der Anspruch auf ein Nachfolgemodell seines Autos zugesprochen worden sei. Der Geesthachter hatte im April 2015 einen Tiguan I gekauft. Liefern soll VW jetzt einen mangelfreien Neuwagen Tiguan II. Andere Gerichte hatten dies abgelehnt, weil es eine andere Gattung sei. „Das sind schwierige juristische Fragen, die noch nicht abschließend geklärt sind. Es wäre schön, wenn sich die Obergerichte damit beschäftigen würden“, sagt Wietbrok. Sein Kunde muss zudem für die Nutzung des Tiguan I nichts zahlen, weil er auf Nachlieferung geklagt habe.
Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, VW kann in die nächste Instanz vor das Oberlandesgericht ziehen. Das erwartet Wietbrok auch: „Alles andere würde uns wundern.“ Das jetzige Urteil sei ein Einzelfall, so VW. Bevor höhere Instanzen urteilen konnten, schloss der Konzern bisher Vergleiche. Häufig einigen sich Händler mit Kunden, nehmen betroffene Wagen zurück, wenn ein neues Auto erworben wird.
Bleibt die Frage: Können betroffene VW-Dieselbesitzer noch klagen? Ja, sagt Wietbrok: „Die deliktischen Schadenersatzansprüche gegen VW enden erst 2018.“ Drei Jahre zum Jahresende nach dem Bekanntwerden des Dieselskandals im September 2015. Er rät allen Betroffenen zur Klage. Seine Beispielrechnung: Die Gerichte nehmen eine mögliche Laufleistung von 250.000 Kilometer an, gefahren wurden bisher 50.000. Bei einem Kaufpreis von 50.000 Euro ergäbe sich eine Rücknahmewert von 40.000 Euro. Wietbrok: „Das kriegen sie nirgendwo auf dem Markt.“
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