E.on und andere Versorger bauen erneuerbare Energien aus. Die Hansestadt geht mit Vattenfall einen anderen Weg, setzt auf das Kraftwerk in Moorburg

Hamburg. Die einen steigen aus, die anderen steigen ein: Deutschlands größter Energieversorger E.on hat am Montag seinen geplanten radikalen Konzernumbau erläutert. Das Düsseldorfer Unternehmen wird die Energieversorgung aus Kohle, Erdgas und Kernspaltung aufgeben, zudem die Förderung von Erdgas und Erdöl. All dies soll in einem neuen Unternehmen mit etwa 20.000 Mitarbeitern gebündelt werden, das E.on 2016 mehrheitlich an die Börse bringen will. E.on selbst wird sich künftig mit rund 40.000 Mitarbeitern auf das Geschäft mit erneuerbaren Energien, den Betrieb von Energienetzen und auf Kundenservices konzentrieren: „Mit den erneuerbaren Energien hat sich in den vergangenen Jahren eine neue Energiewelt gebildet. Deren entscheidender Erfolgsfaktor ist Kundennähe“, sagte Johannes Teyssen, Vorstandsvorsitzender von E.on, am Konzernsitz in Düsseldorf. Die dezentrale Energieversorgung mit Quellen wie Windkraft und Solarstrom, mit Energiespeichern und „intelligenten“ Stromnetzen sei von anderen Innovationen und Marktkräften geprägt als die bisherige, „alte“ Energiewelt. Beide Systeme, sagte Teyssen, würden jedoch noch viele Jahre parallel existieren.

Während E.on und die anderen in Deutschland tätigen Großversorger Energie Baden-Württemberg (EnBW), RWE und Vattenfall ganz oder teilweise aus der Nutzung der Kohlekraft aussteigen, beginnt in Hamburg dieser Tage eine neue Ära der Kohleverstromung. Das Vattenfall-Steinkohlekraftwerk Moorburg nimmt am 23. Dezember mit seinem ersten Block den Regelbetrieb auf. Der zweite Block soll am 30. Juni 2015 folgen. Die Hansestadt, die der Senat wegen vieler Unternehmenszentralen aus der Branche der erneuerbaren Energien gern „Hauptstadt der Windkraft“ nennt, wird nun voraussichtlich auf Jahrzehnte überwiegend mit Steinkohlestrom versorgt. Das Kraftwerk Moorburg leistet im vollen Betrieb 1730 Megawatt, es kann rund 12,4 Terawattstunden Strom im Jahr erzeugen. Das entspricht rund 89 Prozent des Hamburger Stromverbrauchs in diesem Jahr. Die 8,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2), die Moorburg bei voller Auslastung im Jahr freisetzen würde, gehen auf der Erzeugerseite in die Hamburger Klimabilanz zusätzlich mit ein. Hamburg verfolgt das Ziel, seinen CO2-Ausstoß bis 2020 gegenüber dem Basisjahr 1990 um 40 Prozent zu senken und bis 2050 um 80 Prozent.

Unabhängig davon, wie viele Privathaushalte und Unternehmen in Hamburg Ökostrom nutzen: Ein regionales Stromnetz wird heutzutage immer von den größten Kraftwerken in seinem Einzugsgebiet unter Spannung gehalten und stabilisiert. Zwar fließt Strom aus den zahlreichen Windparks in Schleswig-Holstein und Niedersachsen in das Hamburger Stromnetz. Doch bei geringem Windertrag oder besonders hohem Strombedarf etwa bei der Industrie und im Hafen fällt Moorburg künftig die Schlüsselrolle zu. Die hat bislang das Atomkraftwerk Brokdorf an der Unterelbe inne. „Moorburg übernimmt die Grundlastversorgung von Hamburg“, sagte eine Sprecherin des städtischen Unternehmens Stromnetz Hamburg. Die Stadt hatte nach dem Volksentscheid von 2013 das Hamburger Stromnetz vollständig von Vattenfall zurückgekauft. Im Sommer erhielt Stromnetz Hamburg die Konzession für den Netzbetrieb in den kommenden 20 Jahren. Insgesamt werden die Hamburger Stromkunden von rund 350 Energieunternehmen mit Strom beliefert – physisch bereitgestellt wird der größte Teil davon in absehbarer Zeit aus dem Kraftwerk Moorburg. „Wir leiten Strom aller Energieanbieter durch, und Strom aus erneuerbaren Quellen genießt bei der Einspeisung Vorrang. Wer allerdings wie viel bei uns einspeist, liegt nicht in unserer Hand“, sagte die Sprecherin von Stromnetz Hamburg.

Moorburg ist das zweite Kohlekraftwerk, das Hamburg direkt mit Strom versorgt. Vattenfall betreibt auch das Fernwärmekraftwerk Wedel, das in den kommenden Jahren durch ein Gas-und-Dampf-Kraftwerk ersetzt werden soll. Die Agentur für Erneuerbare Energien stuft Hamburg in ihrer neuen Vergleichsstudie der 16 Bundesländer insgesamt auf Rang 13 ein. „Hamburg kann bisher nur geringe Erfolge bei der Nutzung der erneuerbaren Energien aufweisen“, heißt es in der Analyse. Bei der Stromerzeugung lag der Anteil der erneuerbaren Energien in Hamburg gemäß den derzeit aktuellsten Daten von 2012 bei 11,4 Prozent. Bundesweit dürften die erneuerbaren Energien in diesem Jahr mehr als ein Viertel zur Stromerzeugung beigetragen haben.

Die starke Dynamik bei der Erforschung und Anwendung der erneuerbaren Energien führte letztlich auch zur geplanten Aufspaltung von E.on. „In keine andere Art der Stromerzeugung fließen so viele Investitionsmittel wie in die Erneuerbaren – ein Trend, der nicht abebben, sondern sich sogar noch verstärken wird“, sagte Konzernchef Teyssen. Arbeitsplätze seien durch die geplante Zerlegung des Unternehmens nicht gefährdet. Auch die Abwicklung der Altlasten aus der Atomkraft sei gesichert. Das neu zu gründende Unternehmen für die konventionellen Energien werde die von E.on dafür gebildeten Rücklagen von 14,5 Milliarden Euro übernehmen. Bei der Energiewende werde E.on nicht nur auf den Vorreiter Deutschland setzen, sondern auf einen „weltweiten Trend“, sagt Teyssen. Die Aktie des Konzerns legte am Montag um gut fünf Prozent zu.