Verfahren zur Elbvertiefung soll wie geplant in sechs Tagen abgearbeitet werden. Verzögerungen sind unerwünscht

Leipzig. Riesige Schiffe voller Container, Tiefgang bis zum Grund der Elbe, Hamburgs Hafen am Limit. Von all dem ist im würdevollen, holzvertäfelten Verhandlungssaal des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig nichts zu sehen. In ihren roten Roben mit weißen Halsbindern nehmen die Richterinnen und Richter des 7. Senats am Dienstagmorgen um Punkt zehn Uhr vor dem Publikum Platz.

Der Vorsitzende Richter Rüdiger Nolte erklärt einige Regularien und beginnt dann die öffentliche Anhörung. „Ich hoffe, dass wir das hier gemeinsam gut durchhalten“, sagt er nicht ohne Grund. Denn nicht große Bilder, politischer Schlagabtausch, Containerberge und Wachstumsszenarien prägen diesen ersten Prozesstag. Sondern Fachbegriffe, die im wahrsten Sinne aus den Tiefen des Elbesediments stammen. Von Salinitätsgradienten ist hier die Rede, wenn es um den Salzgehalt des Elbstroms an seiner Mündung bei Cuxhaven geht, vom baroklinen Effekt, der etwas mit der Strömung des Flusses und der Ablagerung von Sedimenten zu tun hat, oder auch von Geschiebetransport: Erd-, Sand-, Gesteinsbewegungen am Boden des Flusses.

Für Laien ist bereits die politisch kartierte und verschlagwortete Debatte um die geplante Vertiefung und Verbreiterung der Elbfahrrinne kaum zu verstehen. Vor Gericht aber geht es erst recht ins Detail. Eingerahmt von Dutzenden Aktenordnern, von Mappen mit Planungsunterlagen, Gutachten, Analysen des Gerichts sitzen diejenigen vor den Streitparteien, die das letzte Wort haben werden. Und die sich weder ein X für ein U vormachen lassen noch zwei Dimensionen für drei. Als Hanz-Dieter Niemeyer, ein Gutachter der klagenden Umweltverbände, von zwei- und dreidimensionalen Analysetechniken zur Begutachtung des Flussgrundes spricht, fällt ihm die Bericht erstattende Richterin Kerstin Schipper kenntnisreich ins Wort. Ein „quasi dreidimensionales Modell“ des Flusslaufes, wie Niemeyer ausgeführt habe, sei ja in Wahrheit nichts anderes als ein zweidimensionales, „das anschließend analytisch aufgesattelt wird“. Wer Großfrachter im Elbschlick, wer drastische Schilderungen leerer Hafenterminals oder aber – von der Gegenseite – Bilder verwaister Nester des schützenswerten afrosibirischen Knutts erwartet hatte, kommt hier nicht auf seine Kosten.

Dafür aber das Recht. Der Vorsitzende Richter macht eingangs deutlich, dass es einen straffen Zeitplan abzuarbeiten gelte, um offene Fragen zu klären, um vor allem feststellen zu können, ob die Prognosen der Planungsbehörden tragfähig seien. Dazu werden am ersten Verhandlungstag zunächst deren Instrumentarien – technische Hilfsmittel wie Computerprogramme, aber auch rechnerische Grundlagen – seziert und und juristisch unter die Lupe genommen. Bei all dem, das macht Nolte deutlich, könne es nach wie vor auch nötig werden, das Planverfahren zur Elbfahrrinne mit dem Europäischen Wasserrecht vertieft abzugleichen.

Das parallel laufende Verfahren zur Vertiefung der Außenweser hatten die Leipziger Richter aus diesem Grund vor einigen Monaten an ihre Kollegen beim Europäischen Gerichtshof in Straßburg delegiert. Hamburg hatte sich mit der Europäischen Kommission im Vorfeld durch Gutachten zum Europäischen Wasser- und Umweltrecht mit Blick auf die Elbvertiefung intensiv ausgetauscht, um genau das zu vermeiden. Unwahrscheinlich ist deshalb zwar ein Umweg über Europa für das Hamburg-Verfahren, ganz ausschließen kann man ihn aber nicht.

Sehr deutlich machte Richter Nolte allerdings, dass er den Fragenkatalog bei aller gebotenen Gründlichkeit straff abarbeiten will. „Wollen sie jetzt hier eine Powerpoint-Präsentation halten“, fragte er gleich zu Beginn den Gutachter Niemeyer, der aus Sicht des Richters nicht zügig genug zur Sache kam. Überhaupt hakelte es zwischen beiden immer wieder mal.

Das ließ Gunther Bonz, den Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH), in der ersten Verhandlungspause frohlocken: „Der Richter goutiert die Verzögerungstaktik der Umweltverbände nicht“, zog der stets offensiv agierende Hafenmanager und frühere Hamburger Staatsrat ein Zwischenfazit. Auch er allerdings wollte kein vorschnelles Urteil darüber fällen, welcher Seite denn die Richter gewogen sein könnten – zu vielschichtig ist die Materie, um die es geht, zu viel steht für Hamburg und für die Anrainer der Unterelbe bei diesem komplizierten Verfahren auf dem Spiel.

Seit 2006 lief das Planfeststellungsverfahren zur Vertiefung und Verbreiterung der Elbfahrrinne. Öffentliche Anhörungen, drei Nachträge, zahllose politische Debatten hat das mehr als 2600 Seiten umfassende Werk bereits hinter sich. Im Oktober 2012 stoppten die Leipziger Richter per Eilverfahren die Umsetzung, nachdem BUND und Nabu, unterstützt vom WWF, dagegen geklagt hatten. Geht es für Hamburg aus Sicht der Politik und Hafenwirtschaft gut, fällt wohl im August ein Urteil, das die Elbvertiefung nach – inklusive aller Vorläufe – nunmehr fast zehn Jahren Bearbeitungszeit frei gäbe.

„Dann könnten nach letzten Vorbereitungen, etwa der nötigen Ausschreibung für die Bauunternehmen, nach vier bis sechs Monaten die Arbeiten beginnen, die maximal zwei Jahre dauern würden“, sagt Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos). Den Zeitplan für die Umsetzung er Elbvertiefung kennt er längst auswendig. Er musste ihn in den vergangenen Jahren immer wieder verschieben.