Steuerkriminalität

Wie die Zumwinkels ihre eigene Moral entwickeln

| Lesedauer: 3 Minuten
Daniel F. Pinnow

Foto: INA/AA/CVI / REUTERS

Würden härtere Strafen millionenschwere Steuersünder zur Einsicht bringen? Wohl kaum – so mancher Top-Manager koppelt seinen Maßstab für Ethik und Moral von den Gesetzen der Gesellschaft ab und bestätigen seinen Elite-Anspruch immer wieder im eigenen Kreis. Das Selbstwertgefühl bleibt trotz hoher Strafen unversehrt.

Deutschlands Eliten stehen am Pranger. Nach wochenlangen Debatten über Gehälter, Rotlicht-Skandale und Schmiergelder liefert nun die Steuer-Affäre von Ex-Post-Chef Zumwinkel neue Munition. Härtere Strafen bei Steuer-Vergehen fordern die einen, eine Veröffentlichungspflicht für das Einkommen von Managern die anderen.

Beides ist Nonsens. Denn diese Skandale wachsen nicht auf zu milden Gesetzen oder mangelnder Transparenz. Sie ernähren sich von einem falschen Elite-Verständnis: Ein Teil der deutschen Top-Manager definiert sich nicht durch das Urteil der Öffentlichkeit als Elite, sondern aus sich selbst heraus. Die Kriterien dieser Manager sind simpel. Sie fragen nicht, was jemand leistet und wie er seiner Verantwortung gerecht wird, sondern aus welchem "Stall" er kommt und wie viel Macht er besitzt.


Diese selbst ernannte Macht-Elite koppelt ihren Maßstab für Ethik und Moral von den Gesetzen der Gesellschaft ab und kann sich ihren Elite-Anspruch so immer wieder im eigenen Kreis selbst bestätigen. Und das wirkt sich unmittelbar darauf aus, wie diese Manager ihr eigenes Handeln bewerten. Was in der deutschen Gesetzgebung schwarz ist, sehen sie als grau. In einem Steuersystem mit Spitzensteuersätzen von über 50 Prozent fühlt sich ein solcher Manager darum im dunkelgrauen Bereich, wenn er versucht, das seiner Meinung nach ungerechte System zu hintergehen.

Anstatt darum das Steuergesetz zu verschärfen sollten die deutschen Politiker vielmehr das Steuersystem an sich überdenken.

Das eigentliche Problem besteht jedoch darin, dass die Manager dieser Wirtschafts-Elite zwar damit rechnen müssen, verurteilt zu werden, wenn sie gegen das Gesetz verstoßen. Ihre empfindlichen Stellen aber, ihr Machtanspruch und damit ihr Selbstwertgefühl bleiben meist unversehrt, denn sie fallen immer wieder weich in ihr selbst gesponnenes Netzwerk: Kurze Zeit später tauchen sie in einem anderen Unternehmen als Berater oder Mitglied des Aufsichtsrates auf oder tingeln sogar als "Experte" durch die Talkshows.


Mit Folgen für die deutsche Wirtschaft. In unseren Management-Seminaren erleben wir immer mehr hoch begabte und gut ausgebildete Leute, die sich bewusst gegen dieses System entscheiden. Dieser Management-Nachwuchs meidet oft die DAX30-Unternehmen indem er in die Selbstständigkeit startet, sich bei NGOs einbringt oder sich direkt ins Ausland bewirbt. Bestenfalls heuern diese High Potentials im deutschen Mittelstand an. Denn hier schippern immer noch überwiegend ehrbare Kapitäne ihre Schiffe mit Respekt und Know How durch die Weltmeere der Globalisierung.

Sie sind für mich ein Teil der eigentlichen deutschen Wirtschafts-Elite, die wir beim Anblick der einzelnen Piraten, die da draußen ihr Unwesen treiben, leider vor Schreck oft vergessen. Das ist eine Elite, die sich eben nicht durch Macht definiert, sondern durch innere Überzeugung, Kontaktfähigkeit, Wertschätzung und Ressourcenmanagement. Sie setzt sich zusammen aus Vertretern des Mittelstandes und trotz aller Skandale immer noch auch aus Managern der DAX-Konzerne. Und dieser Elite gehört - hoffentlich wieder - die Zukunft.

Zum Autor: Management-Berater Daniel F. Pinnow ist Autor des Buches "Elite ohne Ethik?" und Geschäftsführer der Akademie für Führungskräfte in Überlingen. Die Akademie trainiert über 8000 deutsche Führungskräfte im Jahr, Pinnow selber coached jährlich 100 Top Manager im deutschen Mittelstand und in den M-Dax-Unternehmen.

Quelle: Welt Online

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Wirtschaft