Brüssel. Als britische Forscher 1997 das Klonschaf Dolly präsentierten, war die Aufregung groß. Nun sorgen Dollys Erben in Europa für Wirbel. Experten warnen, das Fleisch und die Milch der Nachkommen geklonter Tiere würden längst den Verbrauchern aufgetischt.
Anlass zur Sorge geben aktuelle Fälle in Großbritannien: Dort geht die Behörde für Lebensmittelsicherheit (FSA) Berichten nach, die Produkte der Nachkommen von Klon-Kühen seien in die Nahrungskette gelangt. Nach Angaben des britischen Rinderzuchtverbands Holstein UK sind womöglich 100 Rinder betroffen. Sie sind Nachkommen einer geklonten Kuh aus den USA. Dort sind Lebensmittel, die von Klontieren stammen, bereits seit zwei Jahren grundsätzlich erlaubt.
Großbritannien sei in Europa kein Einzelfall, warnt der Experte Christoph Then. Sein Münchener Institut Testbiotech veröffentlichte im Auftrag der europäischen Grünen eine Studie zu den Risiken des Klonens von Farm-Tieren. „Es besteht Grund zur Sorge, dass Lebensmittelprodukte, die von Klontieren abstammen, ohne Kenntnis der Öffentlichkeit in der Europäischen Union in die Nahrungskette gelangt sind“, heißt es in der Analyse.
Die britische Lebensmittelbehörde schlägt deshalb Alarm. Für sie sind die Milch und das Fleisch der Nachkommen von Klontieren „neuartige Lebensmittel“ (novel food) und benötigen eine gesonderte Zulassung. Auf europäischer Ebene gibt es hier eine Regelungslücke. Das räumt auch die Europäische Kommission in Brüssel ein: „Das Fleisch und die Milch der Nachkommen sind nicht von der Gesetzgebung erfasst“, sagt Kommissionssprecher Roger Waite. Bisher sind nur Steaks und Schnitzel tabu, die von geklonten Tieren selbst stammen.
Durch Europa zieht sich in der Klon-Frage ein tiefer Graben: Die 27 EU-Staaten wollen die Produkte der Nachkommen von Klontieren unter strengen Auflagen zulassen . Deutschland und die meisten anderen Staaten berufen sich auf wissenschaftliche Studien, nach denen der Verzehr unbedenklich ist.
Das Europaparlament stimmte dagegen Anfang Juli mit überwältigender Mehrheit für ein Verbot der Produkte von Klon-Nachkommen. Dabei führen die Abgeordneten ethische Bedenken ins Feld sowie den Tierschutz. Klontiere und ihre Nachkommen seien häufiger anfällig für Krankheiten. „Die Technik des Klonens ist für die Tiere mit enormen Leiden verbunden“, betont der CDU-Europaparlamentarier Peter Liese.
Die EU-Kommission will bis Jahresende zunächst einen neuen wissenschaftlichen Bericht vorlegen. Neue Erkenntnisse sind dringend nötig. Denn das Klonen von Farmtieren vollzieht sich in einer Grauzone. Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) schätzte die Zahl der Klonrinder vor zwei Jahren auf knapp 4000 weltweit, die geklonter Schweine auf rund 500. Genaue Zahlen gibt es nicht, denn es gibt keine Meldepflicht.
Der Münchner Experte Then fordert deshalb ein weltweites Register, um Aufschluss über das Klonen in besonders aktiven Ländern wie den USA, Argentinien, Japan oder Australien zu erhalten. Für nötig hält Then zudem eine strenge Kennzeichnungspflicht für Klonprodukte in Europa. Denn vom Geschmack oder Aussehen her lassen sich Milch oder Filets, die von Klontieren abstammen, nicht von herkömmlichen Lebensmitteln unterscheiden.
„Verbraucher müssen sich aber dennoch nicht verrückt machen lassen“, sagt Then. Bisher sei das Klonen für Lebensmittels-Zwecke für die Bauern kostspielig und deshalb nur ein Nischenmarkt.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Wirtschaft