HAMBURG. Das Versandhaus Heine, eine Tochter des Otto- Konzerns, hat offenbar Blusen verkauft, die von Kindern unter erbärmlichen Bedingungen in Indien bestickt wurden. In einer Kellerwerkstatt in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi mussten Kinder Blusen mit Pailletten versehen, die im Winterkatalog von Heine für knapp 40 Euro angeboten werden, schreibt der "Stern". In der Werkstatt waren auch Kinder beschäftigt, die bis zu 14 Stunden am Tag arbeiten mussten. Einige von ihnen wurden nach den Recherchen von ihren Familien als Arbeitssklaven verkauft und erhielten keinen Lohn.
"Ich bin bestürzt, dass bei allen unseren Anstrengungen und scharfen Kontrollen dieser Einzelfall möglich war", sagte Unternehmenschef Michael Otto. Der Versandhandelskonzern sei betrogen worden. Die Otto-Gruppe habe die Kinder aus dem Keller herausgeholt und an einen anderen Ort gebracht, wo sie eine Ausbildung erhalten. Die Geschäftsbeziehung zu dem indischen Lieferanten, der die Aufträge an den Betreiber der Kellerwerkstatt vergeben hatte, wurde gelöst. Der Otto-Konzern gilt als Vorreiter bei der Durchsetzung von Umwelt- und Sozialstandards für die Produktion in Entwicklungsländern.
"Dieser Fall zeigt allerdings, dass diese Standards nicht wasserdicht sind", sagte Waltraud Waidelich vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt bei der Nordelbischen Ev.- Luth. Kirche. Dabei sei der Otto-Konzern schon eines derjenigen Unternehmen, das hier eine Vorreiterrolle spiele. Um besser über solche unmenschlichen Arbeitsbedingungen informiert zu sein, müssten die Unternehmen mehr mit Nichtregierungsorganisationen (NGO) vor Ort zusammenarbeiten oder mit den lokalen Gewerkschaften, sagte Waidelich dem Abendblatt.
Eine weitere Schwachstelle bei dem Versuch, Mindeststandards in der Textilproduktion einzuhalten, seien die bei vielen westlichen Unternehmen beliebten Sozial-Audits, derer sich auch Otto bedient. Sie umfassen Befragungen der Lieferanten und Arbeiter vor Ort. So ergab die Studie Quick fix von Inkota, einem Netzwerk entwicklungspolitischer Basisgruppen, dass die Arbeiter oft Angst haben, Informationen über ihren Arbeitsplatz preiszugeben: Sie befürchten Repressionen. Dennoch sei ein ganzer Industriezweig von kommerziellen Prüfgesellschaften entstanden: Sozial-Audits entwickeln sich trotz ihrer Schwächen zum blühenden Geschäft in der Textil- und Sportbekleidungsindustrie.
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