Hamburg. Stefan Schrader staunte nicht schlecht, als ihm vor einigen Wochen eine Rechnung über 577,68 Euro auf den Tisch flatterte - die Jahresgebühr für einen Eintrag seiner Hamburger Elektrogroßhandlung in eine Publikation mit dem Titel "Br@nchenbuch". Absender des Schreibens: die TVV Verlag GmbH aus Hamburg. "Die kenne ich gar nicht, auch von diesem Branchenverzeichnis habe ich noch nie etwas gehört, und einen Vertrag habe ich nie abgeschlossen", erbost sich Schrader gegenüber dem Abendblatt.
Begleichen will er die Rechnung auf keinen Fall. Auch wenn der Verlag zum Beweis eine Kopie des Auftragsformulares beigelegt hat - mit der Unterschrift von einem Mitarbeiter Schraders. Der hatte mit "i.V.", also in Vertretung unterschrieben, was Schrader nicht bestreitet. "Aber die haben meinen Mitarbeiter reingelegt", sagt Schrader, der "ganz sicher" ist, dass auch andere Unternehmen betroffen sind. Er will den Vertrag anfechten, sich notfalls vor Gericht verklagen lassen.
Ähnliche Vorgehensweisen sind nicht neu. Immer wieder haben dubiose Firmen in der Vergangenheit Rechnungen verschickt. So wurden die Besitzer von Internetadressen (Domains) von angeblichen Domain-Verwaltern aufgefordert, Gebühren zu zahlen. Oder es wurden Rechnungen für Branchenbucheinträge verschickt, und nur im Kleingedruckten war zu erkennen, dass es sich lediglich um eine Offerte handelte.
"Wir kennen die Branchenbuch-Methode. Solche Firmen heißen bei uns Anzeigenhaie", sagt Edda Castello von der Hamburger Verbraucher-Zentrale. Betroffen, und zwar zu Tausenden, seien Freiberufler und kleine Gewerbetreibende. Castellos Urteil über die Branchenbücher: "Sie sind sinnlos. Es ist ja völlig unklar, ob sie jemand nutzt."
Und so soll sich das Ganze beim Elektrohändler Schrader abgespielt haben: "Ein Herr kam herein und sagte, er komme vom Hamburger Brancheninfo, es ginge nur um die Überprüfung einiger Daten", erinnert sich der Mitarbeiter, der das Formular unterschrieb. Laut seiner eidesstattlichen Erklärung, die dem Abendblatt vorliegt, schrieb der Vertreter danach noch etwas ins Formular. Auf der Kopie stand später die Zahl 300 neben dem Wort "Insertionsgebühr" (Eintragungsgebühr). Ebenfalls angekreuzt: 198 Euro für die "bundesweite Ausgabe" des Branchenbuchs. Alles zuzüglich 16 Prozent Mehrwertsteuer. Den Hinweis im Kleingedruckten, dass der Vertrag gleich für zwei Jahre, bei Unterschrift des Unternehmers selbst sogar für fünf Jahre gilt, hatte der Mitarbeiter offenbar nicht wahrgenommen.
Wulf Lohmeyer, Geschäftsführer des TVV Verlages, weist die Vorwürfe von sich: "Mir ist nicht klar, wie man die fünf Sätze auf dem Formular übersehen kann", sagte er dem Abendblatt mit Bezug auf das Kleingedruckte. Es habe zwar in "Einzelfällen" Beschwerden gegeben. Allerdings sei das "Br@nchenbuch" ebenso nützlich und seriös wie die "Gelben Seiten". Es verfüge über 1,3 Millionen Einträge und eine "fünfstellige Auflage". Die drei Regionalbände kosteten 20 Euro. Inserenten erhielten ein kostenloses Exemplar. Verbraucherschützerin Castello rät Betroffenen, sich nicht unter Druck setzen zu lassen. Ihr Tipp: "Das Geld nicht überweisen, den Vertrag anfechten." Die Gegenseite müsse dann ihr Geld einklagen, werde aber "mit hoher Wahrscheinlichkeit vor Gericht unterliegen", so Castello. Auch wer bereits überwiesen habe, solle den Vertrag anfechten. Ihr Rat: "Möglichst schnell die Bank informieren, bei der der Anzeigenhai sein Konto hat. Die Banken mögen es nämlich gar nicht, wenn ihre Konten missbraucht werden."
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