Köln. Im Interview spricht Bastian Bielendorfer (36) unter anderem über seine Ruhrpottwurzeln und die Corona-WG mit seiner Schwiegermutter.

Er ist Deutschlands wohl bekanntestes Lehrerkind: Bastian Bielendorfer, gebürtiger Gelsenkirchener, bekannt geworden durch einen bemerkenswerten Auftritt bei „Wer wird Millionär?“, mittlerweile mehrfacher Bestsellerautor und Comedian. Nun erscheint sein neues Buch „Die große Pause. Mein Corona-Tagebuch“. Darin berichtet der 36-Jährige auf manchmal sehr pointierte, manchmal aber auch sehr ernste Art und Weise von seiner persönlichen Corona-Zeit.

Herr Bielendorfer, Sie sind Gelsenkirchener, leben aber seit über zehn Jahren in Köln. Woran denken Sie zuerst, wenn Sie sich an Ihre Kindheit im Ruhrpott erinnern?

Bastian Bielendorfer: Samstagmorgens habe ich immer mit meinem Vater die Zeitungen geholt, im Presseverkauf unterhalb des Gelsenkirchener Hauptbahnhofes. Der wurde damals noch „der Taubenknast“ genannt, weil er so unglaublich hässlich war. Dabei stießen wir jedes Mal auf die Fußballfans.

Das ist eine meiner prägendsten Erinnerungen – dass samstags immer die Innenstadt verwüstet war wegen Schalke (lacht). Aber ich denke auch an den Ruhrpott an sich. Ich habe noch die Zeiten erlebt, in denen es den klassischen Kiosk mit der Oma gab, wo man Gläser mit braunen Heringen und Soleiern kaufen konnte.

Zieht Sie denn irgendetwas zurück in die Heimat?

Es ist nicht so, dass ich meine Heimatstadt nicht mag. Trotzdem muss man sagen, dass Gelsenkirchen von allen Städten im Ruhrgebiet am wenigsten vom Strukturwandel profitiert hat. Die Einkaufsstraße ist eine Aneinanderreihung von Ein-Euro-Läden, Billigfriseuren und leerstehenden Kaufhäusern.

Ich würde mir wirklich wünschen, dass Gelsenkirchen wie ein Phönix aus der Asche zurückkehrt. Immerhin war es mal eine der wirtschaftlich erfolgreichsten Städte des Ruhrgebietes.

Ihr neues Buch ist ein Corona-Tagebuch. Wie haben Sie den Shutdown als Privatmensch erlebt? Sind Sie wahnsinnig geworden oder haben Sie die Entschleunigung genossen und angefangen, Bananenbrot zu backen?

Wenn Hefe verfügbar gewesen wäre ... (lacht). Ich war als Stand-up-Comedian immer wahnsinnig viel auf Tour, habe nur in Hotels geschlafen. Fünf Wochen lang zu Hause zu sein, war für mich deshalb eine schöne und heilsame Erfahrung. Auf der anderen Seite ist es ein seltsames Gefühl, so plötzlich zum Stillstand zu kommen, wenn man so lange auf Hochtouren gefahren ist.

Im Buch beschreiben Sie zum Beispiel, wie Ihre Schwiegermutter während des Shutdowns bei Ihnen eingezogen ist. Sind das alles wahre Geschichten?

Ja. Ich kam gerade von einem Auftritt in Berlin, da hatte meine Frau das mehr oder weniger eigenmächtig entschieden. Meine Schwiegermutter ist eine sehr liebenswerte Frau, ist aber sehr viel ordnungsliebender als ich. Irgendwann hat sie angefangen, unseren gesamten Kühlschrankinhalt mit Cellophan-Folie einzurollen, sodass es aussah, als sei Christo da gewesen.

Das waren die komischen Seiten der Krise. Die ernsten Seiten beschreiben Sie aber auch.

Ja. Zum Beispiel erzähle ich von der Zeit, als sich die Leute auf der Straße für drei Rollen Klopapier fast überfallen haben. In einer Situation des Mangels haben leider viele ihren Anstand verloren.

Wie gefällt denn Ihrem Lehrer­vater das Buch?

Es hat ihm außergewöhnlich gut gefallen. Er meinte sogar: Sohn, das ist endlich mal ein richtiges Buch (lacht).

In diesem Buch geht es merklich weniger ums Lehrerkindsein als in den Büchern davor. Ist die Geschichte auserzählt?

Wahrscheinlich. Trotzdem bin ich dem Label dankbar. Ich bin genau das geworden, was ich sein wollte, und es ist okay, dass sich die Leute das Lehrerkind besser merken können als meinen Namen. Aber natürlich entferne ich mich in meinem aktuellen Programm und dem Buch ganz deutlich davon. Ich bin 36 Jahre alt. Als das Lehrerkind zur Welt kam, war ich 26.

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Am Ende des Buches machen Sie den Tod Ihrer Mutter öffentlich. Warum haben Sie sich für diesen Weg entschieden?

Meine Mutter ist vor zwei Jahren an Lungenkrebs gestorben. Sie war natürlich Teil meines privaten Kosmos, aber auch meines Berufs, weil ich auf der Bühne und in meinen Büchern von ihr erzählt habe. Meine Mutter hat ihren eigenen Fanclub, ich kriege zu ihrem Geburtstag Pakete, obwohl sie nicht mehr lebt. Ich habe lange überlegt, wie ich den Leuten sagen kann, dass sie nicht mehr da ist.

Sie entschieden sich gegen die Bühne und für das Buch.

Ja. Da konnte ich mir ganz genau überlegen, was ich preisgebe. Letztendlich wollte ich aber auch transportieren: Krebs ist die häufigste Zivilisationskrankheit. und er macht auch vor Komikern keinen Halt.

Morgens ins Hospiz zu fahren und abends in der Emscher-Lippe-Halle 2000 Menschen zu unterhalten, ist ein Spagat, den man körperlich und seelisch nur schwer halten kann. Dennoch bin ich meinem Job als Comedian sehr dankbar, weil es der einzige Bereich meines Lebens war, in dem ich Souveränität gespürt habe. Meiner Mutter war es auch immer sehr wichtig, dass ich weitermache.

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