Berlin. Containern ist aktuell illegal. Doch viele Kritiker können nicht nachvollziehen, warum die Mitnahme von Müll noch unter Strafe steht.

Franziska und Caroline haben es eigentlich nicht nötig, in Mülltonnen nach Lebensmitteln zu wühlen. Die beiden Studentinnen aus dem bayerischen Olching taten es trotzdem. Nicht aus finanziellen, sondern aus moralischen Gründen.

Die beiden Frauen wollten Lebensmittel, die von einem Edeka-Markt entsorgt worden waren, verwerten. Als sie abgelaufene Joghurtbecher, Äpfel und Salat aus dem Container fischten, wurden sie von der Polizei erwischt.

Die Staatsanwaltschaft München sah einen Fall von schwerem Diebstahl, da die Olchingerinnen zuvor das Schloss des Containerns geknackt hatten, und forderte jeweils 1200 Euro von Franziska und Caroline. Die beiden, die ihre Nachnamen nicht nennen wollen, zogen vor das Münchener Amtsgericht und wurden im Januar wegen einfachen Diebstahls zu je 225 Euro Geldstrafe auf Bewährung sowie acht Stunden Sozialarbeit verurteilt.

Unter dem Spitznamen „Olchis Containern“ in Anlehnung an die im Müll lebenden grünen Wesen von Kinderbuchautor Erhard Dietl machten sie ihren Fall in einem Blog öffentlich – und setzen sich seitdem für die Legalisierung des sogenannten Containerns, also des Einsammelns von entsorgten Abfällen, ein.

Containern: Supermärkte sollen weniger Lebensmittel verschwenden

Einen Fürsprecher erhielten sie nun mit dem Hamburger Justizsenator Till Steffen. Der Grünen-Politiker hatte für die Konferenz der Justizminister der Länder in Lübeck einen Antrag vorbereitet, wonach das sogenannte Containern künftig gestattet sein soll. Für noch sinnvoller hält Steffen aber ein gesetzliches Wegwerfverbot für Supermärkte – dann erübrige sich auch das Containern.

Dies wäre „am nachhaltigsten und effektivsten“, sagte Steffen unserer Redaktion. Eine derartige Regelung gibt es bereits unter anderem in Frankreich: Größere Supermärkten dürfen dort noch genießbare Lebensmittel nicht wegwerfen, sondern müssen sie an gemeinnützige Organisationen verschenken.

Um das Containern zu entkriminalisieren, wollte der Senator den Bund auffordern, das Strafrecht zum Diebstahl zu ändern. Denkbar sei auch eine Modifikation von Paragraf 959 des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Eigentumsaufgabe. Demnach gelten Lebensmittel auch dann als Eigentum, wenn sie weggeworfen werden, zumal der Eigentümer damit eine Absicht verbindet – nämlich ihre Entsorgung.

Steffen konnte sich mit seinem Vorstoß nicht durchsetzen: Die Mehrheit der CDU-Länder lehnte den Antrag Steffens ab, wie bei der Abschlusspressekonferenz der Justizministerkonferenz am Donnerstag in Lübeck-Travemünde mitgeteilt wurde.

Mülltonnen voller Essen: Jeder Deutsche wirft 85 Kilogramm Lebensmittel weg

Containern gegen Verschwendung: 12,7 Millionen Tonnen Lebensmittel landen in Deutschland jedes Jahr im Müll.
Containern gegen Verschwendung: 12,7 Millionen Tonnen Lebensmittel landen in Deutschland jedes Jahr im Müll. © picture alliance / SZ Photo | dpa Picture-Alliance / Alessandra Schellnegger

Wie groß das Problem der Lebensmittelverschwendung in Deutschland ist, zeigt eine jetzt von der Universität Stuttgart vorgestellte Studie. Demnach landen jährlich 12,7 Millionen Tonnen Lebensmittel in Deutschland auf dem Müll. Jeder Deutsche wirft pro Jahr rund 85 Kilogramm Lebensmittel weg, dabei wären davon laut der Studienautoren 37 Kilogramm vermeidbar.

„Dass jährlich mehrere Millionen Tonnen Lebensmittel ohne rechtliche Folge weggeworfen werden und gleichzeitig Menschen strafrechtlich verfolgt werden, die Lebensmittel retten wollen, passt nicht zusammen“, findet Hamburgs Justizsenator Steffen.

Forderung: Keine Strafe für Menschen, die Lebensmittel aus Müll holen

Schon vor Steffens Vorstoß war Containern auf Bundesebene ein Thema, jetzt findet es zusätzliches Gehör. Erst im April forderte die Linke wegen des Falls der Olchinger Studentinnen die Bundesregierung per Antrag auf, Containern zu legalisieren. „Es ist ein Skandal, dass Menschen, die Lebensmittel aus dem Müll retten, dafür auch noch bestraft werden“, findet Antragssteller Niema Movassat.

Neben denen, die durch das Containern auf die Verschwendung der Lebensmittel aufmerksam machen wollten, würden auch diejenigen Abfälle aus der Mülltonne nehmen, die kein Geld hätten. „Diese Motive darf der Staat nicht mit dem schwersten Schwert des Staates, dem Strafrecht, begegnen“, sagte Movassat und forderte, dass die Regierung bei der Wegwerfkultur der Supermärkte aktiv werde.

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    Der Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) setzt sich für die Legalisierung des Containerns ein.
    Der Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) setzt sich für die Legalisierung des Containerns ein. © Klaus Bodig | Klaus Bodig

    Die Union aus CDU und CSU hatte schon durchblicken lassen, dass sie wenig von dem Vorschlag hält: „Es wäre zu kurz gegriffen, hier den Eigentumsschutz einzuschränken und damit gleichzeitig Vermüllung, Eindringen in abgesperrte Bereiche und nicht zuletzt Gesundheitsgefahren hinzunehmen“, sagte die Vorsitzende der CDU/CSU-Arbeitsgruppe für Recht und Verbraucherschutz, Elisabeth Winkelmeier-Becker.

    Stattdessen müssten Supermärkte in die Pflicht genommen werden, um „nicht mehr verkäufliche Waren rechtzeitig an die Tafeln abzugeben, anstatt sie tonnenweise wegzuwerfen“.

    In diesem Punkt herrscht zwischen den Regierungsparteien eigentlich Einigkeit, denn die SPD wirbt für ein Wegwerfverbot. „Wir wollen, dass wie in Frankreich auch in Deutschland Supermärkte haltbare Lebensmittel spenden, statt sie einfach wegzuwerfen“, sagte Johannes Fechner, SPD-Sprecher für Recht und Verbraucherschutz.

    Die Schuld dafür, dass ein solches Vorhaben nicht in die Tat umgesetzt wird, sieht Fechner bei Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU): „Ministerin Klöckner blockiert dieses sinnvolle Wegwerfverbot, ohne irgendwelche eigenen Vorschläge gegen Lebensmittelverschwendung zu machen.“

    Legales Containern? Für die nähere Zukunft unrealistisch

    Dass Containern in naher Zukunft legal wird, dürfte allerdings unrealistisch sein, denn wie Winkelmeier-Becker hält auch Fechner nichts davon, das Gesetz anzupassen. Wie im Fall der Olchinger Studentinnen sollte auch weiterhin das „gewaltsame Aufbrechen verschlossener Behälter“ nicht erlaubt sein.

    Kritik an Steffen übte der rechtspolitische Sprecher der FDP, Jürgen Martens. Er warf Steffen vor, nicht ausreichend dargelegt zu haben, wie er sich eine Legalisierung vorstellt. „Solange die vorgeschlagene Änderung nicht konkret ist, bleibt unklar, wie so etwas funktionieren soll“, sagte Martens.

    Er findet, dass es Sache der Unternehmen sei, ob diese Containern dulden wollen oder nicht. Statt die Straffreiheit aufzuheben fände es Martens sinnvoller, die Regelungen „über die Verzehrbarkeit und die Angaben über die Mindesthaltbarkeit zu prüfen“.

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    Die Diskussion ums Containern wirft vor allem auch die Frage nach einer Lösung auf:

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