Mehr als ein halbes Leben lang schienen sie eine – nach außen zumindest – glückliche und skandalfreie Ehe zu führen. Dass ein Paar sich trennt, ist in der schnelllebigen Entertainment-Branche nichts Ungewöhnliches, und auch im Rest von Deutschland ist das ziemlich normal. Schließlich scheitert laut Statistik jede dritte Ehe.
Doch dass eine Ehe so lange hält und dann doch noch in die Brüche geht, dass ist tatsächlich außergewöhnlich. „Wer trennt sich denn nach 42 Jahren Ehe?“ und „Das bringt mein Weltbild ins Wanken“, kommentieren deshalb nach der Trennung der Gottschalks auch die Nutzer auf Facebook und Twitter.
Die Karriere von Thomas Gottschalk
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Selbst Gottschalks Promi-Freunde klingen schockiert: „Ich bin bestürzt, gerade bei den beiden dachte ich immer, die kriegen das hin“, sagte etwa Komiker Otto Waalkes.
Eine Trennung nach so langer Zeit wie bei den Gottschalks ist ungewöhnlich
Viele Online-Kommentare klingen fast anklagend. Eine Trennung nach 42 Jahre scheint den Menschen offenbar irgendwie egoistischer als nach, sagen wir, 15 Jahren - so lange halten es rein statistisch gesprochen Paare in Deutschland miteinander aus.
Trennen im Rentenalter – muss das sein? Hätten sie sich nicht noch ein paar Jahre zusammenreißen können? Dieser Vorwurf schwingt jetzt bei vielen mit. Aber ist das wirklich so? Gibt es tatsächlich einen Punkt, an dem sich eine Trennung schlichtweg nicht mehr lohnt?
Der Hamburger Paartherapeut Eric Hegmann berät zwar nicht die Gottschalks, aber durchaus Paare, die sich nach langer Zeit trennen wollen. Er sagt: „Das Leben ist zu kurz für eine Beziehung, die unglücklich macht.“ Deshalb gebe es auf jeden Fall Beziehungen, die besser beendet werden sollten – auch noch im fortgeschrittenen Alter.
Und der gesellschaftliche Trend gibt ihm Recht: Immer mehr Menschen lassen sich nach 25 Ehejahren oder später scheiden. Waren es in den Neunzigerjahren noch neun Prozent der Scheidungen, stieg die Zahl 2017 auf 17,5 Prozent an.
Paartherapeut: Auch im Rentenalter kann eine Trennung noch Sinn ergeben
Doch warum trennen sich Menschen überhaupt nach so langer Zeit, wo es doch scheinbar so lange gut gegangen ist? „Oft fehlt den Partnern die Verbindung, sie fühlen sich für selbstverständlich genommen und wünschen sich mehr Aufmerksamkeit und Intimität“, sagt Hegmann.
Daran könne man aber arbeiten, denn: „Langzeitpaare eint meist viel mehr als sie trennt. Macken, die erst nach zwanzig oder dreißig Jahren stören, sind selten“, erklärt er.
Häufiger sei es, dass Dinge, die schon lange gestört haben, nun unerträglich wirken. Hier rät der Paartherapeut, sich Hilfe zu Suche und um die Beziehung zu kämpfen.
Eine Trennung im Rentenalter, dass scheint vielen Menschen auch deshalb abwegig, weil man die Chance, das ältere Menschen sich noch mal neu verlieben können – und auch wollen – automatisch als gering einstuft. Und überhaupt: Sollten Themen wie Sex und Liebe jenseits der 60 überhaupt noch eine Rolle spielen? Die Gesellschaft sieht die Rentner eben lieber als fürsorgliche Großeltern, nicht als sexuelle Wesen.
Mehr als die Hälfte aller Senioren-Single wünscht sich eine neue Liebe
Dabei ist ein frisch verliebter Rentner gar nicht so abwegig: Laut einer Studie der Partnervermittlung Parship wünschen sich mehr als die Hälfte der deutschen Senioren-Singles eine neue Liebe. 32 Prozent der über 60-jährigen Frauen und 40 Prozent der über 60-jährigen Männer sagen in der Studie: „Ein ausgefülltes Liebesleben ist mir auch im Alter wichtig“. Und das geht vielleicht manchmal nur mit einem neuen Partner.
Doch die Trennung der Gottschalks erschüttert die Menschen auch aus anderen Gründen: Über 40 Jahre lang galten die beiden als Vorzeige-Paar, als Beispiel, dass – trotz aller deprimierender Scheidungsstatistiken – sie es doch noch gibt: die wahre Liebe.
Die Liebe, die ewig hält. Jeder Versuchung zum Trotz. Denn wenn ein Thomas Gottschalk, dem sich in der Glitzerwelt Hollywoods sicher allerlei Möglichkeiten bieten, mit seiner Thea zusammenbleibt, dann schafft es doch auch
Darum haben uns diese Promi-Trennungen so schwer enttäuscht
So ungefähr die Logik vieler Menschen, die sich nun enttäuscht zeigen und wie Otto Waalkes jetzt sagen: “Ich dachte, die schaffen das“. Was übersetzt so viel bedeutet wie: „Bitte schafft es, damit ich es auch schaffen kann“.
Ähnlich enttäuscht reagierte die Öffentlichkeit auch bei anderen Promi-Paaren, die sich nach vielen Jahren trennten. Schauspielerin Susan Sarandon und Regisseur Tim Robbins etwa, die nach 22 Jahre getrennte Wege gingen, Johannes B. Kerner und Britta Becker, die nach zwanzig Jahren die Scheidung einreichten, oder Schauspieler Arnold Schwarzenegger und Journalistin Maria Shriver, die sich ebenfalls nach rund 25 Jahre Ehe trennten.
Bei solch einer Projektion der eigene Wünsche und Hoffnungen auf Promi-Paare wird aber oft vergessen, worauf Paartherapeuten immer wieder hinweisen: Die Dauer einer Beziehung sagt nichts über die Qualität einer Beziehung aus.
Maria Shriver zum Beispiel trennte sich, weil sie herausfand, dass Schwarzenegger nicht nur eine jahrelange Affäre mit der Haushälterin hatte, sondern mit ihr auch ein Kind zeugte. Verglichen damit, ist das Ende der Gottschalk-Ehe dann doch eher ganz normal.
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