Hamburg. Hamburg ist der wichtigste Produktionsortder Kurz- und Mittelstreckenflieger von Airbus. Der Unglücksflieger jedoch kam aus Toulouse.

Gerade hat man bei Airbus noch gefeiert: Am Freitag ist das 9000. Flugzeug des Unternehmens ausgeliefert worden. Eine dieser 9000 Maschinen war der A320 mit der Seriennummer 147, der am Dienstag in Frankreich abgestürzt ist.

„Wir sind über einen Unfall mit einem Flugzeug der A320-Familie informiert worden, und alle unsere Anstrengungen sind darauf gerichtet, Klarheit über die Situation zu erlangen“, hieß es auf der Internetseite des Herstellers. „Unsere Gedanken sind bei den Menschen, die von diesem tragischen Ereignis betroffen sind.“

Es ist eine traurige Begleiterscheinung der Verkaufserfolge von Airbus in den zurückliegenden Jahren, dass mit dem steigenden Marktanteil der Europäer an der weltweiten Passagierjet-Flotte auch die Wahrscheinlichkeit zunimmt, an Unglücken beteiligt zu sein.

Liveticker zur Germanwings-Katastrophe

In besonderem Maße gilt das für die Flieger der A320-Familie, dem Verkaufsschlager des Unternehmens. Seit dem Erstflug des Grundtyps A320 im Jahr 1987 sind knapp 6500 Maschinen der Modelle A320, A318, A319 und A321 ausgeliefert worden – sie unterscheiden sich im Wesentlichen in der Länge und damit der Passagierkapazität. Sie reicht von gut 100 bis zu 240 Fluggastplätzen. Fast 6200 aller Kurz- und Mittelstreckenjets der A320-Reihe sind aktuell im Einsatz.

Hamburg spielt besondere Rolle

Hamburg spielt für dieses Flugzeugprogramm eine besondere Rolle: Das Airbus-Werk auf Finkenwerder mit mehr als 12.000 Beschäftigten ist das Kompetenzzentrum dafür, die Programmleitung hat hier ihren Sitz. Der größte Teil des Rumpfs aller je gebauten Maschinen dieser Typenfamilie wurde in Hamburg produziert.

Außerdem werden in dem Werk an der Elbe derzeit mehr Jets dieser Reihe zusammengebaut als an den anderen Endmontagestandorten Toulouse und Tianjin (China) kombiniert. Der Unglücks-A320 allerdings entstand in Toulouse; bis 2008 wurden in Hamburg nur die Jets der Typen A318, A319 und A321 montiert.

Das Grundmodell A320 war der erste Passagierflieger mit einer elektronischen Flugsteuerung. Er ist knapp 38 Meter lang, die Spannweite beträgt 34 Meter und das höchste Abfluggewicht 78 Tonnen. Je nach Ausführung kann der Jet mit maximal 180 Passagieren bis zu 6100 Kilometer weit fliegen. Der aktuelle Listenpreis wird mit umgerechnet 89 Millionen Euro angegeben.

Schwere Flugunglücke der vergangenen Jahre

Seit mehreren Jahren erhält Airbus für die Flugzeuge der A320-Familie mehr Neubestellungen als der Rivale Boeing für das Konkurrenzmodell 737. Dieses ist seit 1968 auf dem Markt, bis heute wurden mehr als 8400 Maschinen fertiggestellt.

Im Hinblick auf die Sicherheit schneidet das Airbus-Produkt im Vergleich zu dem Wettbewerber des US-Konzerns statistisch gesehen gut ab: Nach Erhebungen der Experten, die die Internetseite AirSafe.com betreuen, gab es einschließlich des Germanwings-Absturzes bisher elf tödliche Unglücke mit Jets der A320-Familie.

Flugzeuge der Boeing-737-Reihe waren hingegen an 73 solchen Unfällen beteiligt. Gezählt wurden Ereignisse, bei denen mindestens ein Passagier getötet wurde. Für diese starke Diskrepanz gibt es mehrere Gründe: Die Boeing­ 737 ist schon 20 Jahre vor dem A320 in den Liniendienst gegangen, der Weltluftverkehr ist aber dank zuverlässigerer Technik und verbesserter Verfahren tendenziell sicherer geworden. Außerdem sind mehr Boeing-737-Maschinen als ihre Airbus-Konkurrenzmodelle in Weltregionen mit üblicherweise höheren Flugunfallraten im Einsatz: In Südasien, Afrika und Südamerika stellt allein schon das tropische Klima eine besondere Herausforderung dar. Zudem stehen etliche Airlines aus diesen Regionen wegen Sicherheitsmängeln auf der sogenannten Schwarzen Liste der europäischen Flugsicherheitsbehörden.

Nach Angaben von Airbus haben Jets der A320-Familie bisher 85 Millionen Flüge von insgesamt rund 150 Millionen Stunden Dauer absolviert. Anderen Quellen zufolge kamen dabei knapp 1000 Menschen ums Leben.

Setzt man die tödlichen Unfälle in Bezug zu der Zahl der Flüge, die mit einem bestimmten Jettyp absolviert wurden, so gehört die A320-Reihe nach Angaben von AirSafe.com unter den Passagierfliegern aller Hersteller zu den fünf sichersten Baureihen überhaupt. An der Spitze steht ein anderes Airbus-Produkt: die vierstrahligen A340-Langstreckenmaschinen, die bisher ohne ein einziges tödliches Unglück unterwegs waren.

Zwar stehen die Flugzeugbauer in einem harten Wettbewerb um lukrative Aufträge. Es ist unter den Herstellern aber dennoch nicht üblich, öffentlich mit der Sicherheit ihrer jeweiligen Typen zu werben. Ebenso unüblich ist es, potenziell sicherheitsrelevante technische Pro­ble­me des Konkurrenten auszuschlachten. So hatte das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ vor wenigen Tagen über einen Zwischenfall berichtet, der einen A321 auf dem Flug von Bilbao nach München Anfang November 2014 betraf: Sensoren des Jets seien während des Steigflugs vereist und hätten das Computersystem des Flugzeugs mit falschen Daten gefüttert. Daraufhin hätten die Rechner einen steilen Sinkflug eingeleitet. Minutenlang seien die Piloten nicht in der Lage gewesen, dies mit eigenen Steuerimpulsen zu stoppen.

Erst durch Abschalten der Bordcomputer sei es der Crew gelungen, das Flugzeug wieder unter Kontrolle zu bekommen. Airbus habe inzwischen die Software für die Flugcomputer aktualisiert und eine Notanweisung an Piloten und Wartungspersonal herausgegeben, hieß es im „Spiegel“.

Nach Bekanntwerden des Germanwings-Absturzes verlor die Aktie der Airbus Group, dem Mutterkonzern des Ziviljetanbieters, am Dienstagvormittag innerhalb weniger Minuten um mehr als vier Prozent an Wert. Bis zum Nachmittag erholte sich das Papier jedoch. Zu Handelsschluss notierte die Aktie sogar um 0,7 Prozent oberhalb des Vortagsniveaus.