Los Angeles

Oscar-Anwärter Wenders: „Wir gewinnen sowieso nicht“

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Wim Wenders ist für den Oscar nominiert, am Abend findet die Verleihung statt. Aber der deutsche Regisseur hat eine böse Vorahnung.

Los Angeles. Auch in Hollywood trägt Wim Wenders blau. Die blaue Brille ist sein Markenzeichen, dazu türkisfarbene Schnürsenkel und grellblaue Socken, passend zum Hemd. Eher düster scheint für ihn dagegen die Aussicht auf den Oscar. „Wir gewinnen sowieso nicht“, sagt der 69-jährige Regisseur. Das klingt nicht resigniert, eher abgeklärt. Zwei Tage vor der Gala lehnt er sich entspannt im sonnigen Garten seines Hotels in Los Angeles zurück. „Ich habe ja schon zweimal gedacht, ich hätte eine Chance. Und dann habe ich immer gemerkt, dass man es als Europäer hier schwer hat mit Filmen, die von so weit her kommen.“

Seine Dokumentation „Das Salz der Erde“ spielt fernab von Hollywood. Es ist eine bildgewaltige Würdigung des brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado und seiner bewegenden Fotos aus Krisen- und Kriegsgebieten, von Flüchtlingen, Arbeitern, aber auch von imposanten Naturmotiven. Im Jahr 2000 war Wenders mit der kubanischen Musiker-Doku „Buena Vista Social Club“ im Oscar-Rennen, 2011 trug ihm der 3D-Tanzfilm „Pina“ über Pina Bausch eine Nominierung ein.

Im dritten Anlauf ist er etwas „abgebrühter“, umso aufgeregter ist sein Ko-Regisseur Juliano Salgado, der älteste Sohn des 71-jährigen Fotografen. Es wäre der erste Oscar-Sieg für einen Brasilianer. „Ich bin sehr stolz auf unsere Arbeit, der Film berührt und ich habe von Wim enorm gelernt“, bescheinigt der junge Salgado dem „großartigsten Meister der Filmkunst“.

Juliano und Wenders leben in Berlin, ebenso wie das Trio hinter der Oscar-nominierten Doku „Citizenfour“ über den Whistleblower Edward Snowden, US-Regisseurin Laura Poitras und die Produzenten Dirk Wilutzky und Mathilde Bonnefoy. Sie alle kennen und schätzen sich. Vermutlich ist es ein Novum, dass zwei in Berlin produzierte Dokus um den Oscar ringen, meint Wenders: „Berlin ist die Dokumentarfilm- Hauptstadt der Welt“, meint der gebürtige Düsseldorfer. Von den zehn Machern der fünf nominierten Dokumentarfilme sitzt immerhin die Hälfte in der Bundeshauptstadt.

Und wenn er am Sonntag doch gewinnt? „Dann bin ich platt. Dann weiss ich nicht, was sich sagen soll“, räumt er ein. „Müssen wir etwas vorbereiten, oder sprechen wir einfach frei heraus?“, fragt ihn Juliano. Wenders tut so, als würde er kein Wort herausbringen. Ein bisschen Humor ist im Oscar-Wettkampf angebracht.

Einen Platz für die Trophäe hätte er auch schon. Alle seine Preise habe er seiner Düsseldorfer Stiftung übergeben. Da würde auch der Oscar hinkommen. „Wenn ich den bei mir ihm Wohnzimmer hätte, dann sieht ihn ja kein Mensch“. Er wolle nicht mehr so viele Dinge besitzen, meint Wenders. „Das hat wohl ein bisschen mit dem Alter zu tun. Das was bleibt ist kein Besitz, sondern was man an Liebe und Aufmerksamkeit in die Projekte steckt. Alles andere ist nicht so wichtig, sagt er nachdenklich.

Im August wird er 70 Jahre alt. Anzumerken sind sie ihm nicht. Vielleicht weil er ständig auf Trab ist. Bei der Berlinale wurde er jüngst mit dem Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk geehrt. Dort stellte er auch den gerade fertig gewordenen 3D-Spielfilm „Every Thing Will Be Fine“ vor. Das New Yorker MoMA widmet ihm im März eine Retrospektive. Ab Mitte April stellt er im Düsseldorfer Museum Kunstpalast rund 80 Fotos aus. „Und dann ist erst mal Ruhe im Karton“, sagt Wenders. Ein neuer Spielfilm stehe nicht an. Er arbeite aber an einem Langzeitprojekt über Architektur. Das werde mindestens vier bis fünf Jahre dauern.

Und wann gibt es endlich einen Oscar? Den werde Wenders eines Tages bestimmt bekommen, beschwört Juliano Salgado. „Du hast locker noch 25 Jahre vor dir“, beruhigt er den Regisseur. „Genau!“, pflichtet Wenders bei. Wer weiß, vielleicht fehlen ihm schon am Sonntag die Worte.

( (dpa) )