Berlin. Kann Truvada Leben retten? Die HIV-vorbeugende Tablette sorgt derzeit für kontroverse Diskussionen unter Experten und Mediziner. Während einige das Präparat als Impfung gegen die Immunschwächekrankheit bezeichnen, warnen andere. Denn ein sicherer Schutz vor einer Ansteckung ist das Präparat nicht. Einer Studie zufolge schützt das Medikament, das präventiv eingenommen wird, in 75 Prozent vor einer Infizierung. „Diese Prozentzahl ist bei Studien mit heterosexuellen Paaren in Kenia und Uganda entstanden“, warnt Holger Wicht von der Deutschen Aids-Hilfe, der appelliert Untersuchungen mit Truvada genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn eine andere Studie mit homosexuellen Männern ergab, dass mit 44 Prozent weniger als die Hälfte, sich vor einer Ansteckung schützen konnten.
+++ Erstmals Aids-Präventionsmittel in den USA zugelassen +++
Seit 2004 wird Truvada in den USA angewendet. Menschen, die bereits mit HIV infiziert sind, nehmen die Tabletten regelmäßig ein, um ein Ansteckungsrisiko für andere zu mindern. Seit 2005 werden auch HIV-Positive in Deutschland mit dem Medikament behandelt. Dass Truvada jetzt auch präventiv eingenommen werden kann, gilt zuerst einmal nur für den US-Markt. „In Europa sind die Kriterien strenger, so leicht wird es hier wohl nicht zugelassen“, vermutet Holger Wicht.
Einen weiteren Nachteil von Truvada sei, dass es wie eine Anti-Baby-Pille regelmäßig eingenommen werde müsse. Vergesse man mal die HIV-vorbeugende Tablette, "sinkt die Schutzquote drastisch - bis hin zu Null", erklärt Wicht. Die Gefahr einer gleichgültigen Sorglosigkeit von Menschen, die sich vor Partys am Wochenende eine Truvada einschmeißen und denken, sie könnten sich nicht mehr infizieren, sieht die Deutsche Aids-Hilfe aber nicht. „Die große Masse wird sich weiterhin mit Kondomen schützen“, vermutet Wicht und fügt hinzu, dass diese im Unterschied einen fast 95-prozentigen Schutz vor einer HIV-Ansteckung bieten. Hinzu komme, dass eine Packung Truvada für einen Monat über 800 Euro kostet. Und dies könnten sich nur die wenigsten leisten. Vor allem nicht die Menschen in Afrika. Dort infizieren sich und sterben die meisten Menschen an der Immunschwächekrankheit. Ende 2009 zählte die UNAIDS, das Aids-Bekämpfungsprogramm der Vereinten Nationen, südlich der Sahara 22,5 Millionen HIV-Infizierte. 1,8 Millionen waren davon Neuinfizierte. 1,3 Millionen Menschen starben an der Krankheit. Allein in Südafrika wurden 310.000 Aids-Todesfälle gezählt. In Nigeria sind 220.000 Menschen an den Folgen einer HIV-Infektion gestorben.
Experten sind sich deswegen sicher, dass nur Aufklärung den Menschen in den armen Ländern helfen könne. Auch der Zugang zu HIV-Medikamenten, die den Ausbruch und die Symptome von Aids (Acquired Immune Deficiency Syndrome) inzwischen viele Jahre hinauszögern, würden helfen. In den Industrieländern ist die Versorgung mit diesen Wirkstoffen weitgehend gesichert. So hat die Zahl der Aids-Toten in Deutschland 2009 mit 431 Todesfällen einen Tiefstand erreicht (Statistisches Bundesamt). Im vergangenen Jahr zählte das Robert-Koch-Institut 73.000 an HIV oder Aids erkrankte Menschen in Deutschland. Ein Jahr zuvor waren es 70.000. Dabei hätten sich Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) zufolge, im vergangenen Jahr 2889 Menschen mit HIV infiziert. Mit rund 55 Prozent stellten homosexuelle Männer weiter die größte Gruppe. An Aids erkrankt seien im vergangenen Jahr 502 HIV-infizierte Menschen.
Denn das Humane Immunschwächevirus (HIV) ist die Ursache für die unheilbare Krankheit Aids. Der Erreger kapert bestimmte Immunzellen. Diese Gruppe der T-Helfer-Zellen geht an der Attacke früher oder später zugrunde. Damit können die Zellen ihrer Aufgabe nicht mehr nachkommen, Eindringlinge zu erkennen und das Abwehrsystem zu mobilisieren. In der Folge können sich viele Krankheiten weitgehend ungehemmt ausbreiten – harmlose Infektionen werden zur tödlichen Bedrohung.
Vor allem durch ungeschützten Geschlechtsverkehr und infizierte Injektionsnadeln wird das Hi-Virus übertragen. Der Erreger baut seine Erbsubstanz fest in die DNA des Menschen ein und lässt sich derzeit nicht daraus vertreiben. Das Virus ist sehr wandlungsfähig. Herkömmliche Impfstrategien funktionieren deshalb nicht. Viele Tests für einen Impfstoff schlugen bereits fehl.
Mit Material von dpa und kna
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