Hamburg. Ein gut zwei Meter großes "Monster" sieht man auch auf der Reeperbahn nicht alle Tage: Lordi, Sänger der gleichnamigen finnischen Heavy-Metal-Band und umstrittener Teilnehmer beim "Eurovision Song Contest 2006", dem ehemaligen Grand Prix, am 18. und 20. Mai in Athen, stand dem Abendblatt auf dem Kiez Rede und Antwort - auf 40 Zentimeter hohen Plateausohlen!
ABENDBLATT: Hallo Lordi. Kennst du eigentlich das legendäre Radiohörspiel "Krieg der Welten" von und mit Orson Welles?
LORDI: Klar, auch den Roman und die Filme, warum?
ABENDBLATT: Nun, die Einleitung auf eurem aktuellen Album "The Arockalypse" klingt ähnlich. Außerdem kommt eure Teilnahme am "Eurovision Song Contest" ja einer unheimlichen Begegnung der dritten Art gleich: eine Heavy-Metal-Band in Horrorkostümen beim Schlager-Grand-Prix!
LORDI: Meinst du? Ich frage mich, für wen die Begegnung unheimlicher ist, für uns oder für die anderen Interpreten. Auf der anderen Seite: Für viele jugendliche Metal-Fans in Finnland sind wir, genauso wie unsere Idole Kiss (Lordi ist Präsident des finnischen Kiss-Fanklubs - d. Red.) , Twisted Sister, King Diamond oder Alice Cooper, zu seicht, zu melodiös. Für sie sind wir eigentlich Pop. Hargh! Melodien sind auch für uns das allerwichtigste. Und damit sind wir beim Contest genau richtig aufgehoben.
ABENDBLATT: Den nationalen Vorentscheid konnte Lordi mit 43 Prozent der Stimmen locker für sich entscheiden. Eure eher der alten Schule entsprechende
Spielweise von Hardrock ist seit Ende der 90er wieder sehr populär geworden. Europaweit organisieren sich Rockfans, um für euch zu stimmen. Welche Chancen rechnet ihr euch aus?
LORDI: Ach, kommt es darauf an? Bei Musik gibt es kein besser oder schlechter, es gibt keine Meßlatte wie beim Hochsprung, nach der man Bands oder Künstler einordnen kann. Wir sind jedenfalls froh und dankbar, dabeizusein und die Zuschauer unterhalten zu dürfen. Damit wir dem Publikum in ganz Europa zeigen können, was rockt. Ohne unseren Beitrag "Hard Rock Hallelujah" würde dort doch alles gleich klingen.
ABENDBLATT: Nebeneffekt: Viele Metal- und Rockfans werden zum ersten Mal beim Eurovision Song Contest vor dem TV dabeisein?
LORDI: Skurril, nicht? Und hoffentlich werden sie für uns stimmen.
ABENDBLATT: Deutschland als Europas wichtigster Metal-Absatzmarkt wird vielleicht auch einige Punkte an euch vergeben?
LORDI: Yeah, Deutschland rockt. Udo Dierkschneider von "Accept" hat einen Song mit uns eingesungen, und wir waren auf Tour hier, auch in Hamburg, in der Markthalle.
ABENDBLATT: Texas Lightning, eure deutschen Konkurrenten, kommen aus Hamburg.
LORDI: Ach?
ABENDBLATT: Ja. Hat Texas Lightning eine Chance gegen euch?
LORDI: Texas Lightning? Hahahaha. Wer weiß. Country aus Deutschland ist jedenfalls auch nicht gerade alltäglich. Wir werden es sehen.
ABENDBLATT: Kommen wir zu anderen Widersachern: Viele finnische Gläubige meinen, ihr seid eine Schande für Finnland, weil ihr Satan preisen würdet, Zypern drohte sogar kurzzeitig mit dem Boykott der TV-Übertragung.
LORDI: Ja, und das verwundert mich. Gerade Gläubige sollten eigentlich die offensten und tolerantesten Menschen sein, wie es die Heilige Schrift vorschreibt. Aber die sehen nur eine Rockband in Horrorkostümen und denken sich den Rest aus, ohne uns zu kennen und unsere Songs gehört zu haben. Ist das objektiv und vorurteilsfrei? Nein! Denn sonst würden sie unseren Song "Devil Is A Loser" kennen (in dem sich Lordi über Satan und seine Anhänger lustig macht - d. Red.). Das sagt doch alles. Aber vielen Dank für die Promotion, die solche Leute damit für uns machen.
ABENDBLATT: Was haltet ihr eigentlich von ABBA?
LORDI: Oh. Große Songs. Große Melodien. Große Harmonien. Nicht umsonst covern auch viele Metal-Bands Klassiker wie "Money Money Money" oder "S.O.S".
ABENDBLATT: Allerdings waren ABBA die einzigen Song-Contest-Gewinner, die im Anschluß eine Weltkarriere starteten . . .
LORDI: Wie kannst du Celine Dion vergessen?
ABENDBLATT: Oh, Entschuldigung!
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