Hamburg. Fabian Hürzeler ist ein äußerst kommunikativer Trainer, einer, der viel mit seinen Spielern redet, ihnen Dinge erklärt, Gedanken nahebringt. Praktisch nach jedem Training ruft er die Profis des FC St. Pauli noch auf dem Platz in einen Kreis zusammen und bespricht mit ihnen Dinge, die ihm aufgefallen sind.
Und nach den Spielen in der Zweiten Liga sowieso. Jetzt aber, in der aktuellen Ergebniskrise mit vier sieglosen Partien nacheinander, wird es noch viel wichtiger für ihn, weiterhin intensiv mit dem Team zu kommunizieren.
FC St. Pauli: Der Glaube ans System muss bleiben
Das sagt Frauke Wilhelm (50), Programmmanagerin Sportpsychologie bei dem in München ansässigen Internationalen Fußball Institut. Sie beschäftigt sich mit den mentalen Herausforderungen im Leistungssport und kennt deshalb die Gefahren, die einer Mannschaft drohen, die hinter ihren Erwartungen zurückbleibt: „Es ist immer eine schwierige Situation für einen Trainer, eine Mannschaft kommt ins Wanken, wenn Ergebnisse ausbleiben.“
Das Problem beim Fußball ist, „dass etwa ein Drittel des Spielereignisses auf Zufall basiert, auf A folgt eben nicht automatisch B“, sagt Wilhelm. Genau das aber sei für Menschen grundsätzlich schwer auszuhalten – „wir wollen Erklärungen haben, deshalb gibt es oft die Suche nach kausalen Zusammenhängen.“ Und so besteht latent eine Gefahr, dass auch Gründe gesucht werden für Ergebnisse, die es objektiv nicht gibt.
Bornemann fordert, an Spielweise festzuhalten
Das System beispielsweise. Der FC St. Pauli ist mit seiner Spielweise sehr gefestigt, spielerische Lösungen, hohes Anlaufen, erstklassige Verteidigungsarbeit. Chancen werden herausgespielt, dennoch nicht genug Tore erzielt. Das ist eine problematische Situation.
„Wir müssen einfach an unserer Spielweise festhalten. Die Mannschaft darf den Glauben daran nicht verlieren, nur weil wir uns derzeit nicht mit Siegen belohnen“, sagte Sportchef Andreas Bornemann nach dem 1:1 bei Eintracht Braunschweig.
Spieler bemerken Unsicherheiten beim Trainer
Der größte Fehler, den ein Trainer in einer schwierigen Situation machen kann, wäre, alles Bisherige über den Haufen zu werden. „Spieler haben ein feines Gespür, sie merken Unsicherheiten beim Trainer, und sie wollen mitgenommen werden“, weiß die Expertin.
Um den Glauben an das System in der Mannschaft zu behalten, muss der Trainer immer wieder das Gelungene mit den Spielern besprechen, ihnen zeigen, was gut war, sie positiv bestärken. „Es darf nicht zu einem negativen Strudel kommen“, sagt Wilhelm, die zwischen 2018 und 2019 für den FC St. Pauli gearbeitet hat und noch immer mit Interesse ans Millerntor schaut.
Neuer Teamcoach Smolka kann wichtige Rolle spielen
Auch der neue Teamcoach Hinnerk Smolka kann in der derzeitigen Situation mit dem eher verunglückten Saisonstart eine sehr wichtige Rolle spielen. „Ich glaube, er will die Kommunikation voranbringen, auch in der Mannschaft untereinander“, sagt Frauke Wilhelm, „das kann helfen, dass alle ein bisschen ruhig bleiben und niemand emotional überreagiert.“
Eine Gefahr bei Enttäuschungen in einer Mannschaftssportart ist auch, dass bisherige Ersatzspieler aufbegehren. Wenn das Team gewinnt, haben sie keine Argumente, wenn nicht, kann sich das ändern. „Die Unzufriedenen suchen sich Alliierte“, beschreibt Wilhelm ganz allgemein eine grundsätzliche Erfahrung.
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Manchen Spielern sind Trainerideen auch schwerer zu vermitteln als anderen, auch die muss man besonders abholen und mehr reden, sagt die Diplom Psychologin: „Für manche sind Frustrationen kognitiv schwer zu verarbeiten. Solche Spieler entwickeln leichter eigene Ideen, wenn es nicht läuft.“
Der FC St. Pauli ist in den vergangenen beiden Saisons jeweils Fünfter geworden – und wahrscheinlich entsprach das auch dem wahren Leistungsvermögen. Nur hat Hürzeler mit seiner überragenden Rückrunde Erwartungen geschürt, die schwer zu erfüllen sind. „Es kommt immer wieder vor, dass Mannschaften über ihre Verhältnisse spielen, auch weil sie Spielglück haben“, sagt Frauke Wilhelm, „das wird irgendwann kippen. Nicht zu gewinnen, heißt also nicht zwangsläufig, dass wir als Team Fehler machen.“ Auch das sollte ein Trainer seiner Mannschaft vermitteln – doch Fabian Hürzeler spricht ja viel.
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