Hamburg. Wer in diesen Tagen nach den Ursachen für die sportliche Talfahrt des seit sechs Spielen sieglosen FC St. Pauli forscht, wird schnell feststellen, dass die Abwehrformation in fast jedem der bisher acht absolvierten Punktspiele anders besetzt war. Vor diesem Hintergrund können auch die bereits 16 Gegentore als Folge der vorwiegend verletzungsbedingten Fluktuation angesehen werden. Nur ein einziger Spieler war immer dabei – Sebastian Ohlsson. Mal agierte er als rechter Mann in der Dreierkette, mal als klassischer rechter Außenverteidiger in einer Viererkette.
Für St. Paulis Trainer Timo Schultz ist es kein Zufall, dass der 27 Jahre alte Schwede, der im Sommer 2019 vom IFK Göteborg ans Millerntor gekommen war, bisher die einzige Konstante in seinem Abwehrverbund ist. „Er ist ein Musterprofi, auch in Bezug auf die Vor- und Nachbereitung des Trainings“, sagt er. „Dazu setzt er sich mit dem Thema Ernährung intensiv auseinander und achtet penibel darauf, wann er isst.“
St. Pauli: Ohlsson startete einst als Torjäger
„Ich lebe 24/7 als Profi“, sagt Ohlsson selbst dazu, also 24 Stunden am Tag und an allen sieben Tagen in der Woche. „Ich mache viel Regeneration, esse und trinke immer gut. So vermeide ich Verletzungen und fühle mich in den Spielen fit.“ Die in jedem Spiel und Training erhobenen Werte bestätigen dies. „,Seb‘ ist bei uns der Spieler mit der höchsten Trainingsintensität, was Sprints und Zweikämpfe angeht“, lobt Trainer Schultz den Schweden, der bei St. Pauli auch schon als Linksverteidiger und im defensiven Mittelfeld agiert hat.
„Früher war er sogar Linksaußen und hat viele Tore geschossen“, weiß Schultz. Ohlsson bestätigt dies: „Bei Örgryte IS waren es in meinen vier Jahren dort 30 bis 35 Treffer. Das waren sogar die meisten Tore eines Spielers von Örgryte zwischen 2010 und 2020.“ Beim IFK Göteborg wurde er aber zum Defensivspieler umfunktioniert und fühlt sich in dieser Rolle inzwischen auch wohler.
Ohlsson: "In dieser Art bin ich ein Führungsspieler"
Bei allem Lob erwartet St. Paulis Trainer allerdings in einem wichtigen Punkt noch eine Steigerung von Ohlsson. „Ich würde mir wünschen, dass er noch mehr Führungsaufgaben übernimmt. Er ist nicht der Lautsprecher, das wird er auch nie werden. Aber die Verantwortung, noch mehr vorneweg zu gehen und andere Jungs noch mehr in die Pflicht zu nehmen, wäre für ihn der nächste Schritt“, sagte Schultz am Dienstag auf Nachfrage.
Gerade in der aktuell schwierigen Phase könnte eine Steigerung in dieser Hinsicht hilfreich sein, zumal Kapitän Christopher Avevor mehr mit seiner Form und seinen Fehlern zu kämpfen hat und Stellvertreter Marvin Knoll weder im Mittelfeld noch als Innenverteidiger einen Platz in der Startelf sicher hat.
„Ich glaube, dass ich im Spiel immer hundert Prozent zeige. Ich gebe alles, was ich habe. In dieser Art bin ich ein Führungsspieler, denke ich. Man kann aber immer Dinge noch besser machen. Ich könnte sicher mehr reden“, sagt Ohlsson selbst zum Wunsch seines Trainers. Immerhin war er vor seinem Wechsel nach Hamburg auch Kapitän beim IFK Göteborg. Die Rolle als Führungskraft ist ihm also nicht fremd.
Hier spielt wohl auch die Sprache noch eine hemmende Rolle, obwohl er auch bei dem vom Verein organisierten Deutsch-Unterricht fleißig ist und gute Fortschritte macht. „Er soll Deutsch sprechen, sonst spielt er nicht“, sagte Schultz am Dienstag noch flapsig vor dem Gespräch der Medienvertreter mit Ohlsson, der sich tatsächlich nur dann ins Englische rettete, wenn ihm die deutsche Vokabel gerade fehlte.
Ohlsson wird im Februar erstmals Vater
Mehr Verantwortung wird auf Sebastian Ohlsson demnächst auch in seinem Privatleben zukommen. Im Februar, so ist es berechnet, wird er zum ersten Mal Vater. „Es wird ein Mädchen“, verriet er jetzt schon. „Es wird toll. Dann wird noch eine Person mehr da sein, für die ich kämpfen werde, wenn ich Fußball spiele. Vielleicht wird es aber auch einfacher sein, den Fußball mal zu vergessen, wenn man nach Hause kommt“, sagt er.