Der ehemalige Paulianer stürmt in der neuen Oberligasaison für den SC Victoria, der sich mittelfristig als dritte Kraft in Hamburg sieht

Hamburg. Seine erste offizielle Äußerung in Diensten des SC Victoria hätte kaum kürzer ausfallen können. „Hi“, sagt Marius Ebbers und sieht die Journalisten erwartungsvoll an. Schelmische Botschaft: Da bin ich. Noch Fragen? Dass der Ex-Profi des FC St. Pauli (138 Spiele/46 Treffer) nun in der Oberliga Hamburg auf Torejagd geht, als die Attraktion der neuen Amateurfußballsaison schlechthin, ist keine Überraschung. Gerätselt wurde nach dem peinlichen verlaufenen Rückzug seines Ex-Klubs VfL 93 in die Kreisklasse vielmehr, wohin es den 36-Jährigen zieht. Der SC Victoria erhielt den Zuschlag. Nach Beendigung seines dreimonatigen Gastspiels bei den Fort Lauderdale Strikers in Miami einigten sich Ebbers und „Vicky“ auf einen Einjahresvertrag ohne Ausstiegsklausel.

Die fußballerische Kaltschnäuzigkeit des Klamottenladenbesitzers von der Schanze („Ebb & Flow“) machen Victoria trotz des großen Umbruchs mit 14 Ab- und 14 Zugängen endgültig zu einem Titelkandidaten. „Ich bin nicht gekommen, um im Mittelfeld rumzuspielen“, sagt Ebbers. Victorias Sportdirektor Sven Piel hielt in den Gesprächen mit dem neuen Topstar ebenfalls nichts davon, „unsere Ambitionen unter den Scheffel zu stellen. Mitfavorit waren wir schon vorher“. Am deutlichsten formuliert die Ansprüche der Mitfinanzier des Transfercoups Sven-Christian Güthlein. „Das Ziel des Vereins muss es sein, 2015 wieder als dritte Kraft im Hamburger Fußball in der Regionalliga Nord zu spielen. Mit Marius steigt diese Wahrscheinlichkeit deutlich. Und ich hoffe, sein Körper macht mit und er spielt nach dem Aufstieg weiter“, erklärt der Inhaber des SCG-Verlags.

Güthleins Hoffnung zeigt, dass der Deal mit Ebbers nicht gänzlich ohne Risiko ist. Schon einmal verpflichtete Victoria einen Ex-St.-Pauli-Profi im höheren Fußballeralter, um in die Regionalliga Nord aufzusteigen. Im Winter der Saison 2011/12 heuerte Wandervogel Nico Patschinski bei den Blau-Gelben an. Mit 17 Treffern in 18 Spielen hatte er einen Riesenanteil am Double 2012. Sein nächstes Tor, ein schlitzohrig verwandelter Elfmeter beim 1:3 in Meppen am ersten Spieltag der Regionalligasaison 2012/2013, war zugleich „Patsches“ Abschiedsgruß. Er wechselte zum BFC Dynamo Berlin. Die Lücke, die er im Sturmzentrum hinterließ, konnte an der Hoheluft dann aber zwei Jahre lang kein Angreifer füllen. Nur 62 Treffer erzielte das Team in 64 Regionalligaspielen. Eine Rückholaktion Patschinskis, mittlerweile bei Oberligist Niendorfer TSV am Ball, scheiterte in diesem Sommer. Ebbers will, logisch in der Endphase seiner Karriere, von Jahr zu Jahr neu entscheiden, wann er seine Stollenschuhe an den Nagel hängt.

Das Bedrohungsszenario „Sturmflaute nach Ebbe“ hält Victorias Sportdirektor allerdings für überschaubar. „Außerdem“, so Piel, „sind wir extrem glücklich über den Transfer. Dieser wäre ohne Herrn Güthlein schwerer zu realisieren gewesen.“ Spekulationen, der SC Victoria rüste künftig mit mächtigen Geldgebern im Hintergrund finanziell gewaltig auf, erteilte Piel dagegen eine klare Absage: „Wir nehmen nicht mehr Geld in die Hand, um groß anzugreifen. Und wir würden niemals die Kadergestaltung in die Abhängigkeit eines einzigen Sponsors geben. Aber natürlich freuen wir uns über finanzielle Unterstützung.“

Das Markenzeichen Solidität will Victoria nicht gefährden. Der Jahresetat in der Regionalliga Nord – schätzungsweise 300.000 Euro – wäre bei einem Wiederaufstieg finanzierbar. Ebbers selbst soll nach Abendblatt-Informationen im Monat eine niedrige vierstellige Summe verdienen. Sportlich gesehen dürfte er jeden Euro wert sein. Bereits in den Testspielen bewies er seine Qualität, traf einmal gegen Lurup und dreimal gegen Glinde. „Ich fühle mich hier sehr wohl. Ein professionelles Umfeld, eine gute Mannschaft. Nur müssen wir noch konstanter auftreten“, sagt Ebbers. Damit liegt er auf einer Wellenlänge mit seinem Trainer Lutz Göttling. „Ich freue mich, mit so einem tollen Spieler zusammenarbeiten zu dürfen. Marius wird uns Durchschlagskraft verleihen, aber wir dürfen nicht vergessen, dass auch die Konkurrenz sich verstärkt hat“, sagt Göttling.

So verpflichtete Oberligameister TuS Dassendorf mit Marcel Stadel, 27, sogar einen Innenverteidiger vom Drittligaclub VfL Osnabrück. Stadels Marktwert wird bei transfermarkt.de auf 250.000 Euro geschätzt. Das Duell Ebbers gegen Stadel gibt es gleich am ersten Spieltag zu sehen. Es ist der Beginn eines harten Auftaktprogramms für die Victorianer, die in Dassendorf, daheim gegen Condor und in Altona in die neue Spielzeit starten. Sportdirektor Piel stört das nicht: „Ich finde es gut, sofort richtig gefordert zu werden. Dann wissen wir gleich, wo wir stehen.“

Sein neuer Mittelstürmer reagiert tiefenentspannt auf die Herausforderung zum Saisonstart. Für eine Bratwurst und ein Bierchen vor dem Spiel sei sicher Zeit, flachst Ebbers, betont aber ernsthaft: „Mein Ehrgeiz ist immer noch sehr groß.“ Die Abwehrreihen der Oberliga Hamburg sollen es zu spüren bekommen.